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  Die Kunst der amerikanischen Panikmache

Die Regierung hat immer recht

Philip Giraldi

 

Wann immer Bedarf nach einem guten Lacher aufkommt, dann gibt es fast immer einen gefälligen Politiker, der etwas sagen kann, das den Rest von uns zum Lächeln bringt. Der Republikaner Mike Rogers, der häufig grimmig dreinblickt mit einem Ausdruck, der Feindeligkeit ausstrahlt, die Milch gerinnen lassen könnte, hat den Vorsitz im Geheimdienstkomitee des Repräsentantenhauses. Er hat die Gabe, unter jedem Stein Feinde zu finden und ist normalerweise nicht der Typ, der minutenlang lacht, aber er hat seine Momente.

In den Tagen der römischen Republik beendete Cato der Ältere jede Rede mit dem Sager „ceterum censeo Carthaginem esse delendam,“ was bedeutet, dass seiner Ansicht nach Karthago, eine Bedrohung Roms, zerstört werden müsse. Wie Cato scheute auch Rogers sich nicht, wiederholt seine Ansicht über den furchtbaren Schaden zum Besten zu geben, den Edward Snowden der nationalen Sicherheit zugefügt hat, und kommt immer wieder darauf zurück, wie erstrebenswert es sei, Snowden zu „fassen“ und jeden, der mit ihm in Verbindung steht. Rogers’ letztes Gambit, und hier kommt der Scherz ins Spiel, dreht sich darum, wie einige Journalisten eingesperrt werden sollten, da sie angeblich persönlich von den geheimen Dokumenten profitieren, die sie [von Snowden] bekommen haben, was er als „Einzäunen gestohlenen Guts“ bezeichnet.  

Rogers vermeidet beharrlich zu erwähnen, wie er und sein Komitee absolut nichts unternommen haben, um die Rechte von 350 Millionen Amerikanern zu schützen, während Snowden Informationen sammelte, die darauf hinwiesen, dass die Regierung ihr eigenes Volk bespitzelt hat. Er glaubt auch, dass Papiere, die von der National Security Agency (NSA) genommen wurden, privates Eigentum sind, indem er sich irgendwie um die Tatsache herumschwindelt, dass sie in Wirklichkeit dem amerikanischen Volk gehören und ein Nachweis für das sind, was die Regierung in seinem Auftrag macht. Anscheinend denkt er, dass Journalisten, die Dokumente über Fehlverhalten der Regierung bekommen haben, wenig mehr sind als Diebe, die von gestohlenen Gütern profitieren, weil sie ja von ihren Arbeitgebern bezahlt werden, Geschichten zu schreiben, die mit den Papieren zu tun haben, die sie ergattern können. 

Rogers muss zurückgehen in die High School und einen Kurs für Staatsbürgerkunde machen. Als er dem FBI beitrat und später 2001 in den Kongress kam, schwor er einen Eid, die Verfassung der Vereinigten Staaten vonAmerika hochzuhalten, nicht die Aktivitäten von NSA, CIA, FBI oder anderen Komponenten der Buchstabensuppe zu beschützen, die wir Amerikaner heute eine Regierung nennen. Das sollte sein einziger Auftrag sein. Wenn die Bespitzelung der eigenen Bevölkerung durch die Regierung tatsächlich ein Verbrechen und ein Verstoß gegen die Vierte Zusatzbestimmung der Verfassung ist, was sich leicht schlüssig belegen lässt, dann ist Snowden ein Whistleblower, und es ist Rogers, der selbst an einer kriminellen Verschwörung teilnimmt, um das Recht der Regierung hochzuhalten, gegen das Gesetz zu handeln. 

Journalisten, welche Informationen bekommen, die illegale Aktivität der Regierung vermuten lassen, wurden bis vor kurzem betrachtet als diejenigen, die ihre Jobs erledigen, indem sie darüber berichten, was los ist. Das ist die Aufgabe des Vierten Bereichs, obwohl das Weiße Haus versucht hat, diese Fähigkeit durch die Durchführung legaler Sanktionen gegen Mitglieder der Presse zu schwächen, welche für die Regierung blamable Berichte veröffentlichen, indem sie das Spionagegesetz aus dem Jahr 1917 zur Anwendung brachte. Obama hat sieben Mal versucht, Journalisten zu zwingen, ihre Quellen preiszugeben, öfter als alle vorhergehenden Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Bringen wir das in Verbindung mit der häufigen Anwendung des Staatsgeheimnis-Privilegs, um jede gerichtliche Beurteilung von Handlungen des Weißen Hauses zu unterbinden, und wir erleben die ultimative Ironie – einen Präsidenten, der mit der Masche einer „transparenten Regierung“ geworben hat, während er insgeheim plante, etwas in der Art eines Polizeistaats einzuführen.

Ja, Leute, die für Zeitungen schreiben, werden dafür bezahlt, und wenn jemand offizielle Papiere als Eigentum der Regierung betrachtet, dann heißt das in einer ziemlich verdrehten Auffassung, dass Journalisten von gestohlenen Gütern profitieren. Das ist anscheinend der Fall, den Rogers konstruieren will, wobei er noch listig ins Spiel bringen zu wollen scheint, dass einige Journalisten in der Tat die Regierungsdokumente an den Höchstbietenden verkaufen. Das ist eine Behauptung, für die es absolut keine Beweise zu geben scheint. Der Umgang mit den Snowden-Dokumenten seitens derjenigen, die Zugang zu ihnen haben, scheint sich nicht zu unterscheiden von der Verbreitung ähnlicher Dokumente durch andere Journalisten in der Vergangenheit.  

Und Rogers steht nicht allein mit seinen Anschuldigungen. Letztes Jahr sprach NSA-Direktor General Keith Alexander vom „Verkauf“ von Regierungsdokumenten. Vor zwei Wochen sprach der Direktor der nationalen Geheimdienste James Clapper, der den Kongress im März bezüglich des NSA-Bespitzelungsprogramms belogen hat, von Snowden, der „Komplizen” habe, worunter er Journalisten verstand, die seine Aktivität ermöglichten. Die Absicht ist eindeutig, das Whistleblowing selbst zu kriminalisieren, wie auch jede Medienbeteiligung in der Folge. Die Argumentation beruht auf dem Spionagegesetz, das so interpretiert werden kann, dass jeder, der in den Besitz geheimer Information kommt, als „Helfer, Mitverschwörer oder Mittäter“ kriminalisiert werden kann, sogar wenn er selbst nicht die Dokumente nimmt. Wenn Rogers & Co Erfolg haben, dann wird die Konsequenz sein, dass Journalisten und Zeitungen nie Nachrichtenquellen aufbauen werden zur Erlangung von geheimen Informationen, die die Regierung blamabel findet, oder die illegale Handlungen ans Licht bringen. Das Argument Nixons, dass „es nicht illegal ist, wenn der Präsident es tut,“ wird die Oberhand gewinnen. 

Was wir erkennen, ist ein Konsens zwischen Administration und Kongress darüber, dass diejenigen, die irgendwelche geheimen Informationen weitergeben, bestraft werden müssen. Von dieser Prämisse ausgehend ist es nötig, eine legale Rechtfertigung zu finden, die die Durchsetzung der Bestrafung ermöglicht. Das ist ein Verhalten, das nicht untypisch ist für totalitäre Regimes. Die Sowjets führten peinlich genaue Aufzeichnungen über ihre völlig künstlichen Schauprozesse, um zu demonstrieren, dass eine Art Rechtsstaat eingehalten wurde, während sogar die Nazis den berühmten Juristen Carl Schmitt benutzten, um ihr „Führerprinzip“ zu belegen, dass die Regierung immer recht hat. Rogers und andere in der Regierung, die darauf aus sind, Leute dafür einzusperren, dass sie den Job erledigen, den sie selbst hätten erledigen sollen, nämlich die Verfassung zu schützen, sind die Erben dieses Vermächtnisses einer Regierung durch Einschüchterung und Panikmache.

Und die Regierung ist auch auf andere Weise aktiv bei der Schaffung von Drohungen, um eine hohe Stufe der Wachsamkeit gegenüber ihren eigenen Bürgern aufrecht zu halten. Ausgerechnet vor dem Geheimdienstkomitee unter Rogers’ Vorsitz sagte der Direktor der nationalen Geheimdienste James Clapper vergangene Woche: „Zurückblickend auf mein über halbes Jahrhundert im Geheimdienst habe ich keine Zeit erlebt, in der wir von mehr Krisen und Bedrohungen rund um den Globus bedrängt worden sind.“ Da Clapper bereits eine Erfolgsgeschichte des Lügens vor dem Kongress aufweist, könnte man wohl annehmen, dass er zumindest ein bisschen flunkert oder die schlimmen alten Zeiten des Kalten Kriegs vergessen hat, der sicher um ein Vielfaches gefährlicher war als eine Bande von bärtigen Burschen, die sich in Höhlen herumtreiben. 

Rogers benützte eben diese Sitzung, um anzudeuten, dass Snowden für die Russan arbeiten könnte, wobei ein verblüffter Leiter des militärischen Geheimdienstes General Matt Flynn anderer Meinung zu sein versuchte, ehe er die zweideutige Antwort „ja, möglich“ gab. Rogers ging dann über zu CIA-Direktor John Brennan, der zustimmend nickte angesichts der Krise, mit der die Vereinigten Staaten von Amerika konfrontiert sind, wobei er anmerkte, dass Syrien dabei ist, zur „Startbahn“ für al-Qaeda zu werden, um fremde Jihadisten anzuheuern, die dann zurück in die eigenen Länder gehen und Anschläge verüben. Eine weitere Geheimdienstquelle, die sich zu Brennans Bemerkungen äußerte, teilte danach der LA Times mit, dass sich etwa 50 amerikanische Bürger unter den 7.500 Ausländern in Syrien befinden.

Weder Clapper noch Brennan hatten genügend Anstand, um zu sagen, dass genau diese Jihadisten sich jetzt dank eines unausgereiften von Amerika unterstützten Plans, Präsident Bashar al-Assad zu stürzen, in Syrien befinden, und wahrscheinlich denken sie, dass derlei rückwärts gerichtete Betrachtungen besonders geschmacklos sind. Allerdings hätte ihnen ohnehin niemand zugehört. Und diese 50 abtrünnigen Amerikaner, ist das eine Vermutung oder etwas, was von den Israelis kommt? Clapper und Brennan befinden sich auch im Chor unter der Leitung des Kongressabgeordneten Peter King, der seit 9/11 Wolf geschrien hat in Hinblick auf heimische Terroristen und vor den Jihadisten warnt, die zurückkehren, um Chaos zu stiften. Wie oft ist das passiert? Das ist nie passiert, und ich würde sehr gerne die geheimdienstlichen Informationen sehen, welche nahelegen, dass das eine reale Möglichkeit ist.

Was macht in der realen Welt eine Firma, wenn sie versagt? Sie tauscht das Management aus. Wenn Amerika tatsächlich jetzt von mehr Krisen und Bedrohungen „bedrängt“ (wie Clapper sich ausdrückt) ist als jemals zuvor, ist das sicher eine Anklage hinsichtlich Führungsqualität und Professionalismus von Brennan und Clapper und den Leuten, mit denen sie sich umgeben. Sie sollten zurücktreten, um zu sehen, ob Präsident Obama jemanden auftreibt, der weniger inkompetent ist, ehe sie sich zurückziehen auf eine Sinekure bei einem Verteidigungskontraktor. Bis dahin sollten sie auch aufhören, Sündenböcke unter Journalisten zu suchen, die ihre Jobs erledigen, oder Whistleblowers, welche kriminelle Aktivitäten der Regierung aufdecken, oder sogar unschuldige Amerikaner, deren Familien aus Teilen der Welt stammen, die sie als „bedrohlich“ betrachten. Die ganze traurige Geschichte von Versagen und Auf andere mit dem Finger zeigen zeigt sehr gut, dass die rund eine Billion Dollars, welche jährlich für die Bekämpfung des Terrorismus ausgegeben wird, in Wirklichkeit nicht sehr viel erbracht hat.

 
     
  erschienen am 11. Februar 2014 auf > Antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Philip Giraldi auf antikrieg.com  
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