HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
     
  Zur Verteidigung von Günter Grass

Matthew Rothschild

 

Die Kontroverse über Günter Grass’ Gedicht über Israel und Iran bestätigt, was Grass gesagt hat: dass es unmöglich ist, Israel zu kritisieren, ohne geprügelt zu werden. 

Grass, Nobelpreisträger und Autor von „Die Blechtrommel“ und vielen weiteren Werken, wagte es, die israelische Politik eines Erstangriffs gegen den Iran in Frage zu stellen,

wagte es, auf die „Scheinheiligkeit des Westens” hinzuweisen, die Israel erlaubt, ein Arsenal von unkontrollierten Atomwaffen zu besitzen, und es dann Israel erlaubt, das iranische Volk mit Vernichtung zu bedrohen, wenn der Iran versucht, eine eigene Atomwaffe zu bekommen.

Dafür wurde Grass von allen Seiten verurteilt. Die Regierung Israels erteilte ihm ein Einreiseverbot für dieses Land, und Benjamin Netanyahu verhöhnte ihn, weil er im wesentlichen Ansichten aus seiner Nazi-Jugend wiedergegeben habe.

Grass schien eine derartige Reaktion erwartet und mit sich gerungen zu haben, ob er sprechen sollte oder nicht.

Immerhin sind die ersten Worte in seinem Gedicht „Warum schweige ich ...“

Und er antwortet: unter anderem, weil er weiß, dass ihn das bekannte „Verdikt des ‚Antisemitismus’“ treffen werde.

Und er weiß, dass die Verantwortlichkeit Deutschlands für den Holocaust ihn auch zum Schweigen veranlasst hatte:

Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.“

Als Deutscher, schreibt Grass, fühlt er sich verpflichtet, seine Meinung zu äußern, da Deutschland ein weiteres Unterseeboot liefert, „dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe lenken zu können.“ Er schreibt: „Wir – als Deutsche belastet genug – könnten Zulieferer eines Verbrechens werden, das absehbar ist.“

Er zieht keinen falschen Vergleich mit dem Holocaust. In der Tat bezeichnet er Deutschlands „ureigene Verbrechen“ als „ohne Vergleich.“

Grass macht auch aus seiner Meinung über Irans Mahmoud Ahmadinejad kein Hehl, den er als „Maulhelden“ bezeichnet, der sein Volk unterjocht.

Aber Grass macht sich Sorgen, dass ein israelischer Angriff katastrophale Folgen haben würde und dass die Zeit kurz wird.

Und so schreibt er „gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden“

Er fordert Israel auf, auf „Gewalt zu verzichten,“ und er fordert eine internationale Agentur auf, die Kontrolle über die nuklearen Anlagen sowohl Israels als auch des Iran zu übernehmen.

Was genau hat nun Günter Grass falsch gemacht?

Was er über “die Scheinheiligkeit des Westens” und die nukleare Doppelmoral schrieb, entspricht der Wahrheit.

Was er über das drohende Risiko eines israelischen Erstschlags schrieb, entspricht ebenfalls der Wahrheit.

Und wenn Sie wie ich an atomare Abrüstung glauben, dann ist seine Position, die UNO solle die Atomanlagen Israels und des Iran übernehmen, ebenfalls empfehlenswert. 

Grass’ Worte sind nicht die Worte eines Antisemiten. Es sind die Worte eines Mannes mit Gewissen und eines Mannes des Friedens, der es wagt, seine Meinung auszusprechen, obwohl er weiß, dass die Dreckschleudern schon unterwegs sind.

 
     
  erschienen am 9. April 2012 auf > The Progressive Magazine > Artikel  
     
  Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen!  
  <<< Inhalt