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  Verbrechen gegen den Frieden? Na und?  
     
     
  Peres´ umstrittenes Begräbnis

Ran HaCohen 

 

Vor vielen Jahren produzierte Haim Hefer eine hebräische Version von Norman Byfield Thomas´ „Naughty Little Flea“ („Frecher kleiner Floh“), die von einem ehrgeizigen jungen Floh handelt, der, geboren im Fell einer lausigen Maus, sich hochsprang von Hund zu Esel, von Esel zu Pferd, und so seinen Weg bis ins Kabinett machte. „Sei immer ein Jasager,“ lautete die gereimte Moral des Songs, „und du wirst dich emporspringen können.“ Hefer - ein prominenter Songwriter, Dichter und Kolumnist, der zu Rabins Lager in der Labor Party gerechnet wurde – bestätigte nicht, bestritt aber auch nicht die verbreitete Meinung, dass sein Little Flea von keinem anderen als Shimon Peres inspiriert worden war. Im Gegenzug gab Peres – damals Präsident Israels – nach dem Tod Hefers im Jahr 2012 lakonisch seine Beileidsbezeugung ab, nahm aber nicht am Begräbnis teil.

Dieser Vorfall ging mir dieser Tage durch den Kopf, als eine erhitzte Debatte losgetreten wurde durch die Entscheidung der Gemeinsamen Liste (der Knesset-Abgeordneten verschiedener israelisch-arabischer Parteien), nicht an Peres´ Begräbnis teilzunehmen. Die Entscheidung wurde erklärt, indem einige weniger gefeierte Szenen in Peres´ langer öffentlicher Laufbahn in Erinnerung gerufen wurden, von seiner Rolle im Militärregime, das 1948 – 1966 über Israels Araber verhängt wurde, über seine führende Rolle bei der Erlangung von Israels Atomarsenal, bis zur Nichtteilnahme am Begräbnis Arafats (mit dem er den Friedensnobelpreis bekommen hatte) noch sonstiger israelisch-arabischer Prominenten.

Diese Nichtteilnahme entfachte eine öffentliche Entrüstung, die einige Tage lang anhielt. Diese Prozedur ist zu einem jüdisch-israelischen Ritual geworden: von Zeit zu Zeit kommen wir zusammen zu einer hitzigen Debatte über „unsere“ widerspenstigen Araber. Eine gute Gelegenheit für viele verdächtige Peaceniks, um zu beweisen, wie der Anführer der Labor Party vor kurzem sagte, dass sie keine Araberversteher sind und nicht davor zurückscheuen würden, gegen Araber loszuschlagen, wenn sie das verdienen – und das ist immer der Fall. Frühere Beispiele dieses Rituals sind unter anderem die Weigerung der Arabischen Partei, die libanesische Hizbollah als terroristische Gruppe zu definieren, oder ihre Weigerung, ein Abstimmungsabkommen mit der zionistischen linksliberalen Partei Meretz zu schließen, fürwahr ein sehr schweres Vergehen. Das Ritual besteht aus öffentlichen Erklärungen von Bedauern und Enttäuschung über unsere Araber, üblicherweise nach einer Vorbemerkung wie „die Diskriminierung der israelischen Araber kann nicht bestritten werden, aber ...“, oder „ich war immer ein fester Befürworter des Friedens, aber dieses Mal ...“. Als nächstes werden öffentlich bekannte Araber ins Fernsehen geholt – als Zeichen unserer Aufgeschlossenheit – aber nur um dann gedemütigt zu werden von einer Horde krakeelender Interviewer, die sich gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, ihren arabischen Gast zum Schweigen zu bringen, indem sie ihn mit ihrer „Enttäuschung“ überschütten und ihren „wohlwollenden Rat“ anbieten, wie ein guter Araber sich in Israel benehmen soll. Dieses Mal war Israels beliebtester Channel 2 dran, die öffentliche Hinrichtung zu vollziehen, mit einem rechtsgerichteten Analysten, der „ihr habt's verpasst, ihr habt's verpasst,“ grummelte, während der Vorsitzende der Vereinigten Liste Ayman Odeh seine Position erläuterte, worauf ein liberaler Kollege seine Fortschrittlichkeit unter Beweis stellte, indem er zu bedenken gab, dass der Boykott von Peres´ Begräbnis „vielleicht gerechtfertigt, aber definitiv unklug“ sei.

Besonders enthüllend ist eine Argumentationslinie – aufbereitet von Uri Misgav von Ha´aretz und vielen anderen – die Mahmoud Abbas, den Chef der Palästinenserbehörde, gegen die israelisch-arabischen Vertreter ausspielte. Ist Abbas „nicht ausreichend palästinensisch“ für Ayman Odeh?! Wenn Abbas am Begräbnis von Peres schon teilnehmen könnte (erniedrigend in eine hintere Reihe gedrängt, in Netanyahus Rede nicht einmal erwähnt, aber wen kümmert´s), warum könnte dann der Vertreter von Israels Palästinensern nicht daran teilnehmen? Immerhin seien die letzteren, im Gegensatz zu Abbas und seinesgleichen, freie israelische Bürger, und Peres wäre auch ihr Präsident.

Diese Argumentationslinie ist aufschlussreich, weil sie eine typisch jüdisch-israelische Haltung aufzeigt: erstens wissen wir besser als die Palästinenser, was für sie gut ist (nicht an dem Begräbnis teilzunehmen war daher „falsch“); die Vorstellung, dass Odeh seine Wähler vertritt und nicht die ausschließlich jüdischen Diskussionsteilnehmer auf Channel 2, ist ihnen offenbar nie in den Sinn gekommen. Zweitens sollte es einen Massstab für palästinensische Authentizität geben, und alle Palästinenser sollten ihr entsprechen; wer davon abweiche, liege „falsch“, sei „extremistisch“, „enttäuschend“ etc. Und wer ist für uns der authentische Palästinenser? Derjenige, der das israelische Narrativ akzeptiert und am Begräbnis von „Israels großem Mann des Friedens“ teilnimmt. 

Vergleichen wir Abbas mit Odeh: der 81 Jahre alte Abbas ist nie gewählt worden, sein Engagement für seine angebliche Wählerschaft ist minimal, er überlebt dank Israels (und Amerikas) wirtschaftlicher, diplomatischer und militärischer Unterstützung, die er bekommt, weil er die West Bank relativ ruhig hält: ein Marionettenführer, der der israelischen Okkupation dient (mit gelegentlichen Zeichen symbolischen Protests, hauptsächlich in den Foren der UNO). Im Gegensatz zu Abbas wurde der 41 Jahre alte Odeh von fast 11% der israelischen Bürger gewählt, die meisten davon Araber, die er in der Knesset als der Vorsitzende der drittgrößten Partei Israels vertritt. Nun, wer von den beiden wird eher eine freie, repräsentative und „authentische“ palästinensische Stimme erheben? Für viele israelische Linke ist es offensichtlich gerade Abbas. Sie lassen sich lieber von einem Marionettendiktator schmeicheln, statt auf einen gewählten Führer der palästinensischen Israelis zu hören. Sie führen ihren Hampelmann sogar gegen diesen gewählten Anführer ins Feld. Das ist Kolonialismus par excellence, nicht anders als die absurde Annahme, dass alle Palästinenser gleicher Meinung sind: „wir“ sind kultiviert und jedem steht seine oder ihre Meinung zu, „sie“ aber sind primitiv und müssen alle die gleiche Meinung haben. So nebenbei bemerkt: haben sie doch nicht. Odehs Abwesenheit bei Peres´ Begräbnis – wie auch Abbas´ Teilnahme – kamen innerhalb des palästinensischen Lagers unter heftigen Beschuss. Glauben Sie es oder nicht, unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Gedanken, sogar wenn sie Araber sind.

 

Das Begräbnis des Friedens

„Shimon Peres´ Begräbnis hat bewiesen, dass der Antisemitismus tot ist,” schrieb Gideon Levy: mit Dutzenden von Führern der Welt als Teilnehmern – Präsident Obama und sein Vorgänger Clinton, US-Fahne auf Halbmast etc. – erscheint Israels selbstauferlegte Opferrolle des „die ganze Welt ist gegen uns“ absurder denn je. Freundlicher Versuch, Herr Levy, aber knapp daneben: die extreme Rechte (zu der Netanyahus Regierung und deren Randbereiche in beide Richtungen gehören) hat schon eine Antwort bei der Hand, die entwickelt worden ist, um die unbestreitbare globale Anerkennung für den Holocaust zu erkämpfen: „die Nichtjuden lieben uns nur, wenn wir tot sind.“ Oder wenn wir territoriale Zugeständnisse machen, was auf das Gleiche hinausläuft.  

Dieses Mal ist es Rogel Alpher von Ha´aretz, der den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Da Peres nicht getrennt vom sogenannten Osloer Friedensprozess gesehen werden kann, behauptet Alpher, und weil das störrische Israel Oslo als einen Fehler betrachtet, um nicht zu sagen „Verbrechen,“ erregte Peres´ prächtiges Begräbnis eineDissonanz: all diese Ehre – für einen furchtbaren politischen Fehler?! Diese wurde ganz einfach aufgelöst : Oslo und Peres wurden hingestellt als die Verkörperung von Israels Sehnsucht nach Frieden. Wir haben alles versucht, sogar unser heroischer Peres, der unermüdliche Optimist, dieser „letzte Riese“ (in den pathetischen Worten von Ari Shavit, dem bombastischen Sprachrohr des israelischen Mainstream), versuchte sein Bestes – aber bezeichnenderweise scheiterte alles, und zwar: wegen der anderen Seite. In Alphers durchdringenden Worten: „Peres bewies in Oslo, dass Frieden unmöglich war, wofür wir dankbar sind. Er verdiente definitiv den Friedensnobelpreis.“ Der Rüffel für die israelischen Palästinenser ist Teil dieses Narrativs, wie er im Argument zum Ausdruck kommt, das ihnen wiederholt entgegengeworfen wird: „wenn Peres für euch nicht gut genug ist, wer schon?“ Die Weigerung der Gemeinsamen Liste, am Begräbnis teilzunehmen, sollte entlang diesen Linien interpretiert werden: als eine Weigerung, das Narrativ mitzutragen, das den Palästinensern die Schuld daran zuweist, dass es keinen Frieden gibt.

 
     
  erschienen am 4. Oktober 2016 auf > Antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Ran HaCohen auf antikrieg.com  
 
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