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  Sie meinen es nicht gut

Sheldon Richman

 

Amerikaner haben ein eigenartiges Bedürfnis zu glauben, dass ihre „Führer” es gut meinen. Und das nirgendwo mehr als in der Außenpolitik. Sogar wenn der Horror mancher Regierungsoperation bekannt wird (nachdem diese üblicherweise vor den Amerikanern geheim gehalte wird), werden ernste Experten und Altpolitiker herumschwadronieren über unbeabsichtigte Konsequenzen und den Nebel des Krieges, während sie mahnen, keine „sinnlosen“ Schuldzuweisungen vorzunehmen. Typischerweise ist der schwerste Vorwurf gegen die für eine Kalamität Verantwortlichen der der Inkompetenz, und auch das nur selten.

Wenn man allerdings das blutige Register der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Außenpolitik verfolgt, dann kommt man nur sehr schwer auf den Gedanken, dass die lange Spur von Tod, Chaos und Verwüstung etwas anderes ist als das Ergebnis von Bösartigkeit bei der Verfolgung politischer und wirtschaftlicher Interessen.

In einem vor kurzem erschienenen Artikel beschreibt der ehemalige Produzent der TV-Sendung 60 Minutes Barry Lando den Horror, der von amerikanischen Regierungsvertretern über das irakische Volk gebracht wurde, beginnend 1990 unter der Administration von George H.W. Bush. Regierungsvertreter begannen eigentlich schon lange davor, das Leben der Iraker zur Hölle zu machen, wie Lando in seinem Interview mit Scott Horton diskutiert. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (insbesondere die CIA) trugen nicht nur dazu bei, Saddam Hussein an die Macht zu bringen, sie lieferten ihm die Mittel und die Geheimdienstinformationen für den Einsatz von chemischen Waffen in seinem Angriffskrieg gegen den Iran in den 1980ern. (Die Iraner haben das nicht vergessen.) Das geheime Einverständnis mit Saddam ging weiter bis zum Zeitpunkt, als er nach Kuwait einmarschierte, wobei Regierungsvertreter der Vereinigten Staaten von Amerika nachhalfen, dass es dazu kam, indem sie auf beiden Seiten des Konflikts die Fäden zogen.

„Das letzte, was die Vereinigten Staaten von Amerika tun sollten, ist militärisch in den Konflikt verwickelt zu werden, der wieder im Irak tobt,“ schreibt Lando. „Aber dass Amerikaner ihre Köpfe schütteln in erhabener Verachtung und sich abwenden, als trügen sie keine Verantwortung für das anhaltende Blutvergießen, ist empörend. Warum? Weil Amerika einen beträchtlichen Teil der Schuld trägt an der Verwandlung des Irak in den hoffnungslosen Fall, zu dem er geworden ist.“

Das wird neu sein für die meisten Amerikaner, die der Ignoranz den Vorzug gegenüber dem Wissen zu geben scheinen, wenn es um das abscheuliche Verhalten der Regierung im Ausland geht. Wie viele verstehen, was den durchschnittlichen Irakern durch das Embargo unter amerikanischer Führung angetan wurde, das 1990 begonnen hat?

Das Embargo schnitt allen Handel ab zwischen dem Irak und dem Rest der Welt. Das betraf alles, von Nahrung und Stromgeneratoren bis zu Impfstoffen, Krankenhausausstattung – ja sogar medizinische Zeitschriften. Da der Irak 70 Prozent seiner Lebensmittel importierte und seine wichtigsten Einnahmen aus dem Export von Erdöl stammten, hatten die Sanktionen katastrophale Auswirkungen, besonders auf die jungen Menschen.

Betrieben in erster Linie durch die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich blieben die Sanktionen nahezu 13 Jahre lang in Kraft und waren auf ihre eigene Weise eine Massenvernichtungswaffe, die viel tödlicher war als alles, was Saddam entwickelt hatte. Zwei UNO-Administratoren, die für die humanitäre Hilfe im Irak in dieser Zeit zuständig waren und unter Protest zurücktraten, betrachteten das Embargo als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ ...

Sogar nachdem die Sanktionen 1996 umgeändert wurden in das „Öl für Nahrung-Programm,“ reichten die dadurch freigemachten Ressourcen niemals aus, um die Grundbedürfnisse des Irak zu decken.

Während der angebliche Zweck des Embargos war, Saddam dazu zu zwingen, seine (nicht existierenden) Massenvernichtungswaffen aufzugeben, zielte es in Wirklichkeit darauf ab, allerdings vergeblich, ihn aus der Macht zu vertreiben. Ironischerweise führten die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Komplizen einen chemischen Krieg gegen die Iraker. Wie das?

Die Wirkung der Sanktionen wurde vervielfacht durch die weitgehende Zerstörung der irakischen Infrastruktur – Kraftwerke, Klärwerke, Telefonzentralen, Bewässerungssysteme – durch die amerikanischen Luft- und Raketenangriffe schon vor dem ersten Golfkrieg. Diese Infrastruktur muss immer noch erst zur Gänze wiederhergestellt werden.

Die verunreinigten Gewässer des Irak wurden zu einem biologischen Killer, tödlicher als alles, was Saddam zu produzieren versucht hatte. Es kam zu massiven Ausbrüchen von schwerer Kinder- und Säuglingsdysenterie. Typhus und Cholera, die im Irak praktisch ausgerottet waren, füllten ebenso die Krankenhäuser.

Die daraus resultierenden Tode von Irakern, darunter eine halbe Million Kinder, waren nicht unbeabsichtigte Konsequenzen, sondern vorhergesehene Folgen von Amerikas bösartiger Politik. Das ist Mord. (Die Embargopolitik wird im Iran wiederholt.)

Die nächsten Phasen des amerikanischen Angriffs, der Einmarsch 2003 und die acht Jahre währende Okkupation fügten den Irakern mehr Tod und Leiden zu. Das ist noch nicht vorbei.

Die Regierungsvertreter, die diese Politik festgelegt und durchgeführt haben, genauso auch diejenigen vor und nach ihnen, begingen keine wohlgemeinten Irrtümer, sondern Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wann werden die Amerikaner sich darum kümmern, dass diese verbrecherische Regierung in die Schranken gewiesen wird? 

 
     
  erschienen am 15. Januar 2014 > THE FUTURE OF FREEDOM FOUNDATION > Artikel  
  Archiv > Artikel von Sheldon Richman auf antikrieg.com  
 
siehe dazu im Archiv:
  Joy Gordon - Die Vereinigten Staaten von Amerika sind verantwortlich für den Verlust von Menschenleben durch die Irak-Sanktionen
  Denis Halliday - Die UNO und ihre Rolle bei der Invasion und Okkupation des Irak
  Stephen Kinzer - BP im Golf – im Persischen Golf
  Jacob G. Hornberger - Die iranische Bevölkerung im Würgegriff
  Paul Craig Roberts - Wie du säst, so wirst du ernten
  Jacob G. Hornberger - Die moralische Abscheulichkeit von Sanktionen
 
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