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  Interventionismus, Imperium, und die Taliban

Jacob G. Hornberger

Die grundlegende Rechtfertigung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika für die Fortsetzung der Okkupation Afghanistans lautet, es müsse verhindert werden, dass die Taliban wieder an die Macht gelangen und einen sicheren Zufluchtsort für al-Qaeda bieten werden. Paradoxerweise ist das ein weiteres Beispiel für die desaströsen Auswirkungen von Imperialismus und Interventionismus, da es nämlich ausgerechnet die Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika war, die das Problem schuf, das jetzt als hauptsächliche Rechtfertigung für die unbefristete Okkupation des Landes herhalten muss.

Die Interventionisten täuschen sich oft selbst hinsichtlich der Ursache, aus der die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika beide – al-Qaeda und die Taliban – nach dem 9/11 angegriffen hat. Sie sagen, die Taliban hätten einen „sicheren Zufluchtsort“ für Osama bin Laden und al-Qaeda geboten.

Was ist nun genau ein „sicherer Zufluchtsort”? Heißt das einfach, dass Terroristen in einem Land leben, während sie einen terroristischen Angriff auf ein anderes Land planen?

Wenn das so ist, was ist dann mit den 9/11-Terroristen, die vor den Attacken hier in den Vereinigten Staaten von Amerika gelebt haben, besonders mit denen, die hier mit Genehmigung der Regierung gelebt haben? Sollte das etwa heißen, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika einen „sicheren Zufluchtsort“ für die 9/11-Terroristen zur Verfügung gestellt hat?

Oder was ist dann mit Deutschland, wo ein paar 9/11-Terroristen einige ihrer Planungssitzungen abhielten? Hat ihnen Deutschland damit einen „sicheren Zufluchtsort“ zur Verfügung gestellt?

Natürlich nicht. Schon deshalb nicht, weil die Tatsache, dass Terroristen in einem Land leben, während sie einen terroristischen Angriff planen, noch nicht ausreicht, um die Regierung dieses Landes für die kriminelle Tat verantwortlich zu machen. Offensichtlich braucht es mehr, um einen Angriff gegen einen Staat zu rechtfertigen. Nur unter der Voraussetzung einer Komplizenschaft bei der terroristischen Attacke lassen sich kriegerische Schritte gegen eine fremde Regierung rechtfertigen. 

Hat die Taliban-Regierung tatsächlich mit Osama bin Laden konspiriert, die 9/11-Attacken zu begehen? Wussten die Taliban überhaupt, dass bin Laden die Angriffe plante, und haben nichts unternommen, um diese zu verhindern?

Glauben Sie nicht, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Fall, dass sie irgendwelche Beweise für eine Komplizenschaft der Taliban bei den Attacken hätte, diese bis jetzt auf den Tisch gelegt hätte? Acht Jahre nach den Attacken hat sie das immer noch nicht getan, und der einzig mögliche Grund dafür ist, dass keinerlei derartiger Beweis existiert.

Nach dem 9/11 forderte Bush die Taliban auf, bin Laden freiwillig an die Vereinigten Staaten von Amerika herauszurücken. Glaubt jemand, Bush hätte sich diese Umstände gemacht, wenn er tatsächlich Beweise besessen hätte, dass die Taliban an den Attacken beteiligt waren? Auf keinen Fall. Hätte Bush solche Beweise gehabt, hätte er die Taliban nicht ersucht, bin Laden an die Vereinigten Staaten von Amerika auszuliefern. Er hätte einfach Afghanistan und al-Qaeda zusammen angegriffen, vielleicht sogar mit einer verfassungsrechtlich erforderlichen Kriegserklärung durch den Kongress.

Hätten die Taliban der Forderung Bushs entsprochen, bin Laden an U.S.-Kräfte auszuliefern, ist davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika niemals die Taliban-Regierung angegriffen und entmachtet hätte.

Warum hat Bush seine militärischen Angriffe gegen Afghanistan nicht auf die Verfolgung von bin Laden und al-Qaeda beschränkt? Warum hat er seine militärischen Kräfte auch dazu benutzt, die Taliban zu entmachten? Einfach weil die Taliban sich geweigert hatten, seiner Forderung nach der Auslieferung bin Ladens an die Vereinigten Staaten von Amerika Folge zu leisten. In einer Welt, in der die Regierung der Vereingten Staaten von Amerika das einzige verbleibende Imperium anführt, beugen sich Regierungen der Dritten Welt entweder den Forderungen des Imperiums oder erleiden die Konsequenzen. 

(Obwohl es kein Auslieferungsabkommen zwischen Afghanistan und den Vereinigten Staaten von Amerika gab, signalisierten die Taliban Bereitschaft, bin Laden an ein unabhängiges Gericht zu übergeben, wenn Bush Beweise zur Untermauerung seiner Herausgabeforderung vorlegen konnte.)

Wir sollten auch nicht vergessen, dass vor den 9/11-Attacken die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 2001 bereits $ 125 Millionen an Entwicklungshilfe für Afghanistan vorgesehen hatten. In einem Artikel vom 5. November 2001 bemerkte Ron Paul, dass erst im Mai 2001 „die Vereinigten Staaten von Amerika ankündigten, wir würden die Taliban mit zusätzlichen $ 43 Millionen Entwicklungshilfe für ihre Aktionen belohnen, den Anbau von Mohn für die Produktion von Heroin und Opium zu verbieten.“

Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Taliban nichts anderes sind als der Auswuchs aus genau der Gruppierung, die die CIA finanziert und unterstützt hatte, um gegen die Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion zu kämpfen.

Nachdem sie also fürs erste die Taliban unterstützt hatte, beschloss die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nach ihrem Überfall auf Afghanisten, diese zu entmachten und um jeden Preis zu verhindern, dass sie wieder an die Macht kommen, sogar wenn das die ständige Okkupation des Landes durch die Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet. Das ist nur eine weitere interventionistische „Erfolgsstory“ in der Geschichte des U.S. Imperiums.

 
     
  erschienen am 15. September 2009 auf > THE FUTURE OF FREEDOM FOUNDATION > http://www.fff.org/blog/jghblog2009-09-15.asp  
     
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