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  Der Iran zieht beim Genfer Abkommen den Kürzeren

Eric S. Margolis  

 

Nach all dem Zähneknirschen, auf die Brust Trommeln und Haareraufen auf Seiten Israels und dessen amerikanischer Unterstützer könnte man glauben, dass die nukleare Vereinbarung in der vergangenen Woche in Genf dem Iran den Weg geöffnet hat, zu einer mächtigen Atommacht zu werden.

Unsinn. Nüchtern betrachtet zog Teheran den Kürzeren bei den sogenannten P5+1 Großmächteverhandlungen in Genf. Warum das so ist, lesen Sie hier:

Indem es sich unerträglichen Sanktionen und dem Wirtschaftskrieg durch die Vereinigten Staaten von Amerika beugte, stimmte Teheran zu, die Urananreicherung auf nur 5% zu beschränken (über 80% braucht es für die Herstellung einer Atomwaffe). Dieser geringe Grad reicht nur für die Verwendung in Kernkraftwerken. Der Iran muss die Anreicherung auf 20% stoppen, den Grad, der für medizinische Isotope benötigt wird.

Weiters stimmte der Iran zu, den Bau seines Schwerwasserreaktors Arak einzustellen, der Plutonium produzieren könnte, einen wichtigen Bestandteil von Atomwaffen. Teheran stimmte zu, keine neuen atomaren Anlagen zu errichten, einschliesslich Zentrifugen der nächsten Generation, und UNO-Inspektoren täglichen Zugang zu seinen streng geheimen Betriebstätten Natanz und Fordow zu gewährleisten. Es wird die Pläne für seinen Reaktor Arak vorlegen. 

Kurz gesagt, der Iran friert sein bescheidenes Atomprogramm auf das Ausmass ein, in dem es nur für Zwecke der zivilen Energiegewinnung genutzt werden kann.

Für diese bedeutenden Zugeständnisse wird der Iran $7 Milliarden bekommen – von seinem eigenen Geld, das im Ausland durch die von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführten Sanktionen eingefroren ist. Einige Sanktionen werden ein bisschen erleichtert werden. Der Iran wird wieder Zugang bekommen zu einem Teil seines Goldes und Geldes im Ausland. Die meisten seiner in Anlagen im Ausland eingefrorenen $100 Milliarden werden blockiert bleiben. Teheran wird bescheidene Mengen Erdöl im derzeit eingeschränkten Ausmass verkaufen und einige iranische Studenten im Ausland finanzieren können. Großes Geschäft. 

Endlich wird der Iran auch einige Ersatzteile für seine ramponierten Zivilflugzeuge kaufen können, die aufgrund der Sanktionen zu fliegenden Särgen geworden sind. Aber neue westliche Flugzeuge sind offenbar nicht drin.

Das Genfer Abkommen wird 6 Monate lang gelten und dann neu bewertet werden.

Bedenkt man das ganze amerikanische und israelische Gerede von Krieg gegen den Iran, dann bedeutet es eine Art Triumph für die Diplomatie der Vereinigten Staaten von Amerika, Russlands, der Europäischen Union und Chinas. Präsident Barack Obama und Aussenminister John Kerry verdienen Beifall für die Organisation des Abkommens – die offene in Genf und die Gespräche im Hinterzimmer, die von Oman aus stattgefunden haben. 

Auch Russlands gewandter Aussenminister Sergei Lavrov verdient Applaus dafür, dass er mit viel diplomatischem Können und intelligenter Politik zu den Verhandlungen beigetragen hat.

Es scheint keinen Weg zu geben, auf dem der Iran auch nur in die Nähe der Herstellung einiger Atomwaffen kommen könnte – oder diese über eine mittlere Entfernung befördern könnte. Das hat allerdings nicht das Gejammer und die Drohungen beruhigt, die von Israels Benjamin Netanyahu kommen, der um die 200 Atomwaffen in seinem Keller gelagert hat. Oder von der amerikanischen pro-Israel-Lobby und der republikanischen Partei, die an deren Leine hängt.

Wie der große israelische Autor Uri Avneri bemerkte, würde der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika springen und die zehn Gebote aufheben, wenn ihm das von Israel aufgetragen wird.  

Wir haben das hässliche Spektakel erlebt, wie Kongressabgeordnete und Senatoren die scharfe Kritik an ihrem Präsidenten durch Israels Netanyahu gebilligt haben. Die Medien der Vereinigten Staaten von Amerika waren ebenfalls sehr einseitig gegen das Genfer Abkommen. Dessen ungeachtet ergab eine Pew-Umfrage vor kurzem, dass 44% der Amerikaner die Genfer Vereinbarungen unterstützen, während nur eine geringe Anzahl dagegen war.

Wenn sich die Gewinne des Iran aus diesem Abkommen auch in Grenzen halten, so hat dieses zumindest die Gefahr eines Angriffs abgeschwächt. Das Genfer Abkommen kann den Weg ebnen zu einer Erwärmung der Beziehungen mit dem Westen und zu Amerikas endgültiger Anerkennung der Islamischen Republik als einem legitimen Bestandteil des Mittleren Ostens. Diese Aussicht hat die Israelis und die Saudis vor Wut auf die Palme getrieben. 

Die Kampagne zur Blockade des Genfer Abkommens hat die seit langem bestehende geheime Allianz zwischen Saudiarabien und den Golfemiraten einerseits und Israel anderseits an das Tageslicht gebracht. Auch Ägypten und Jordanien gehören diesem antiiranischen Lager an. Das mögliche Heraustreten des Iran aus der von den Vereinigten Staaten von Amerika aufgezwungenen Isolation verursacht bereits Krämpfe im Mittleren Osten.

In Genf erlebten wir auch ein weiteres Beispiel der vollendeten, schamlosen Scheinheiligkeit, die die Liebe zu Frankreich oft vergehen lässt. Frankreich, das Waffen an die Golfemirate verkauft hat und eine Militärbasis in Abu Dhabi unterhält, hielt das Abkommen mit dem Iran auf mit der Behauptung, dass dieses „die Verbreitung von Atomwaffen“ fördern würde. Das selbe Frankreich, das ursprünglich in der Mitte der 1950er Jahre nukleare Technologie, Waffen und Raketen an Israel verkauft hat. Das schlägt alles!

Zurück in die Vereinigten Staaten von Amerika. Nachdem sie die volle Macht der pro-Israel-Lobby gesehen haben, wie diese ihren Präsidenten attackierte und den Kongress applaudieren liess wie Seehunde im Zirkus, müssen sich viele Amerikaner fragen, ob sie die Kontrolle über die Mittelostpolitik ihres Landes verloren haben.

Umfragen zeigen, dass die Amerikaner sicher keinen weiteren Krieg zum Vorteil Israels führen wollen. Premierminister Netanyahu ist zu weit gegangen bei seinem Versuch, sich in Amerika und beim gedemütigten Präsidenten Obama groß aufzuspielen.

Seine plumpen Aktionen werden viele daran erinnern, dass der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika vom großen Geld und von den großen Medien völlig korrumpiert worden ist – und reformiert gehört.

Ben Franklin sagte: „es gibt keinen schlechten Frieden; und keinen guten Krieg.“ Wie unvollkommen auch immer, Genf ist ein Schritt nach vorne. Jetzt werden wir sehen, wie seine Gegner Himmel und Erde in Bewegung setzen, um diese Vereinbarungen zu sabotieren.

 
     
  erschienen am 30. November 2013 auf > www.ericmargolis.com  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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