HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
  Christen für den Krieg 

Philip Giraldi

Heute am Heiligen Abend mag es für die unter uns, die uns als Christen bezeichnen, nützlich sein, sich die Lehren Jesu Christi über Demut, Nächstenliebe, Toleranz und friedliches Zusammenleben wieder einmal vor Augen zu führen. Die christliche Botschaft sollte besonders bei den amerikanischen Menschen willkommen sein, die seit 2001 die Last des nahezu ununterbrochenen Krieges tragen, in dem mehr als 5.300 Amerikaner und hunderttausende Menschen in anderen Ländern getötet worden sind, mit erschreckenden Kosten für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Botschaft ist besonders angebracht an Weihnachten 2009, da es den Anschein hat, dass viele sogenannte christliche Anführer die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika dazu drängen, Maßnahmen zu setzen, die unweigerlich zu einem neuen Krieg führen werden, dieses Mal gegen den Iran.

Am 10. Dezember schickte eine Gruppe, die sich „Christliche Anführer für einen atomwaffenfreien Iran" nennt, einen Brief an die Vorsitzenden der beiden politischen Parteien und an den Vorsitzenden und hochrangige Mitglieder des Komitees des Repräsentantenhauses für Außenpolitik. Der Brief, der begann mit „Wir schreiben heute als christliche Anführer“ ging einer Abstimmung im Repräsentantenhaus am 15. Dezember voraus, in der 412 Abgeordnete dem Gesetz über die Verhängung von Sanktionen betreffend raffinierte Erdölprodukte gegen den Iran zustimmten und nur zwölf dagegen. Die vom Repräsentantenhaus beschlossenen und von der christlichen Führerschaft unterstützten Sanktionen werden von vielen richtig als einer kriegerischen Handlung gleichkommend gesehen. 

Der Brief der christlichen Anführer war von vielen prominenten Evangelikalen unterschrieben, darunter dem Gründer der Vereinigten Christen für Israel John Hagee, Pat Robertson vom christlichen Sendernetzwerk, Chuck Colson, Gary Bauer von Amerikanische Werte, und Richard Land. Land, der die treibende Kraft hinter diesem Brief zu sein scheint, ist der Präsident der Kommission für Ethik und Religionsfreiheit der Baptistischen Konvention der Südstaaten. Unter den 37 Unterzeichnern befinden sich auch einige Katholiken, was überrascht, da der Vatikan wiederholt seine Ablehnung des andauernden Konflikts im Nahen Osten ausgedrückt hat. Einer von ihnen, Bill Donohue, Präsident der katholischen Liga für religiöse und bürgerliche Rechte, hat einen interessanten moralischen Kompass. Zur Verteidigung der katholischen Priester, die sich an jungen Buben vergangen haben, erklärte er einst: „Immerhin würden es die meisten 15-jährigen Jungen nicht zulassen, dass man sie belästigt.“ Er stellte auch fest, dass „Hollywood Analsex liebt“ und dass die Filmindustrie „von weltlichen Juden, die die Christen hassen“ kontrolliert wird. Donohues Unterschrift mag ein bizarres Mea Culpa für seine hässlichen Bemerkungen über Juden sein, da es ihn in ein festes Bündnis mit AIPAC (israelische Lobbygruppierung) in der Angelegenheit Iran bringt, aber es bringt ihn in eine merkwürdige Verbindung mit Hagee, der den Katholizismus hasst und der katholischen Kirche die Schuld am Holocaust gibt. 

Der Name dieser Arbeitsgemeinschaft „atomwaffenfreier Iran“ entbehrt nicht der Ironie, da der Iran in der Tat atomwaffenfrei ist. Teheran ist allerdings direkt konfrontiert mit 200 israelischen Atomsprengköpfen und einer unbekannten Anzahl amerikanischer Atombomben, die sich an Bord der Schiffe und Flugzeuge im Persischen Golf befinden. Wenn der Brief der christlichen Anführer wörtlich zu nehmen ist, sind israelische und amerikanische Atomwaffen vom kirchlichen Standpunkt aus anders zu beurteilen als diejenigen, zu denen der Iran kommen könnte. Der Brief lässt auch außer Acht, dass der Iran mit den nicht bedrohlichen, aber nuklear bewaffneten Ländern Indien und Pakistan in guter Nachbarschaft lebt und erhebt einige fragwürdige Ansprüche ausgehend von der matten Beteuerung, dass der Iran unter der Führung „extremistischen Führer“ ein Atomwaffenprogramm betreibt. Er fährt dann fort mit der Feststellung, dass der Iran der führende Staat bei der Förderung des Terrorismus ist, „demokratische und westlich orientierte Regimes im gesamten Mittleren Osten“ destabilisiert und „Atomwaffen an extremistische Gruppierungen verkaufen oder weitergeben wird.“ Der Brief behauptete, dass der Iran „geschworen hat, Israel vom Angesicht der Erde zu wischen“ und endete mit dem Ruf nach Sanktionen betreffend den Verkauf von Produkten aus raffiniertem Erdöl an Teheran, wobei nicht nur der Treibstoff selbst, sondern auch die Tankschiffe und die involvierten Banken und Versicherungen  einbezogen werden müssten. Er endete: „Wir erheben heute unsere Stimme im Namen von Millionen von Christen, die glauben, dass den Interessen von Frieden und Sicherheit am besten gedient ist, wenn unsere gewählten Vertreter ein mächtiges Zeichen setzen, dass dieses tyrannische iranische Regime niemals die Welt mit nuklearen Waffen bedrohen soll.“ 

Ich bin ein Christ, den dieser Brief traurig macht, weil er nichts Gutes bringt, weder für die Vereinigten Staaten von Amerika noch für die Menschen im Iran, noch moralische Werte beinhaltet, an die ich mich halten könnte. Viele der Unterzeichner haben auch die Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika in den Irak unterstützt, die unter anderem die alte chaldäisch christliche Gemeinschaft in diesem gequälten Land zerstört hat. Der „atomwaffenfreier Iran“-Brief nimmt´s überhaupt nicht sehr genau mit Tatsachen. Regierung und Politik des Iran mögen nicht nach unserem Geschmack sein, aber es ist nicht Aufgabe Washingtons, eine weitere desaströse Intervention in ein anderes Land durchzuführen, um einen Regierungswechsel herbeizuführen. Teheran bleibt weiterhin eine Signatarmacht zum Atomwaffensperrvertrag und hält sich an die Kontrollbestimmungen der Internationalen Atomenergieagentur IAEA. Ob einem das passt oder nicht, hat der Iran das gesetzliche Recht, Uran für die Energieerzeugung anzureichern. Es gibt zwar einige gerechtfertigte Bedenken hinsichtlich der nuklearen Absichten des Landes, es gibt aber keinen Beweis für die Existenz eines geheimen Waffenprogramms. Sollte der Iran eines Tages entscheiden, eine Atomwaffe zu entwickeln, so wird das höchstwahrscheinlich aufgrund des unnachlässigen Drucks und der Drohungen seitens der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels sein. Und dann ist da noch die Behauptung, dass eine Bombe in den Händen des Iran unweigerlich an Terroristen weitergegeben würde. In der realen Welt ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Land über mehrere Jahre hinweg riesige Summen ausgibt, um eine Waffe zu entwickeln, nur um diese dann weiterzugeben. Außerdem würde der Iran, falls die Mullahs eine Atomwaffe an einen Terroristen weitergäben, der diese irgendwie befördern und einsetzen könnte, am nächsten Tag durch die Vereinigten Saaten von Amerika und Israel in Schutt und Asche gelegt. Nichts weist darauf hin, dass die iranische Regierung zum Selbstmord neigt.  

Im Gegensatz zu den Behauptungen in diesem Brief ist Irans zugegebenermaßen fundamentalistische und autoritäre Führung alles andere als extremistisch in ihren politischen Ambitionen. Das Land hat sich seit der Revolution gegen den Schah 1979 immer pragmatisch verhalten und hat niemanden angegriffen. Präsident Mahmoud Ahmadinejad, der in den westlichen und israelischen Medien durchgehend und oft unfair kritisiert worden ist, hat im Gegensatz zu unserem eigenen Präsidenten Obama keine Macht, einen Krieg zu beginnen. Der Iran unterstützt palästinensische und libanesische Widerstandsbewegungen, wobei keine dieser Gruppen als internationale Terroristen bezeichnet werden kann, so lange man nicht voll und ganz die israelische Definition von Terrorismus akzeptiert. Vom Standpunkt Teherans sind die Vereinigten Staaten von Amerika und nicht der Iran der hauptsächliche staatliche Förderer von Terrorismus im Mittleren Osten durch die Unterstützung von kurdischen, arabischen und balutschischen Separatistenbewegungen, die im Iran Angriffe durchführen. 

Es ist auch schwierig festzustellen, welche demokratischen Regierungen im Mittleren Osten es sein könnten, die der Iran angeblich unterminiert. Sollte es sich um den Irak handeln, so sind die meisten Beobachter sich einig, dass trotz gelegentlicher Reibereien Bagdad ausgezeichnete Beziehungen zu den Ayatollahs in Teheran unterhält, fast sicher eine engere Beziehung als die mit Washington. Sollte Israel gemeint sein, hat der Iran keine Möglichkeit, die Entwicklungen in diesem Land zu beeinflussen, und die oft wiederholte Behauptung, Teheran würde Israel von der Landkarte fegen, ist eine bewusste Fälschung. Kann der Iran den Libanon unterminieren? Gerade weil der Libanon eine Demokratie ist, ist die Hezbollah so stark. Diese wird von vielen Menschen im Libanon wegen ihres Widerstands gegen Israel unterstützt, wie auch die Hamas in Gaza demokratisch gewählt worden ist, eine Wahl, die viele in den Vereinigten Staaten von Amerika auch lieber ignorieren würden. 

Und dann die Sanktionen selbst. Die sogenannten christlichen Anführer wollen den Iran unter Druck setzen, um ihn zu gewünschtem Verhalten zu bewegen, als wäre die Bestrafung unschuldiger Menschen durch das Vorenthalten von Brennstoff für die Heizung ihrer Häuser ein christlicher Wert. Und es gibt zwei Dinge, die sie übersehen. Erstens, dass die vom Kongress verhängten Sanktionen von der Marine durchgesetzt werden müssen, um wirksam zu sein, was dramatisch die Wahrscheinlichkeit steigert, dass es zu einem Zwischenfall kommt, der schnell zu einem Krieg führem könnte, was wohl kaum ein erwünschtes Ergebnis im christlichen Sinn ist. Zweitens stehen die Sanktionen selbst in keinem Verhältnis zu dem Ziel, „das Regime unter Druck zu setzen“, um es zu einer Änderung seiner Politik zu bewegen. Vierzig Prozent des Treibstoffbedarfs des Irans werden importiert, in erster Linie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, da das Land selbst nur über eingeschränkte Raffinieriekapazitäten verfügt. Wären sie erfolgreich, wären die Auswirkungen der Sanktionen auf die Energieversorgung verheerend. Man denke nur einmal nach, was in den Vereinigten Staaten von Amerika passieren würde, wenn 40% des Benzins und Öls vom Markt verschwinden würden. Man denke, wie die Reaktion der amerikanischen Öffentlichkeit ausfallen würde, wenn der Mangel das Resultat der feindlichen Aktion eines fremden Landes wäre. Wenn es beabsichtigt ist, mit den Sanktionen den sogenannten „Reformern“ im Iran zu helfen, wie im Brief der christlichen Anführer behauptet wird, würde ironischerweise gerade das Gegenteil erreicht und die Hardliner bestärkt. Die meisten Beobachter bemerken ganz richtig, dass die Sanktionen zumindest sicher stellen würden, dass keine erfolgreichen Verhandlungen zwischen dem Iran und dem Westen zustande kommen können. Wenn der Iran aggressiv auf das faktische Zudrehen seiner Wirtschaft reagiert, würden die Sanktionen schnell zum Krieg führen.   

Richard Land und seine Freunde sind dafür bekannt, dass sie den Interventionismus der Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen, gegen Wahlen sind, bei denen die falschen Leute gewinnen und mit Gewalt dafür sorgen wollen, dass die Zivilbevölkerung in einem Land in die Armut getrieben wird, das die Vereinigten Staaten von Amerika in keiner Weise bedroht. Amerikas selbsternannte christliche Anführer sind schon wieder zu Wegbereitern geworden, die mit einem Kongress und mit Medien Hand in Hand gehen, die süchtig nach Krieg geworden sind. Der Vorschlag, dass die christliche Mission sich besser darauf beschränken soll, den Armen zu helfen und Seelen zu retten, ohne die zusätzlichen Mühen der Beratung von Politikern auf sich zu nehmen, mag vielleicht ungehobelt erscheinen. Es ist aber wirklich tragisch, wenn Leute, die sich selbst religiöse Anführer nennen, die amerikanische Öffentlichkeit mit einem Friss oder Stirb konfrontieren, wenn es um den Iran geht. Entweder Krieg oder mehr Krieg. Keine beruhigende Botschaft in der Weihnachtszeit, und schon gar nicht das Vermächtnis des Friedensfürsten.  

 
     
  Erschienen am 24. Dezember 2009 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/giraldi/2009/12/23/christians-united-for-war/  
     
  <<< Inhalt