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Falsche Fragestellung bei der Bombardierung des Iran

Dr. T.X. Hammes

 

Die laufende Debatte darüber, ob man den Iran bombardieren soll oder nicht, geht von der falschen Fragestellung aus. Die Befürworter erklären, dass wir den Iran bombardieren müssen, um ihn von der Entwicklung einer Atomwaffe abzuhalten. Gleichzeitig geben sie oft zu, dass sogar eine effektive Bombenkampagne das Programm nur um ein paar Jahre verzögern wird. In Wirklichkeit ist die Fragestellung also nicht, entweder den Iran zu bombardieren oder es mit einem Iran mit atomaren Waffen zu tun zu haben. Die wirkliche Fragestellung lautet, ob man es mit einem Iran mit Atomwaffen zu tun hat oder mit einem Iran mit Atomwaffen, nachdem man ihn bombardiert hat. 

Konfrontiert mit der wirklichen Fragestellung haben einige Befürworter erklärt, wir könnten dem Iran weiterhin Atomwaffen verwehren, indem wir ihn immer wieder bombardieren. Dieser Ansatz birgt zwei Probleme. Erstens müssen Kampagnen mit „Präzisionsbomben“ erst einmal schaffen, den vor dem Konflikt abgegebenen Prognosen der Befürworter über ihre Wirksamkeit zu entsprechen. Jede Kampagne wird länger dauern und weniger wirkungsvoll sein als derzeit vorhergesagt wird. Zweitens, was viel wichtiger ist, werden die Iraner von jeder Bombenkampagne lernen und eine nächste schwieriger oder gar unmöglich machen. Wiederholte Bombenkampagnen mit dem Ziel, die Entwicklung der Bombe zu verhindern, entsprechen viel mehr dem „Rasenmäher“-Ansatz bei der Widerstandsbekämpfung. Sie führen zu kurzfristigen taktischen Ergebnissen, aber verschlechtern die strategische Situation. 

Ungeachtet der zugegebenen Unzulänglichkeiten einer Bombenkampagne hat Premierminister Benjamin Netanyahu wiederholt erklärt, dass es notwendig sein könnte, zu verhindern, dass das iranische Programm in eine „Zone der Immunität“ gelangt, indem es so tief unter die Erde verlegt wird, dass weder israelische noch Waffen der Vereinigten Staaten von Amerika in der Lage sein werden, es zu zerstören. Daher müssen wir jetzt bombardieren. Netanyahu erklärt allerdings nie, wie wir die Iraner davon abhalten werden, ihr Programm in einer „Zone der Immunität“ neu aufzubauen, nachdem sie bombardiert worden sind.

Das einzige positive strategische Ergebnis, das Befürworter des Bombardierens angedeutet haben, ist, dass das die Iraner dazu bringen könnte, ihre Regierung zu stürzen. Dummerweise zeigt der Blick in die Geschichte, dass ein Angriff von Außenstehenden ein Volk geschlossen dazu bringt, seine Regierung zu unterstützen. Die Hoffnung auf eine Revolution ist eine sehr schwache Grundlage, um eine strategische Entscheidung darauf aufzubauen – besonders eine, die so mit unvorhersehbaren Ergebnissen befrachtet ist wie der Beginn eines Krieges.

Ein weiteres Problem mit der Bombardierung des Iran ist die schwache Analyse der möglichen iranischen Reaktionen. In den letzten 150 Jahren sind die Befürworter des Beginnens von Kriegen – die Konföderierten, die Deutschen im Ersten und Zweiten Weltkrieg, die Franzosen in Indochina, die Vereinigten Staaten von Amerika in Vietnam, Irak und Afghanisten – davon ausgegangen, der Krieg werde kurz sein. In jedem Fall lagen sie katastrophal daneben. Während es einige Diskussionen gab, der Iran könnte die Straße von Hormuz sperren, gab es keine Erörterung anderer iranischer Maßnahmen – Verminung von Häfen (indem er Handelsschiffe benützt), größere Angriffe auf Engpässe der Erdölproduktion weltweit oder größere Terrorangriffe unter Ausnutzung der Explosivkraft, die in vielen industriellen Vorgängen steckt. Kurz gesagt, die Bombardierungsbefürworter gehen davon aus, dass der Iran ein im Wesentlichen kraftloser Gegner sein und nichts unternehmen wird, um den Konflikt geografisch oder zeitmäßig auszuweiten.

Der Iran stellt ein klassisches „wicked problem” (etwa: „verflixtes Problem“) dar. Jede „Lösung“ führt zu einer Reihe von neuen Problemen. Da er keine Lösung bei der Hand hat, hat der Stratege die Aufgabe durchzudenken, wie man mit einem solchen Problem umgehen soll. Bombardieren kann den Erwerb der Atomwaffen verzögern, verschlimmert aber mit Sicherheit das Problem, wie man mit dem Iran umgeht, wenn er sich erholt und es schafft, eine Bombe zu bauen. Es gibt keine sichere Methode, das iranische Waffenprogramm zu stoppen, außer Invasion und Okkupation. Bombardieren macht nur Sinn, wenn man der Meinung ist, dass der Umgang mit einem mehrfach bombardierten nuklear bewaffneten Iran leichter sein wird als der Umgang mit einem Iran, der nicht bombardiert worden ist.

     
  erschienen am 6. März 2012 auf > policymic > Artikel  
  Dr. T.X. Hammes ist Forschungsbeauftragter der National Defense University (nationale Verteidigungsuniversität). Seine hier zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind seine eigenen und geben nicht die offizielle Politik oder Position der National Defense University, des Verteidigungsministeriums oder der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wieder.   
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