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  Mission Kriechgang in AfPak

Eric S. Margolis 

Der Schwerpunkt des Krieges gegen Afghanistan bewegt sich deutlich Richtung Süden nach Pakistan und bringt dieses Land und die Vereinigten Staaten von Amerika einer direkten Konfrontation immer näher. Diese düstere Entwicklung war so vorhersehbar wie unvermeidbar. 

In der Tat warnte dieser Autor seit Jahren, dass die Bemühungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO, den Widerstand der wilden paschtunischen Stämme gegen die westliche Okkupation zu brechen, letztendlich dazu führen würden, den Konflikt in das benachbarte Pakistan zu tragen, ein Land mit 175 Millionen Einwohnern. 

In der vergangenen Woche schloss Pakistan vorübergehend die wichtigste Nachschubroute der Vereinigten Staaten von Amerika/NATO von Karachi zur afghanischen Grenze bei Torkham, nachdem drei pakistanische Soldaten von Kampfhubschraubern der Vereinigten Staaten von Amerika getötet worden waren. Zwei Nachschubkonvois der Vereinigten Staaten von Amerika/NATO mit Treibstoff wurden von antiamerikanischen Kämpfern verbrannt.

80 Prozent des Nachschubs der von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführten Kräfte in Afghanistan werden auf dieser langen, schwierigen Strecke transportiert. Auf diesem Weg zahlen die Vereinigten Staaten von Amerika große Bestechungssummen an pakistanische Beamte, lokale Warlords, und an die Taliban. Die Kosten für die Lieferung einer Gallone Treibstoff an Einheiten der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan ist auf $ 800 gestiegen.

Kampfhubschrauber der Vereinigten Staaten von Amerika haben allein in der vergangenen Woche mindestens vier Angriffe gegen Pakistan unternommen, zusätzlich zu der steigenden Zahl von Angriffen mit Drohnen der CIA, die der zivilen Bevölkerung und den kämpfenden Stammmesleuten schwere Verluste zufügen. Auch die Einsätze von Spezial-Einsatzkommandos der Vereinigten Staaten von Amerika und von afghanischen Söldnern unter dem Kommando der CIA entlang der Nordwestgrenze Pakistans nehmen zu.

Die schwache Regierung Pakistans hat ihre Augen schon lange vor den Drohnenangriffen der CIA verschlossen. Washington fragt nicht einmal um Erlaubnis für die Attacken oder kündigt sie vorher an. Die pakistanischen Zivilisten tragen die Hauptlast dieser Attacken.

Die versagende Regierung in Islamabad ist zwischen zwei Feuern gefangen. Die Pakistaner sind aufgebracht und gedemütigt durch die amerikanischen Ayttacken. Jede neue Attacke untergräbt die unfähige von den Vereinigten Staaten von Amerika installierte Regierung Zardari. Sogar Innenminister Rehman Malik, der starke Mann in der Regierung, protestierte letzte Woche gegen die Attacken der Vereinigten Staaten von Amerika.

Aber Pakistan befindet sich nach den verheerenden Überschwemmungen am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Islamabad ist jetzt total abhängig von den $ 2 Milliarden Hilfsgeldern der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr, plus weiteren -zig Millionen an „schwarzen“ Zahlungen seitens der CIA. Washington hat an Islamabad seit 2001 $ 10 Milliarden bezahlt, wovon das meiste für die Finanzierung von 140.000 pakistanischen Soldaten draufgeht, damit diese für den Krieg gegen Afghanistan unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung stehen. 

Wie Osama bin Laden gerade in einer neuen Tonbandaufnahme ausführte, haben die muslimischen Staaten dabei versagt, Pakistan zu Hilfe zu kommen. Die Schuld an den massiven Überschwemmungen in Pakistan gab er der globalen Erwärmung.

Ein einflussreicher ehemaliger pakistanischer Generalstabschef, General Mirza Aslam Beg forderte gerade, die pakistanische Luftwaffe solle Drohnen und Helikopter der Vereinigten Staaten von Amerika abschießen, die die Souveränität seines Landes verletzen. Seine Gefühle finden breite Zustimmung im zunehmend verärgerten pakistanischen Militär.

Die führenden Generäle Pakistans werden von einigen Medien als „amerikanische Handlanger“ verdammt und verlieren den Respekt unter den Pakistanern. Ein in dieser Woche gezeigtes Video über die Hinrichtung von sechs Zivilisten durch Armeesoldaten hat den guten Ruf der Armee weiter geschädigt.

Die Sichtweise Washingtons weicht allerdings sehr davon ab. Pakistan wird immer mehr als unwillig hingestellt, als undankbar für die milliardenschwere Hilfe, und als potentieller Feind der regionalen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Viele Amerikaner betrachten Pakistan eher als Gegner denn als Verbündeten. Die beschränkten Hilfsmaßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika als Reaktion auf die pakistanische Flutkatastrophe wiesen darauf hin, dass dieses Land in Nordamerika einen schlechten Ruf hat.

In Washington wächst die Angst, dass der neun Jahre dauernde Krieg gegen Afghanistan verloren sein könnte. Die amerikanische öffentliche Meinung hat sich gegen die Krieg gewendet. Das Pentagon befürchtet, dass ein Scheitern in Afghanistan das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika demütigen und Amerikas internationale Macht untergraben wird. Kurz gesagt, wie es der Sowjetunion in Afghanistan ergangen ist.

Das amerikanische außenpolitische Establishment lässt seinen Ärger und Frustration über das Versagen im Afghanistankrieg aus, indem es gegen Pakistan und das von den Vereinigten Staaten von Amerika installierte Karzai-Regime in Kabul ausschlägt.

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari wird in Washington als hoffnungslos und inkompetent betrachtet. Die volle Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten von Amerika liegt jetzt auf Pakistans Armee, der de facto-Regierung, und ihrem respektierten, aber umstrittenen Oberbefehlshaber General Ashfaq Kayani, dessen Amtszeit gerade unter dem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika verlängert worden ist. Kayani wird von Washington noch immer als „Aktivposten“ betrachtet. Wie Zardari ist er allerdings gefangen zwischen amerikanischen Forderungen und aufgebrachten Pakistanern – zusätzlich zu den Bedenken betreffend die Bedrohung durch Indien und Delhis Machenschaften in Afghanistan. Der kürzliche Ausbruch von Gewalt im indisch beherrschten Kaschmir hat diese gefährlichen Spannungen verstärkt.

Die neokonservative Rechte in Washington und ihre Verbündeten in den Medien behaupten wieder, dass Pakistan eine schwerwiegende Bedrohung für die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika und für Israel darstellt. Pakistan muss entschärft und auseinandergerissen werden, fordern die Neocons. Laut Berichten ist Pakistans nukleares Arsenal schon bestimmt für die Aufbringung oder Vernichtung durch Spezialkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika.

In Washington wird auch darüber gesprochen, Afghanistan in paschtunische, tadschikische und usbekische Ministaaten aufzuteilen, wie es die Vereinigten Staaten von Amerika im Irak gemacht haben, und vielleicht auch in Pakistan machen wollen. Kleine Staaten sind leichter zu beherrschen und einzuschüchtern als große. Viele Pakistaner glauben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika darauf aus sind, ihr Land aufzuteilen. Einige Umfragen zeigen, dass die Pakistaner jetzt die Vereinigten Staaten von Amerika als größeren Feind betrachten als Indien.

Jetzt, wo Amerika voll im Wahlkampfrausch der Halbzeitwahlen steckt, sind weitere Rufe nach härteren militärischen Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika in „AfPak“ zu erwarten. Bereits unpopuläre Politiker haben Angst davor, als „weich gegen den Terrorismus“ gebrandmarkt zu werden und die militärischen Kampagnen der Vereinigten Staaten von Amerika nicht maximal zu unterstützen. Fahnenschwenken ersetzt nüchternes Denken.

Wenn die Umfragen recht bekommen und die Republikaner einen größeren Sieg erringen, ist es wahrscheinlich, dass mehr und tiefer gehende Angriffe der Vereinigten Staaten von Amerika zu Land und in der Luft gegen das Landesinnere Pakistans durchgeführt werden. Das Pentagon ist überzeugt, dass es noch immer den Widerstand der Taliban und von deren Verbündeten brechen kann, „wenn wir nur gegen ihre Schutzzonen in Pakistan vorgehen können,“ wie mir ein General sagte.

Wo haben wir das schon gehört? Warum waren wir in Kambodscha und Laos während des Vietnamkrieges? Die frustrierten Vereinigten Staaten von Amerika dehnten den Krieg nach Kamboscha und Laos aus, um gegen kommunistische Basislager vorzugehen. Der Krieg breitete sich aus; diese beiden kleinen Länder wurden weitgehend zerstört, aber der Krieg wurde letztendlich verloren.

Der Sieg im Krieg wird errungen durch die Konzentration der Kräfte, nicht dadurch, das man sie ausdünnt und immer weiter zerstreut.

 
     
  erschienen am 3. Oktober 2010 auf > ericmargolis.com > Artikel  
     
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