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  Tony Blair – Strohfeuer und Absturz

Suche nach dem neuen EU-Präsidenten voller versteckter Bomben

Eric Margolis

Henry Kissinger fragte einmal höhnisch, wen in Europa er anrufen solle, wenn die Welt in Brand geriete. Zu dieser Zeit hatte die EU noch keinen Chef.

Das ist das Problem der EU seit ihrer Gründung. Macht und Identität der Europäischen Union waren aufgeteilt zwischen ihrer aufgeblasenen kafkaesken Bürokratie in Brüssel, dem Europäischen Parlament in Strasbourg und den nationalen Regierungen.

Jetzt, nach einem langen quälenden Prozess der Festigung der Regierungsgewalt und Überarbeitung der Regeln ist die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten endlich in der Lage, einen mächtigen Präsidenten zu bestimmen. Leider hat die EU Probleme, einen zu finden.

Viele ihrer Anführer sind so fad und gesichtslos, dass die Europäer nicht einmal ihre Namen kennen. Leider hat Europas beliebtester Politiker Barack Obama bereits einen Job.

Aber gerade rechtzeitig zu Halloween ist Großbritanniens immerzu lächelnder ehemaliger Premierminister Tony Blair wie ein Geist aus dem politischen Grab gestiegen. Großbritanniens derzeitiger Premierminister Gordon Brown will Blair als EU-Präsidenten nominiert haben. Das will auch Washington. 

Der redegewandte Blair ist allen anderen europäischen Politikern um Lichtjahre voraus, wenn es um Bekanntheit, Image und Mediengeglitzer geht. Im Vergleich zu Blair sehen die anderen Kandidaten, die bisher für die EU-Präsidentschaft in Frage kommen, wie Zombies aus.

Aber Blair wird auch weitgehend verachtet, ja sogar gehasst in vielen Bereichen Europas und Großbritanniens. Er trägt noch immer den Unsegen George W. Bushs, auf dessen Schoß Blair so lange saß und mit dem Schwanz wedelte. 

Blair agierte als Lockvogel und Schlepper für Bushs dreisten Überfall auf den Irak. Er verriet seine Labour Partei, die Interessen Großbritanniens, sowie sein ehemaliges Image als ehrlicher Politiker.

Clare Short, die hoch respektierte ehemalige britische Innenministerin und Parlamentsabgeordnete sagte zusammenfassend über Blair: „Blairs feige Unterstützung der neokonservativen Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika hat die Gefahr des Terrorismus und Instabilität und Leiden im Nahen Osten verschlimmert."

„Er hat das Vereinigte Königreich entehrt, die Vereinten Nationen und das Internationale Recht untergraben und dazu beigetragen, die Erde gefährlicher zu machen.“

Viele Briten und Europäer sehen den öligen Blair als George Bushs Kreatur. Warum er sich dazu entschlossen hat, Bushs illegale Handlungen zu unterstützen, bleibt ein Geheimnis. Unter dem Strich bekam Blair dafür einen Haufen britischer Soldaten, die für nichts gestorben sind – nicht zu reden von der riesigen Anzahl von Irakern und Afghanen – und machte sein Land zum Feind der gesamten islamischen Welt.

Die britische Labour Partei schoss diese Woche einen vergifteten Pfeil in Blairs Rücken. Der ehemalige Innenminister Charles Clarke warnte, Blair würde die Bemühungen zunichte machen, die gereizten Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU wieder zu normalisieren. Die britischen Konservativen warnten vor einem „Krieg“ mit Europa, falls Blair dessen Anführer würde.

In Brüssel sagte der Führer der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, seine Fraktion würde ihr Veto gegen Blair einlegen, der „wegen Irak Europa seinen Rücken zugewandt hat.“ Bushs Überfall auf den Irak gegen den erbitterten Widerstand Westeuropas könnte ohne Blairs übertriebene Unterstützung gar nicht stattgefunden haben. 

Deutschlands wieder gewählte Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy waren laut Berichten für Blair, der viel Zeit damit verbracht hat, diesen Königmachern Honig ums Maul zu schmieren. Ein höherer Berater Merkels ließ allerdings verlauten, dass diese die Nase voll habe, „dem Herrn Flash weiter zuzuhören.“ Sarkozy hat gerade seinen Kurs gewechselt und sich gegen die Kandidatur „meines lieben Freundes“ Blair ausgesprochen. Au revoir Tony.

Die Europäer haben auch nicht vergessen, wie Blair Bemühungen zunichte machte, Großbritannien in die Eurozone zu bringen oder seine Verteidigung in die der EU zu integrieren. Blair setzte die traditionelle britische Strategie fort, die europäische Einheit zu unterminieren, während er vorgab, ein Freund und Helfer zu sein. Viele sahen in Blair ein Trojanisches Pferd der Vereinigten Staaten von Amerika, die ebenso daran interessiert waren, Europa schwach und aufgesplittert zu halten. Er wurde zum Symbol für das französische Klischee vom zwiegesichtigen Großbritannien als „hinterhältiges Albion.“

Die drei führenden Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU sind Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, der holländische Premierminister Jan Balkenende (der behauptet, aus dem Rennen zu sein) und der ehemalige finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen, sind eine dreifache Gähnnummer. Langweilig zu sein kann in der Politik allerdings ein Vorzug sein.

Die meisten Schweizer wissen nicht, wie ihr Bundespräsident heißt, dennoch funktioniert die Schweiz wie eine ... Schweizer Uhr. Vielleicht ist ein kompetentes Arbeitstier das, was Europa gerade braucht.

Es braucht sicher nicht mehr von der Art des untoten Mister Flash.

 
     
  erschienen am 1. November 2009 in der TORONTO SUN > http://www.torontosun.com/comment/columnists/eric_margolis/2009/11/01/11594631-sun.html  
     
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