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  4 Punkte zum FBI-Einbruch 1971

Glenn Greenwald

 

The New York Times von heute bringt ein außergewöhnliches von einem Reporterteam, darunter der unabhängige Journalist Jonathan Franklin, produziertes 13 Minuten langes Video und einen begleitenden Artikel von Mark Mazzetti über die heroischen Antikriegs-Aktivisten, die 1971 in ein FBI-Büro einbrachen und alle Dokumente mitgehen ließen, die sie erwischen konnten, und diese Dokumente dann an Zeitungen, darunter New York Times und Washington Post schickten. 

Einige dieser Dokumente deckten J. Edgar Hoovers COINTELPRO-Programm auf, das die Unterdrückung von abweichenden politischen Meinungen im Inland mittels Überwachung, Infiltration und andere Taktiken zum Ziel hatte. Diese Enthüllungen führten schließlich zur Einrichtung des Church-Komitees Mitte der 1970er und zu verschiedenen Reformen. Die Hintergründe der COINTELPRO-Erkenntnisse des Church-Komitees und des „Einbruchs“, der dazu geführt hat, sind hier zu finden. 

Nachdem ihre „Verbrechen”, die das FBI nie aufklären konnte, verjährt sind, sind die mutigen Täter jetzt in die Öffentlichkeit getreten. Der NYT-Bericht beruht auf einem neuen Buch der Washington Post-Reporterin Betsy Medsger und dem in Kürze erscheinenden Dokumentarfilm 1971 (der von meiner journalistischen Partnerin Laura Poitras mitproduziert wird). Dazu sind vier entscheidende Punkte anzumerken: 

(1) Wie es heute auf Daniel Ellsberg zutrifft, werden diese Aktivisten weitum gepriesen werden als heroisch, edel, mutig, usw. Das liegt daran, dass es unglaublich leicht ist, Menschen zu loben, die Regierungen der ferneren Vergangenheit herausfordern, viel schwerer jedoch im Falle derer, die diejenigen herausfordern, welche tatsächlich heute die Macht ausüben. 

Wenn Sie dieses Video betrachten, dann stellen Sie sich vor, was die amerikanischen Kommentatoren von heute, die Medienklasse und Figuren des Establishments von beiden Parteien sagen würden, um diese Aktivisten zu denunzieren. Sie haben Regierungsdokumente gestohlen, die ihnen nicht gehörten! Sie gefährdeten die nationale Sicherheit! Sie nahmen nicht nur ein paar Dokumente, sondern haufenweise alles, was sie in ihre Finger bekommen konnten! Der ehemalige FBI- und CIA-Chef William Webster wird in dem Film gezeigt, wie er zugibt, dass die Dokumente, die sie enthüllten, zu wichtigen Debatten führten, sie aber nichtsdestoweniger verurteilt, weil sie die „falschen Methoden“ – kriminelle Methoden! – benutzten, um diese bösen Taten aufzudecken und dabei bleibt, dass sie richtige, allerdings nicht näher ausgeführte Wege einhalten hätten müssen.

Das alles klingt sehr bekannt, nicht wahr? Viele der Journalisten und Experten, die heute diese Aktivisten loben, hätten zweifelsohne damals die Orgie ihrer Verurteilungen angeführt, auf der Grundlage der selben Dinge, die sie heute sagen.

(2) Der Kern von COINTELPRO – Bürger wegen nicht genehmer politischer Ansichten ins Visier zu nehmen und zu versuchen, sie durch Infiltration, Verlockung und ähnliches zu kriminalisieren – lebt und gedeiht gut in den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Taktiken werden nicht länger COINTELPRO genannt, sie werden als „vorgreifende Verfolgungen“ bezeichnet und FBI-Fallen. Die Ziele bilden hauptsächlich amerikanische Moslems, aber auch ein großer Bereich von politischen Aktivisten. Sehen Sie hier, wie lebendig diese COINTELPRO-artigen Taktiken heute noch sind. 

(3) Die Aktivisten schickten die Dokumente, die sie mitgehen hatten lassen, an verschiedene Zeitungen. Während die Washington Post auf diesen beruhende Artikel veröffentlichte (nach längeren internen Debatten, ob man das tun sollte), waren die anderen Zeitungen „nicht annähernd so bewundernswert,“ wie Trevor Timm dokumentiert. Und zwar:

Laut Medsgers Buch gab einer ihrer Reporter dem FBI die Dokumente zurück, um diesem bei der Untersuchung behilflich zu sein, obwohl die New York Times letztendlich einen Bericht brachte, der auf den Dokumenten beruhte. Und die Los Angeles Times veröffentlichte gar nichts und wird wohl auch die Dokumente dem FBI zurückgegeben haben.

Darüberhinaus zeigte die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika null Interesse an der Untersuchung und Strafverfolgung der Gesetzesbrecher innerhalb des FBI. Stattdessen war sie darauf versessen, nur diejenigen zu bestrafen, die das Fehlverhalten auf höchster Ebene aufgedeckt hatten. Auch das sollte sehr vertraut klingen, no na ... 

(4) Die Parallelen zwischen den Whistleblowers von 1971 und denen von heute, darunter Edward Snowden und Chelsea Manning, sind offenkundig. Einer der Aktivisten von 1971 weist ausdrücklich auf diesen Punkt hin und sagt: „Ich sehe auf jeden Fall Parallelen zwischen Snowdens Fall und unserem Fall“ und bezeichnet Snowdens Enthüllung der NSA-Dokumente als „eine gute Sache.“ Ein weiterer Aktivist, John Raines, zeigt die Parallele noch eindeutiger auf:

„Es sieht so aus als wären wir furchtbar rücksichtslose Leute,” sagte Herr Raines. „Aber es gab absolut niemanden in Washington – Senatoren, Kongressabgeordnete, nicht einmal der Präsident – der es wagte, J. Edgar Hoover zur Rechenschaft zu ziehen.“

„Uns wurde ziemlich klar,” sagte er, „dass niemand was machen wird, wenn wir es nicht tun.“ Medsger selbst wies heute morgens auf die Parallelen hin, als sie auf Twitter sagte, dass sie hoffe, dass ihr Buch „zu der Diskussion beiträgt,“ die von Snowdens Aufdeckungen ausging. Die Lektion ist, wie sie sagte: „das haben wir schon einmal gehabt.“

Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass diese Aktivisten sich nicht freiwillig stellten und gestanden, um dann von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Jahrzehnte lang eingesperrt zu werden, sondern gezielt alles mögliche taten, um das zu vermeiden. Nur die größten Dummköpfe unter uns werden behaupten, dass diese Vorgangsweise ihre Tapferkeit oder ihren Status als ehrenhafte Whistleblowers irgendwie geschmälert hat.

Hier haben wir wieder einmal ein weiteres Beispiel für dieses wesentliche, obwohl oft übersehene Prinzip: oft sind die von einer ungerechten Gesellschaft als „Kriminelle“ bezeichneten in Wirklichkeit deren ehrenhafteste Akteure. 

 
     
  Dieser Artikel erschien am 7. Januar 2014 auf Glenn Greenwalds Blog > Artikel  
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