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  Schluss mit dem Nahost-Kabuki!

Eric S. Margolis 

Am 2. September 2001 schrieb ich in einem Zeitungsartikel: „Amerikas strategische und wirtschaftliche Interessen im Nahen Osten und in der muslimischen Welt werden gefährdet durch den Todeskampf in Palästina, der unweigerlich terroristische Attacken gegen Bürger und Besitz der Vereinigten Staaten von Amerika hervorruft.“ Die Attacken vom 9/11 erfolgten neun Tage später.

Präsident Obama hat absolut recht, wenn er versucht, ein Ende des endlosen Leidens der Palästinenser herbeizuführen. Dieses ist ein Affront gegen die Menschheit und untergräbt ernstlich Amerikas Werte, Sicherheit und Ansehen.

In meinem letzten Buch „American Raj – America and the Muslim World“ („Das amerikanische Weltreich – Amerika und die muslimische Welt“) versuchte ich aufzuzeigen, wie der giftige Konflikt um Palästina viel von dem hervorgebracht hat, was wir als „Terrorismus“ bezeichnen, und wie er die Vereinigten Staaten von Amerika in einen immer tiefer gehenden, aber unnötigen Konflikt mit der musimischen Welt hineinzieht.

Für diejenigen, die sich nach einem Ende des sieben Jahrzehnte dauernden jüdisch-palästinensischen Konflikts sehnen, die Sicherheit und Ruhe für Israel und Gerechtigkeit für die Palästinenser sehen wollen, waren die sogenanten „Friedensgespräche“ in der vergangenen Woche in Washington eine schmerzliche Farce.

Präsident Obama berief Israels Premierminister Benjamin Netanyahu ein, um sich in Washington mit Mahmoud Abbas, dem Leiter der Palästinensischen Verwaltung, Ägyptens starkem Mann Hosni Mubarak und dem jordanischen König Abdullah zusammen zu setzen. 

Das Ergebnis war eine Neuauflage des matten, abgestandenen politischen Nahost-Kabuki, das sich schon durch das letzte Jahrzehnt gezogen hat: Plattitüden über Frieden, freundliche Händedrucke, und Gespräche über Gespräche über Gespräche.

Alle Beteiligten wussten, dass das ein politisches Theater war, um die amerikanischen Wähler dazu zu bringen zu glauben, dass Fortschritte im ewigen Nahost-Schlamassel gemacht würden. 

Diese vorgetäuschten Friedensgespräche sollten auch der verärgerten arabischen Welt die Botschaft vermitteln, dass die Vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich auf einen fairen Frieden in Palästina drängten, und den Israelis zeigen, dass ihr Anführer Premier Netanyahu, noch vor kurzem in Ungnade bei Obama, weil er Vizepräsident Joe Biden auf dessen Israelbesuch gedemütigt hatte, wieder gerne in Washington gesehen ist, gerade rechtzeitig vor den Wahlen im November.

Kaum jemand in der arabischen oder muslimischen Welt nahm dieses Affentheater ernst. Die einzigen, die nicht wirklich zu verstehen scheinen, was los ist, sind die schlecht informierten Nordamerikaner.

Amerikas Medien berichteten pflichtgemäß über die Gespräche in Washington mit der gleichen keine Fragen stellenden Feierlichkeit und Ehrerbietung, mit der die alten sowjetischen Medien über Kongresse der kommunistischen Partei zu berichten pflegten.

In diesem Spiel hält Israel alle Trümpfe. Die herrschende rechtsgerichtete Likud-Koalition bleibt dabei, dass sie nie die Bildung eines Palästinenserstaates dulden wird, was der Schlüssel zur Lösung dieses Konflikts wäre. Nie. Likud sagt, man könne höchstens eine sich selbst verwaltende arabische Einheit akzeptieren – kurz gesagt ein „Bantustan“ nach dem Muster des südafrikanischen Apartheidsstaates.

Um die Angelegenheit noch trostloser zu machen, erklärte Rabbi Ovadia Yosef, Führer von Netanyahus größerem Partner in der Koalition, der ultraorthodoxen Shas-Partei, mit lockerer Zunge, Gott möge den glücklosen Mahmoud Abbas totschlagen. Palästinensische Kämpfer töteten vier israelische Siedler in der West Bank.

Wie der brillante israelische Schriftsteller Uri Avnery ausführt, weigert sich der Likud sogar, Israels endgültige Grenzen zu definieren. Laut Avnery gibt es im Likud und bei dessen stramm rechtsgerichteten Koalitionspartnern einen expansionistischen Drang, der sogar auf einen größeren jüdischen Staat gerichtet ist.

Wie auch immer, Netanyahus herrschender Likud hält alle Trümpfe in diesem Spiel. Israels Strategie ist einfach: weiterhin über Friedensgespräche reden und ab und zu kosmetische Zugeständnisse machen, um Washington zu beschwichtigen, während die Kolonisierung der West Bank und der fast vergessenen Golanhöhen mit Volldampf betrieben wird.

Zutreffend bemerkte ein palästinensischer Diplomat: „Wir verhandeln mit Israel darüber, wie eine Pizza aufgeteilt werden soll, während Israel bereit geschäftig dabei ist, diese zu essen.“

Es befinden sich jetzt 500.000 jüdische und nichtjüdische russische Siedler in der West Bank in 121 Siedlungen, die untereinander mit speziellen Sicherheitsstraßen verbunden sind, zu denen Araber keinen Zugang haben. Viel vom besten Ackerland und Grundwasser der West Bank hat Israel sich angeeignet. Das jüdische Jerusalem weitet sich ständig aus in die West Bank durch große, befestigte Wohngebäude, während die Araber in Ostjerusalem immer mehr verdrängt werden, nicht selten mit Hilfe von Spendengeldern amerikanischer zionistischer Gruppen, die diese von der Steuer abziehen können.

Israelische Kontrollstellen und Sicherheitskontrollen sind zum Teil so gestaltet, dass sie das Leben für Palästinenser dermaßen miserabel machen, dass diese auswandern wollen. Israels wachsende Trennungsmauern versperren den Weg zu immer mehr Land.

Heute erscheint die Schaffung eines lebensfähigen zusammenhängenden palästinensischen Staates kaum möglich – und unmöglich morgen. Stattdessen entwickelt sich die West Bank zu einem Flickwerk von gewalttätigen Bantustans, die zur Gänze abhängig sind von Israel und eingekreist von dessen Sicherheitskräften. Die meisten Israelis sind davon angetan, weil sie nicht mehr unter so vielen Bomben und Angriffen zu leiden haben wie früher. Die Palästinenser und die muslimische Welt hingegen sind wütend.

Die „Verhandlungen” zwischen vier amerikanischen Handlangerstaaten – Israel, Ägypten, Jordanien und Palästinenserbehörde – zu beobachten, die alle mit Milliardenbeträgen von den Vereinigten Staaten von Amerika finanziert werden, geht über den ätzendsten Nahost-Zynismus hinaus. Ägypten und Jordanien, beide enge Verbündete Israels, haben zusammen gearbeitet bei der Unterdrückung der palästinensischen Hamas-Bewegung. Beide wollen keinen Palästinenserstaat sehen.

Hamas, festgenagelt im riesigen Freiluftgefängnis Gaza, war nicht nach Washington eingeladen worden. Hamas weist Friedensgespräche zurück und weigert sich, Israel anzuerkennen, solange Israel nicht die Ansprüche von fünf Millionen entwurzelten, staatenlosen Palästinensern anerkennt.

Hamas ist aber auch die legitime Stimme der Palästinenser, nachdem sie in ordentlichen demokratischen Wahlen 2006 gewählt worden war, den einzigen ehrlichen Wahlen im arabischen Raum seit den Wahlen 1991 in Algerien, die dann vom Militär zuschande gemacht wurden, mit Unterstützung Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wie extrem auch immer, ist die Hamas doch frei von der endemischen Korruption, die Mahmoud Abbas' Palästinenserbehörde durchseucht, welche die meisten Araber als einen Haufen israelischer und amerikanischer Handlanger und Jasager betrachten. Die Palästinenserbehörde spricht gewiss nicht für die Mehrheit der Palästinenser.

Die Hälfte der Israelis will noch immer ein Land-für-Frieden-Abkommen mit den Palästinensern. Leider ist vom israelischen Friedenslager nichts mehr zu hören und wird dieses nicht aus den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt.

Die amerikanische Debatte über das Heilige Land wird fast zur Gänze kontrolliert von AIPAC (American Israel Public Affairs Committee – Amerikanisch-Israelisches Komitee für Öffentlichkeitsarbeit, stärkste israelische Lobbygruppe), welches praktisch ein Arm der Likud-Partei ist. Schon im Präsidentschaftswahlkampf versprach Kandidat Obama in der Tat AIPAC, Israel niemals zu einem Friedensabkommen zu zwingen, das dieses nicht will - ein Versprechen, das er hält. 

Kein Druck aus Washington auf Israel, Land für Frieden zu geben, heißt jedoch, dass es keinen wirklichen Frieden geben wird, ganz egal, welche freundlichen Papiere Abbas unterschreibt. Kein wirklicher Frieden heißt mehr Probleme für die Vereinigten Staaten von Amerika im Umgang mit der muslimischen Welt. Und wahrscheinlich bedeutet das mehr 9/11´s. 

 
     
  erschienen am 5. September 2010 auf > HUFFINGTON POST > Artikel und > ericmargolis.com > Artikel  
     
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