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  Rabbinischer und sonstiger Rassismus   

Ran HaCohen

Im Rahmen der israelischen Orgie des Rassismus und Faschismus seit der Bildung der weit rechts stehenden Koalition unter Premierminister Benjamin Netanyahu vor fast zwei Jahren haben Dutzende israelischer rassistischer Rabbiner ein Edikt unterzeichnet, das Juden „im Land Israel“ den Verkauf oder die Verpachtung von Grundbesitz an Nicht-Juden (sprich israelische Palästinenser oder Araber) verbietet. Die rassistischen Rabbiner belegen ihre Entscheidung hauptsächlich mit dem prominenten mittelalterlichen jüdischen Gelehrten Maimonides (1135-1204), der den Verkauf von Häusern und Feldern im Land Israel an „Götzendiener“ verbietet (Mishne Torah, Hilkhot avodat kokhavim 10).

Hat Maimonides, der in einer toleranten muslimischen Welt lebte und prosperierte, Moslems als Götzendiener betrachtet? Im Gegenteil. In einer seiner Arbeiten stellt er fest: „die Ishmaeliten [=Moslems] sind ganz und gar keine Götzendiener.“ Wie fast alles im jüdischen Gesetz sind die Dinge in der Folge verhandelbar: Maimonides’ Autorität ist verhandelbar, seine Interpretation des Gesetzes ist verhandelbar, und seine eigene Bedeutung ist ebenfalls verhandelbar. Die rassistischen Rabbiner widerspiegeln allerdings eher ihren eigenen Rassismus als einen unbestreitbaren inhärenten jüdischen Rassismus.

Die Schuld der Orthodoxen

Es war der zionistische orthodoxe Intellektuelle Yeshayahu Leibowitz (1903-1994), der das rabbinische Establishment drängte, sich nicht nur vom Staat zu emanzipieren (die rassistischen Rabbiner sind alle Staatsangestellte!), sondern auch eine fundamentale Reform durchzuführen, um die jüdische Lehre an die beispiellose Realität eines modernen jüdischen Staates anzupassen. Das rabbinische Establishment ignorierte Leibowitz’ Forderung. Die derzeitige jüdische Orthodoxie ist daher in ein ganzes Netzwerk von lächerlichen Ungereimtheiten und Widersprüchen verstrickt, das darauf zurückzuführen ist, dass die Halakhah, das jüdische Gesetz, im Exil konzipiert und entwickelt wurde zu einer Zeit, als jüdische nationale Unabhängigkeit – und erst recht ein moderner Staat – bestenfalls eine messianische Wunschvorstellung war.

Die jüdische Orthodoxie hat es nicht geschafft, mit der Tatsache zurecht zu kommen, dass die Juden in Israel nicht mehr eine Minderheit sind, sondern die souveräne Mehrheit bilden. Viele der rassistischen Facetten des Judentums können auf diese nicht beachtete Verlagerung der Verhältnisse zurückgeführt werden. Eine Mehrheit in einem modernen Staat hat ganz andere moralische Rechte und Verpflichtungen als eine kleine Religionsgemeinschaft im Exil.

Der führende ultraorthodoxe israelische Rabbi Yosef Shalom Elyashiv machte sich lustig über die zionistischen rassistischen Rabbiner, indem er darauf hinwies, dass gerade sie diejenigen sind, die die umstrittene Umgehung des biblischen Gebotes verteidigen, dem Land ein Sabbatjahr zu geben und es somit jedes siebte Jahr nicht zu kultivieren. Die umstrittene Umgehung dieses biblischen Gebotes besteht in dem Verkauf des Landes an Nichtjuden für die Dauer des siebten Jahres – in eindeutigem Widerspruch zu dem rassistischen Edikt, das jeden solchen Verkauf prinzipiell untersagt. Die rassistischen Rabbiner sind nicht nur Rassisten – sie sind auch Heuchler; ihr politisches Bekenntnis zu chauvinistischem Rassismus sitzt tiefer als ihre religiöse Integrität. 

Wenn die rassistischen Rabbiner darauf bestehen, Araber in Israel als „Götzendiener“ zu behandeln, warum erinnern sie uns nicht an die weiteren Worte Maimonides’? In dem gleichen Kapitel verbietet Maimonides, aktiv zur Rettung des Lebens eines Götzendieners beizutragen: wenn ein Götzendiener ertrinkt, sollte ein Jude ihn nicht herausziehen; wenn ein Götzendiener stirbt, sollte ein Jude nicht sein Leben retten; und ein jüdischer Arzt sollte keinen götzendienerischen Patienten heilen, außer wenn er dazu gezwungen wird.

Andererseits hält Maimonides im selben Kapitel fest, dass alle diese Bestimmungen nur anzuwenden sind, wenn sich Juden im Exil befinden oder wenn die Götzendiener in der Übermacht sind. Was, wenn die Juden in der Übermacht sind? Dann muss das biblische Gebot (Deuteronomium 7) zur Gänze befolgt werden: „Wenn aber Israel die Macht über diese hat, ist es uns verboten, einen Götzendiener unter uns zu dulden. Nicht einmal einem zeitweiligen Bewohner oder einem Händler, der von Ort zu Ort reist, sollte gestattet werden, durch unser Land zu ziehen“ – es sei denn, er akzeptiert die Sieben Gesetze Noahs, wodurch er zum ansässigen Fremden wird, als welcher er nahezu die gleichen Rechte besitzt wie ein Jude. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die Moslems die Sieben Gesetze Noahs anerkennen, und deshalb ...

Die rassistischen Rabbiner verschweigen alle diese Überlegungen. Sie verschweigen, dass die  rassistischen Regelungen umstritten sind, da sie selbst unerbittliche Rassisten sind. Sie verschweigen auch die schlimmsten rassistischen Regelungen, da sie befürchten, dass viele ihrer Anhänger nicht so weit gehen würden. Zumindest noch nicht. Zumindest noch nicht in der Öffentlichkeit.

Und sie kennen ihre Anhänger. Ihre Forderung, Eigentum an Araber weder zu verpachten noch zu verkaufen, wird von 55% der israelischen Juden unterstützt, wenn man einer vor kurzem durchgeführten Erhebung von YNet glauben kann, darunter von einer großen Minderheit von 41% der nichtreligiösen Juden und von 88% der orthodoxen und ultraorthodoxen Juden. Ich fordere die Alan Derschowitze dieser Erde auf, ein anderes Land zu finden, im Westen oder sonst wo, in dem eine Mehrheit dagegen ist, dass man Land an Mitbürger verkauft, die einer ethnischen Minderheit angehören. 

Die Schuld der säkularisierten Zionisten

Der lautstärkste unter den rassistischen Rabbinern ist Shmuel Eliyahu aus Safed. Es ist kein Zufall, dass gerade in seiner Heimatstadt arabische Studenten schikaniert und eingeschüchtert werden, deren Eigentum mutwillig beschädigt wird, und sogar Juden, die Wohnungen an sie vermieten, terrorisiert werden.

In einer Kolumne besudelt der rassistische Rabbi nahezu alle: die „Linken,“ die „Umweltschützer,“ die „Araber,“ das Gericht, den Staat – sie alle verschwören sich gegen das wahre Wort Gottes, auf das er und seine Anhänger den alleinigen Anspruch erheben.

Eines der Ziele der rassistischen Rabbiner verdient jedoch besondere Aufmerksamkeit: Eliyahu sagt, dass nichts Illegales am Verkaufsverbot von Land an Araber ist, da der Jewish National Fund (JNF - Jüdischer Nationalfonds) das schon seit Jahrzehnten betreibt, und zwar mit staatlicher Genehmigung. 

Hier trifft der rassistische Rabbi den Nagel auf den Kopf. In der Tat besitzt der JNF 13% der israelischen Grundparzellen und gibt diese ausdrücklich nur an Juden weiter. Der Fonds wurde lange vor dem Staat Israel gegründet und sammelte Geld, um Grundstücke für jüdische Siedlungen in Palästina zu kaufen. Er spielt eine bedeutende Rolle bei der Schaffung zionistischen Bewusstseins auf der ganzen Welt: in früheren Jahrzehnten fehlte in keinem zionistischen Klassenzimmer der gesamten jüdischen Welt seine berühmte Blaue Schachtel für Spenden. Diese kolonialistische Einrichtung wurde weiter am Leben erhalten, sogar nach der Gründung des Staates Israel. Denn auch ein souveräner Staat hat ganz andere moralische Rechte und Verpflichtungen als eine kolonialistische Bewegung vor dessen Errichtung. Israel allerdings hält den Stock an beiden Enden.

Die diskriminierende Politik des JNF wird seit Jahrzehnten betrieben und wird derzeit von Israels Höchstgericht überprüft. Gerade im letzten Jahr wickelte jedoch Israel einen massiven Landtausch mit dem JNF ab, in dem der JNF dem Staat Ländereien im besiedelten Zentrum Israels übergab und im Gegenzug dafür hauptsächlich unbewohnte Gebiete im Norden und Süden bekam – und kann auf diese Weise Araber daran hindern, diese zu besiedeln. Der Staat Israel benutzt den JNF als Unterkontrahent, um den Gleichheitsgrundsatz zu umgehen und Nichtjuden in ihrem Zugang zu freiem Grundbesitz zu diskriminieren – oder, immer öfter, in dem Zugang zu Grundstücken, die bereits von Nichtjuden bewohnt werden, die der Staat vertreiben will.

Der JNF ist der bedeutendste Enteigner der Beduinen in Israels südlichen Regionen: er pflanzt Bäume auf tausenden Morgen Land, in dem sich Beduinendörfer befinden, um das Gebiet von nichtjüdischen Bewohnern ethnisch zu säubern. Der JNF steckt auch hinter der Zerstörung von al-Arakib, einem Beduinendorf, das in den letzten Monaten mindestens sieben Mal von Bulldozern des JNF niedergerissen worden ist.

Wenn Staatspräsident Shimon Peres und andere zionistische Politiker die rassistischen Rabbiner verurteilen, sollte ihre Missbilligung nicht zu ernst genommen werden. Es war schon immer Politik Israels – links- wie rechtsgerichteter Regierungen gleichermaßen – an Araber kein Land zu verkaufen oder zu verpachten, als begleitende Maßnahme zu der massiven Beschlagnahmung von arabischem Grundbesitz. Das orthodoxe Judentum hat versäumt, sich an den Mehrheitsstatus der Juden anzupassen; der Zionismus hingegen hat sich geweigert, mit seinen alten kolonialistischen Wurzeln zurechtzukommen, selbst innerhalb des „kleineren Israel“ (von den okkupierten Territorien gar nicht zu sprechen). Die rassistischen Rabbiner sind vielleicht weniger eloquent als, sagen wir, Shimon Peres, aber beide, Peres wie die Rabbiner sind voll und ganz Bestandteile einer viel tiefer gehenden israelischen Geisteshaltung der ethnischen Diskriminierung. In der Tat ist die Zahl der Opfer von Israels unerbittlicher Politik der Diskriminierung um ein Vielfaches größer als die dieses schändlichen rabbinischen Edikts.  

 
     
  Erschienen am 20. Dezember 2010 auf > http://www.antiwar.com > Artikel  
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