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  Vorsicht vor dem gefürchteten iranischen Fluch 

Eric S. Margolis

Wir machen immer wieder den Fehler, jede neue Krise im Ausland als besonderes und einzigartiges Ereignis zu behandeln anstatt als Teil eines historisch-politischen Zusammenhangs. Hier ein trauriges Beispiel:

1982 wurde mein alter Freund und Klassenkamerad in der Georgetown University Foreign Service School, Sadegh Ghotbzadeh in Teheran hingerichtet, nachdem er bei dem Versuch gescheitert war, Irans islamische Republik zu stürzen.

Ich erwähne Sadeghs Tod auf Grund der zunehmend schrillen Forderungen von Republikanern und einigen kriegslüsternen Demokraten, Präsident Obama solle sich in die Krise nach den Wahlen im Iran einmischen, und dessen Beharren darauf, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Hände davon lassen.

Ist es möglich, dass diese Abgeordneten wirklich keine Ahnung davon haben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich in den letzten Jahren hunderte Millionen bei dem Versuch ausgegeben haben, den Iran zu destabilisieren und seine gewählte Regierung zu stürzen? Oder dass die westlichen Mächte einen beispiellosen Medien- und Telekom-Angriff gegen Irans islamische Regierung führen?

Zurück zu meinem alten Freund.

Der ehemalige iranische Präsident Abolhassan Bani Sadr sagte mir, Sadegh habe die Amerikaner gebeten, keinerlei Unterstützung für seinen geplanten Staatsstreich zu zeigen. ‚Wenn ihr das tut, ist es aus mit uns.’ Sadeghs geplanter Staatsstreich gegen die Regierung von Ayatollah Ruhollah Khomeini musste den Anschein haben, als sei er in dem Land selbst entstanden und habe keine Verbindungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika und zum Vereinigten Königreich.

Sadegh traf sich mit einem hohen Beamten des Nationalen Sicherheitsrats der Vereinigten Staaten von Amerika und kehrte dann nach Teheran zurück, wo er verhaftet und in der Folge wegen Hochverrats erschossen wurde.

Laut dem ehemaligen Präsident Bani Sadr stand der Beamte des US-Nationalen Sicherheitsrats Israel sehr nahe und informierte den israelischen Geheimdienst Mossad von dem geplanten Staatstreich. Der Mossad warnte dann die Regierung Khomeini durch eine dritte Partei vor Sadeghs Putsch. Wenn das stimmt, dann kam es zu diesem atemberaubenden Zynismus, weil Israel gerade dabei war, den Verkauf von US-Waffen und Ersatzteilen im Wert von US$ 5 Milliarden an den Iran während dessen bitterem Krieg gegen den Irak zu verhandeln.

Ungeachtet der öffentlichen gegenseitigen Drohungen steckten Israel und Iran geheim unter einer Decke. Geld ist halt dicker als Blut. 

Interessanterweise beharrte Sadegh auch darauf, dass führende Republikaner die islamische Regierung angefleht hätten, die Geiseln in der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika nicht vor den US-Wahlen freizulassen. Die Geiselaffäre vereitelte Präsident Jimmy Carters Wiederwahl.  

Die Freilassung der Geiseln traf dann zusammen mit Ronald Reagans Amtsantritt.

Eine der trüberen Leuchten in den derzeit schwach belichteten Reihen der republikanischen Partei ist Senator Lindsey Graham aus South Carolina, ein stolzer Befürworter von Folter und geheimen Gefängnissen. Graham hat bei der Forderung nach einer Intervention der Vereinigten Staaten von Amerika die Führung übernommen. Aber wie? Washington hat keine Truppen mehr und muss sich jetzt 50 Cent für jeden Dollar, den es ausgibt, von China ausleihen.

Vielleicht möchte der kriegerische Senator die Freiwilige Feuerwehr von Goose Creek in South Carolina schicken, um die verflixten Iraner zu schlagen.

Zweifelsohne könnte der gute Senator diesen fanatischen Turbanträgern in Teheran zeigen, wie Amerikaner ehrliche Wahlen in Irak und Afghanistan abhalten – wo Gruppierungen, die gegen die US-Okkupation sind, von der Teilnahme an der ‚demokratischen Wahl’ ausgeschlossen sind – nicht viel anders als in Iran, wo hohe Kleriker ‚ungeeignete’ Kandidaten von der Wahl ausschließen. Oder Libanon, wo Washington vor kurzem einen Haufen Geld für den Kauf von Stimmen für die proamerikanische Koalition austeilte, die dann einen außergewöhnlich hohen Sieg erringen konnte. 

Es ist wenig, was Washington in Iran tun kann oder soll. Die iranischen Wahlen haben offenbar trotz bedeutender, aber nicht entscheidender Unregelmäßigkeiten zum Sieg von Präsident Mahmoud Ahmadinejad geführt. Denken wir an den Murks mit den Lochkarten in Florida, die betrügerischen Wahlmaschinen in Ohio und an Chicago, wo der legendäre Bürgermeister die Toten zum Leben erweckte und für den heiligen Jack Kennedy stimmen ließ.

Iran hat die einzigen ziemlich ehrlichen Wahlen von Marokko bis Indien (außer Israel, dessen Wahlen normalerweise einwandfrei sind). Den Vereinigten Staaten von Amerika steht es nicht zu, den ersten Stein zu werfen, wenn es um demokratische Vorgangsweisen geht.

Iran stand unter Belagerung durch die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich, Frankreich und seine arabischen Nachbarn seit der islamischen Revolution 1979. Die oft tragische Geschichte Irans ist gekennzeichnet durch die britische Invasion 1941, den angloamerikanischen Staatsstreich 1953, der die demokratische Regierung Mossadegh stürzte und den von den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich angezettelten Krieg gegen den Irak, der eine Million getöteter Iraner zur Folge hatte. 

Das Beste, was der Westen tun kann, ist sich aus den inneren Angelegenheiten des Iran herauszuhalten. Je mehr er sich einmischt, desto mehr gibt er den Hardlinern einen Grund, ihre Opponenten als Hochverräter und westliche Handlanger hinzustellen. Aus diesem Grund hat auch mein Freund Sadegh Washington gebeten, sich ruhig zu verhalten. 

Iran muss seine eigenen Probleme selbst lösen. Wir haben genug vom ‚Nationen-bauen’ in Afghanistan und Irak. Und wie kommt Washington dazu, Iran wegen der Anwendung von Gewalt zu beschimpfen, nachdem es Pakistans militärische Offensive gegen Swat unterstützt hat, die 2,5 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben und mehr als 1.000 getötet hat?

Die Amerikaner dürfen nicht zulassen, dass Wunschdenken und Animosität gegen Ahmadinejad ihr Urteilsvermögen einschränken und sie in ein weiteres Riesenschlamassel in der muslimischen Welt hineinführen.

Glücklicherweise haben die Amerikaner den vorsichtigen Barack Obama am Steuer und nicht diese schießwütigen Republikaner wie John McCain, Lindsey Graham und Joseph Lieberman. Die insolventen Vereinigten Staaten von Amerika können sich nicht mehr Konflikte leisten, zumal sie gerade mit einer möglicherweise gefährlichen Krise mit Nordkorea konfrontiert sind.

Obama sollte die CIA und andere US-Geheimdienste davon abhalten, die Situation im Iran anzuheizen und bewaffnete Opposition zu organisieren. Diese subversiven Aktivitäten könnten die Vereinigten Staaten von Amerika in einen neuen Konflikt hineinziehen, für den sie nicht gerüstet sind. Sogar Israel, das über eine oder zwei Sachen im Nahen Osten Bescheid weiß, unterstützt jetzt Ahmadinejad.

Amerikas vergangene Einmischungen in den Iran haben zu oft zu Fiaskos geführt, oder schlimmer. In der Tat hat sich der Iran zu etwas wie einem Fluch für die Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt. Das ist so ein politisch-historischer Zusammenhang, den wir im Kopf behalten  müssen.  

 
     
  Washington, 29. Juni 2009, Copyright © 2009 Eric S. Margolis   
  erschienen auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/beware-the-dreaded-iranian-curse.aspx  
     
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