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  Warum Afghanen gegen ihre amerikanischen “Alliierten” losgehen

Eric S. Margolis 

 

„O Gott Schiva, beschütze uns vor dem Biss der Kobra, vor der Pranke des Tigers und vor der Rache der Afghanen.” (altes Hindu-Gebet)

New York – Schock, Unverständnis, Empörung. Diese Emotionen steigen in den Amerikanern hoch, während weitere Nachrichten von mehr Attacken von afghanischen Soldaten und Beamten gegen Soldaten der NATO und der Vereinigten Staaten von Amerika hereinkommen. Sechs Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika wurden in der vergangenen Woche getötet im Zuge von Protesten in ganz Afghanistan nach der Verbrennung von Koranexemplaren durch unglaublich dämliche amerikanische Soldaten.

„Sollten das nicht unsere Verbündeten sein? Wir sind doch dort, um sie zu retten! Was für eine schändliche Undankbarkeit ist das,“ fragen verärgerte, verwirrte Amerikaner.

Verärgerte Briten stellten die gleichen Fragen 1857, als „Sepoys,” erst einzelne Söldnersoldaten der britischen Imperial Indian Army, dann ganze Einheiten rebellierten und begannen, britische Militärbesatzungen und deren Familien anzugreifen. Die britische Geschichte bezeichnet das als die „indische Meuterei.“ Die Inder nennen es die „Große Rebellion,“ die Indiens erste Bestrebungen nach Freiheit vom britischen Raj und den indischen Vasallenprinzen kennzeichnet, die diesem so brav gedient hatten.

Die Briten waren empört über die „Treuelosigkeit” und den „Verrat“ ihrer indischen Sepoys, von denen angenommen worden war, sie wären völlig loyal, da sie für des Königs Schilling kämpften. Das Viktorianische Britannien rotierte aufgrund der Berichte von furchtbaren Massakern an Briten in Orten wie Lucknow, Cawnpore, Delhi und Kalkuttas berüchtigtem „Schwarzen Loch.“

Karl Marx beobachtete die grausigen Vorgänge in Indien und stellte fest, dass die westlichen Demokratien in ihren Kolonien nicht mehr so handeln, wie sie predigen. Die britischen Kräfte in Indien schlugen, unterstützt von loyalen einheimischen Einheiten, erbarmungslos die indischen Rebellen nieder. Rebellenführer wurden vor die Mündung von Kanonen gebunden und in Stücke zerfetzt oder massenhaft aufgehängt.

Das heutige Afghanistan erinnert an das imperiale Indien. Die Kräfte der von den Vereinigten Staaten von Amerika in Kabul installierten Regierung, etwa 310.000 Mann stark, setzen sich zusammen aus Tadschiken und Uzbeken aus dem Norden, einigen schiitischen Hazaras und einem Mischmasch aus schurkischen Paschtunen und Söldnergruppen. Ethnische Tadschiken und Uzbeken dienten den Sowjets, als diese Afghanistan besetzten, wie auch der afghanischen kommunistischen Marionettenpartei. Heute wie damals bilden Tadschiken und Uzbeken den Kernbereich der bewaffneten Kräfte und der Geheimpolizei der Regierung. Sie sind bis aufs Blut verfeindet mit der paschtunischen Mehrheit, die die Reihen der Taliban und deren Verbündeten in Afghanistan und dem benachbarten Pakistan füllt. 

Aber die Hälfte der afghanischen bewaffneten Kräfte dient nur, um zu einem Einkommen für ihre Familien zu kommen. Die afghanische Wirtschaft unter der Herrschaft der NATO ist jetzt so unter dem Hund, dass sogar in Kabul Tausende hungern oder erfrieren. Die Hälfte der Afghanen hat keinen Arbeitsplatz und muss Arbeit bei der von den Vereinigten Staaten von Amerika finanzierten Regierung suchen.

Aber loyal sind sie nicht. Als ich über den Jihad der 1980er Jahre gegen die sowjetische Okkupation berichtete, sah ich überall, dass Soldaten und Funktionäre, die angeblich loyal waren gegenüber der kommunistischen Najibullah-Regierung in Kabul, ständig in Verbindung standen mit den antisowjetischen Mujahedin und alle Truppenbewegungen der Sowjets und der Regierung im Vorhinein bekannt gaben. Das Gleiche spielt sich heute in Afghanistan ab. Die Taliban sind informiert über die meisten Truppeneinsätze der NATO, schon ehe diese ihre befestigten Stützpunkte verlassen. Unter Afghanen betreffen die stärksten Bindungen die Familie, den Clan und den Stamm. Sie haben Vorrang gegenüber jeder Politik und Ideologie. 

Die Afghanen sind ein stolzes reizbares Volk, das, wie ich oft sah, Beleidigungen nur zu ernst nahm. Die Paschtunen sind dafür berüchtigt, dass sie nie eine Beleidigung vergessen, sei sie real oder eingebildet, und den richtigen Zeitpunkt abwarten, um zurückzuschlagen. Genau das ist es, was in Afghanistan passiert ist, wo arrogante, kulturell ignorante „Berater“ der Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO – die in Wirklichkeit moderne Varianten des „weiße Offiziere, die eingeborene Soldaten führen“ des britischen Rajs sind – die die leicht erregbaren Afghanen beleidigen und empören. Diejenigen, die meinen, dass 20-jährige amerikanische Soldaten aus den Hillbilly Ozarks die Herzen und Hirne von paschtunischen Stammesleuten gewinnen können, sind Dummköpfe.  

Stolze paschtunische Afghanen haben ein Limit dessen, was sie von ungeliebten, oft verachteten fremden „ungläubigen“ Beratern aushalten, ehe sie explodieren und auf Rache aus sind. Das war auch in der sowjetischen Ära nicht anders. Allerdings hatten einige sowjetische Offiziere ausgeprägtere kulturelle Sensibilitäten im Umgang mit Afghanen. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Afghanistan werden nicht blühen, wenn amerikanische Soldaten die Afghanen als „sand niggers“ und „towel heads“ („Handtuchköpfe“) bezeichnen. Viele der Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika kommen aus dem tiefen Süden. Sie sind zugemüllt mit virulenter antimuslimischer findamentalistisch christlicher Propaganda, die den Islam als „Religion des Teufels“ bezeichnet. 

Viele Afghanen haben einfach die Nase voll von ihren fremden Besatzern. Die Amerikaner haben ihren Krieg gegen Afghanistan verloren. Die imperialen Briten sagten schon: du kannst Afghanen nur für eine bestimmte Zeit mieten. Eines Tages werden sie sich wenden und dir die Kehle durchschneiden.

     
  erschienen am 2. März 2012 auf > www.ericmargolis.com > Artikel auf HUFFINGTON POST  
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