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  Pakistan zerstören, um es sicher zu machen

Die Vereinigten Staaten von Amerika treten weiterhin gegen alle Hornissennester rund um den Erdkreis und wundern sich, warum sie gestochen werden

Eric S. Margolis

Das letzte Beispiel: Pakistans einst so schönes Swat-Tal wurde in ein Schlachtfeld verwandelt. In der letzten Woche gab Pakistan den aufgebrachten Forderungen Washingtons nach, seine Armee gegen die rebellischen Paschtunenstämme der nordwestlichen Grenzprovinz (NWFP) loszulassen, die im Westen durch die Bank fälschlich als „Taliban“ bezeichnet werden. Sie sind keine afghanischen Taliban, aber es ist zweckmäßig für die westlichen Medien und das Pentagon, ihnen dieses Etikett zu verpassen.

Die Regierung Obama hatte gedroht, die jährlichen Zahlungen in der Höhe von US$ 1,2 Milliarden an die bankrotte politische und militärische Führung Pakistans einzustellen und US$ 5,5 Milliarden an zukünftiger Hilfe auf Eis zu legen, wenn Islamabad nicht seine Soldaten in die unruhige Provinz an der afghanischen Grenze schickte, um Versuche zu unterdrücken, islamisches Recht und Autonomie wieder einzuführen. Viele Menschen in der Region wollen das islamische Recht, da dieses in dem durch und durch korrupten Pakistan das einzige ehrlich und rasch funktionierende Rechtssystem ist. Das einzige andere verfügbare „Gesetz“ muss gekauft werden.

Pakistans Armee und Luftwaffe behaupteten, 1.000 „Terroristen” (sprich: zum größten Teil Zivilisten) getötet zu haben und haben das Tal nahezu von seinen Bewohnern entleert. Laut UNO-Quellen wurden durch diese Operation fast 2.000.000 Menschen zu Flüchtlingen. 

Die pakistanischen Streitkräfte, die von den Vereinigten Staaten von Amerika bezahlt werden, damit sie Paschtunenstämme bekämpfen, haben einen strahlenden Sieg gegen ihr eigenes Volk errungen. Nur dumm, dass das pakistanische Militär in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit Indien nicht so gut drauf ist. Jedenfalls ist es viel sicherer und einträglicher, zuhause gegen Zivilisten zu kämpfen. 

Nicht in der Lage, Afghanistans Paschtunenstämme (wieder allesamt einfach als „Taliban” bezeichnet) zu befrieden, hat ein zutiefst frustriertes Washington begonnen, Pakistan auseinander zu reißen in einer Kraftanstrengung, den Widerstand der Paschtunen in beiden Ländern zu beenden. Bis jetzt haben die Drohnen der CIA über 700 pakistanische Paschtunen getötet. Laut pakistanischen Medienberichten waren 6% davon Kämpfer, alle anderen waren Zivilisten. 

Paschtunen, fälschlich auch als Pathanen bezeichnet, sind das größte Stammesvolk der Erde. Fünfzehn Millionen leben in Afghanistan und bilden dort die Hälfte der Bevölkerung. 26 Millionen leben gleich jenseits der Grenze in Pakistan. Bis zu drei Millionen afghanische Paschtunen halten sich als Flüchtlinge in Pakistan auf.

Getreu ihrer Strategie des Teile und Herrsche haben die britischen Imperialisten die Paschtunen durch eine künstliche Grenze geteilt - die Durand-Linie (die zur heutigen Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan geworden ist). Die Paschtunen lehnen diese künstliche Grenze ab.

Viele Paschtunenstämme traten freiwillig Pakistan bei, unter der Bedingung, dass ein großer Teil ihres Gebietes autonom und frei von Regierungstruppen bleibt. Das paschtunische Swat, wo das islamische Sharia-Recht in Kraft war, trat Pakistan erst 1969 nach der Zusicherung von Autonomie und Religionsfreiheit bei.

Nachdem Pakistans Paschtunen zunehmend den Widerstand der Paschtunen in Afghanistan unterstützten, begannen “Predator”-Drohnen der Vereinigten Staaten von Amerika sie zu attackieren. Washington zwang Islamabad, unter Verletzung der eigenen Verfassung Truppen in Gebiete der Paschtunen zu schicken. Das Ergebnis davon war der derzeitige Ausbruch paschtunischen Zorns.

Ich bin mit Paschtunen im Krieg gewesen und habe ihre legendäre Tapferkeit kennengelernt, ihr strenges Ehrgefühl und ihre Entschlossenheit. Sie sind auch ungeheuer streitsüchtig, nachtragend, reizbar und berüchtigt für ihre Rachsucht. Man lernt, einen Paschtunen nie zu bedrohen oder ihm ein Ultimatum zu stellen. Diese Gebirgskrieger haben die Vereinigten Staaten von Amerika abblitzen lassen, indem sie ihnen Osama bin Laden nicht ausgeliefert haben, weil dieser ein Held des antisowjetischen Krieges und ihr Gast war. Dadurch hätten sie gegen ihren alten Code „Pashtunwali“ verstoßen, der sie immer noch leitet.

Jetzt drohen Washingtons ungeschickte Politik und die Schreckenstat der letzten Woche in Swat Pakistans zweitschlimmsten Alptraum nach einer Invasion durch Indien zu entfesseln: dass sich seine 26 Millionen Paschtunen loslösen und gemeinsam mit den afghanischen Paschtunen einen eigenständigen Staat Paschtunistan bilden.

Das würde Pakistan auseinander reißen, wahrscheinlich seine widerspenstigen Baluchi-Stämme zur Abspaltung provozieren und letztlich Indien in Versuchung bringen, militärisch zu intervenieren und damit einen nuklearen Krieg mit dem mitgenommenen Pakistan riskieren.

Die Paschtunen der nordwestlichen Grenze haben weder die Absicht noch die Kapazitäten, in Pakistans andere Provinzen Punjab, Sindh und Baluchistan vorzustoßen. Alles was sie wollen, ist in Ruhe gelassen zu werden. Die Warnungen vor einer „Machtübernahme der Taliban in Pakistan“ beruhen auf Nichtwissen oder Propaganda.

Die Bewohner der tiefer gelegenen Gebiete Pakistans haben wiederholt militanten islamischen Parteien eine Abfuhr erteilt. Viele haben wenig Zuneigung für die Paschtunen, die sie als Gebirgsdörfler betrachten, mit denen man am besten nichts zu tun hat. Pakistans islamische Parteien haben traditionell weniger als 10% der landesweiten Stimmen bekommen.

Auch Pakistans gut bewachte nukleare Waffen stellen keine Gefahr dar – zumindest noch nicht. Warnungen betreffend Pakistans Atomwaffen kommen von neokonservativen Herstellern, die sich Sorgen um Israel machen.

Die wirkliche Gefahr liegt in den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich aufführen wie ein wütendes Mastodon, Pakistan niedertrampeln und die Militärs in Islamabad zwingen, gegen das eigene Volk zu kämpfen. Pakistan könnte enden wie der von den Vereinigten Staaten von Amerika besetzte Irak, in drei Teile zersplittert und hilflos.

Wenn das so weiter geht, könnten irgendwann nationalistisch eingestellte pakistanische Soldaten gegen die korrupten Generäle und Politiker auf der Gehaltsliste Washingtons rebellieren.

Ähnlich beunruhigend die Gefahr eines Aufstands der armen Bevölkerung Pakistans – fälschlicherweise auch als “Taliban” bezeichnet – in Form einer radikalen nationalen Rebellion ähnlich der maoistischen Naxalite-Rebellion, die sich in Indien ausbreitet.

Wie im Irak bestimmen weiterhin Ignoranz und militärische Arroganz die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan. Obamas Leute verstehen genauso wenig wie die Regierung Bush, was sie in „Afpak“ erwartet. Sie werden es auf die harte Tour lernen.

 
     
  Paris, 18. Mai 2009, Copyright © 2009 Eric Margolis   
  erschienen auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/destroying-pakistan-to-make-it-safe_1.aspx  
     
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