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  Die Europäische Union und der Krieg gegen Gaza

Yusuf Fernandez

Der jüngste Krieg in Gaza hat ein bezeichnendes Licht auf die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel geworfen. Obwohl der Völkermord in Gaza viele Vertreter der EU vor den Kopf gestossen hat, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Europäische Union das 2004 geschlossene Assoziationsabkommen mit Israel aussetzen wird. 

Gemäß diesem Abkommen wurde Israel zum Partner der Europäischen Union im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) der EU. 

Laut der ENP-Website ist diese Initiative bestrebt, die Beziehungen der EU mit anderen Staaten auf der Basis „der gegenseitigen Anerkennung grundlegender Werte (Demokratie und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsbewusste Regierungsführung, freie Marktwirtschaft und nachhaltige Entwicklung)” zu entwickeln.

Obwohl Israel gegen diese Werte und Prinzipien weiterhin tagtäglich verstösst und das Land ist, das den Rekord für die Nichteinhaltung von UNO-Resolutionen hält, beschloss die EU-Kommission am 8. Dezember in einem Zusatzprotokoll zu dem Abkommen, die Beziehungen zwischen der Union und Israel zu verstärken.

Zum ersten Mal sprachen die Außenminister der EU über eine Einladung Israels zu einem beiderseitigen Gipfel und über die Teilnahme an Einsätzen in Zusammenhang mit seiner Verteidigungspolitik.

Darüber hinaus beschlossen die EU-Minister, den Entwurf eines Aktionsplans zur Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten 2009 zurückzustellen, nachdem Israel das von der EU verlangt hatte.

Die derzeitige tschechische Präsidentschaft der EU ist anscheinend an einer Intensivierung der Beziehungen zwischen der Union und Israel interessiert. Laut Nachrichtenagentur Reuter betonte der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg nach dem Beginn der israelischen Offensive gegen Gaza, Israel habe „das Recht, sich zu verteidigen”. Er musste diese Äußerung allerdings bald darauf widerrufen.

Viele Europäer sind erbost über diese Annäherungsversuche an Israel, das sich aufführt wie seinerzeit Nazideutschland, und wollen nicht, dass ihr Geld für die Fortsetzung von Israels verbrecherischer Politik verwendet wird.  

Israel hat einen mörderischen Schlag gegen den Gazastreifen geführt und vereinnahmt palästinensische Gebiete in Westbank und Ost-Jerusalem (Al-Quds), um seine illegalen Siedlungen auszuweiten. Damit wird die Errichtung eines Palästinenserstaates verhindert, der diesen Namen auch verdient, wodurch jeglichem Friedensprozess der Boden entzogen wird. 

Darüber hinaus hat die israelische Armee fanatischen zionistischen Siedlern geholfen, wehrlose Palästinenser in Al Khalil (Hebron) und anderen Orten zu attackieren. Das hat dazu geführt, dass Israel in weiten Bereichen der öffentlichen Meinung Europas als große Bedrohung des Friedens in der Welt betrachtet wird.

In den jüngsten Protesten gegen den israelischen Völkermord in Gaza haben hunderttausende Europäer die Politik der EU-Führer gegenüber Israel verurteilt.

Mehr als 100.000 Menschen nahmen an einer Demonstration in Paris teil, 200.000 Demonstranten in London verurteilten Israels Verbrechen. Die mitgetragenen Transparente waren eindeutig: der Völkermord, die verbrecherische Blockade, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die von Israel in Gaza begangenen Kriegsverbrechen mussten gestoppt werden.

Die Demonstranten prangerten die Tatsache an, dass viele europäische Führer die Augen vor dem brutalen Völkermord verschlossen haben, der gegen 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen im Gange war, der außerdem von Israel völlig abgeriegelt worden war, um den Bewohnern Gazas Nahrung und Medikamente vorzuenthalten.

Diese Blockade wurde von vielen, einschließlich dem UNO-Botschafter für Menschenrechte in den Palästinensergebieten, mit derjenigen verglichen, der seinerzeit das Warschauer Getto ausgesetzt war. 

Sergio Yahni, der Direktor des Alternativen Informationszentrums AIC in Al Quds bezeichnete das Abkommen zwischen der EU-Kommission und Israel als „Versagen des internationalen Rechtssystems”. In einem telefonischen Interview mit der Agentur Ma´an sagte Yahni, mit diesem Abkommen habe „die europäische Gemeinschaft zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg einen Rückschritt beim Schutz der Menschenrechte gemacht.“

Einige europäische Vertreter reagieren bereits auf diesen öffentlichen Aufschrei und am 11.Dezember beschloss das Europäische Parlament, die Abstimmung über das neue Abkommen zu vertagen. Die Vizepräsidentin des Parlaments Luisa Morgantini sagte, das Parlament werde über das neue Abkommen nicht abstimmen, solange Israel das internationale Recht und die Menschenrechte nicht respektiert.

Morgantini sagte, diese Entscheidung des Parlaments solle „eine klare Botschaft an die israelische Regierung senden, dass ihre brutale Vorgangsweise in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht unbemerkt geblieben sei und dass die Rufe von Palästinensern, Menschenrechtsarbeitern und politischen Aktivisten nicht auf taube Ohren stoßen.“ Sie fügte hinzu, dieses Abstimmungsergebnis sei auch ein Signal an EU-Rat und EU-Kommission, die wahrscheinlich durch diese Entscheidung des Parlaments überrascht worden seien, dass sie auf Israel Druck auszuüben hätten, dass dieses aufhöre, die 1967 besetzten palästinensischen Gebiete zu kolonialisieren. 

Im Vereinigten Königreich warnte das Außenministerium unter öffentlichem Druck britische Bürger, Grundbesitz in illegal errichteten zionistischen Siedlungen in Palästinensergebieten zu erwerben. Vertreter des Außenministeriums sagten, sie würden möglicherweise Maßnahmen gegen Zeitungen ergreifen, die Inserate betreffend Grundstücke in den von Israel besetzten Gebieten veröffentlichten.

Die Siedlungen gelten als illegal entsprechend der Vierten Genfer Konvention, die es einer Besatzungsmacht verbietet, ihre Bürger in besetztem Land anzusiedeln. 

Als Reaktion auf diese Entscheidung forderte Yuval Steinitz, ein möglicher Kandidat für den Posten des israelischen Außenministers - falls die rechtsgerichtete Likud-Partei in den Parlamentswahlen im kommenden Februar gewinnt - das Vereinigte Königreich auf, diese Kampagne einzustellen und bezichtigte das Land des „Antisemitismus”. „Wenn Israel boykottiert wird, sollte man sich fragen, ob da nicht ein vorbehaltloser Antisemitismus dahintersteckt,” sagte er.

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe Louis Michel sagte der belgischen Tageszeitung La Libre Belgique, dass Israel die international geltenden Menschenrechte nicht respektiere. „Die erste Verpflichtung besteht darin, dass eine Besatzungsmacht das Leben der Bewohner erhalten, diese beschützen und für sie sorgen muss. Das ist offenkundig nicht der Fall und das kann ich nicht akzeptieren,“ sagte Michel. 

Michel verurteilte auch den Beschuss einer UNO-Anlage in Gaza durch Israel und forderte eine unabhängige Untersuchung.

Obwohl die Verhandlungen zwischen der EU und dem israelischen Apartheidregime ausgesetzt wurden, befürchten viele Bürger Europas, dass es sich dabei nur um einen „technischen Aufschub“ handelt, wie der Sprecher des israelischen Außenministeriums Yigal Palmor behauptet hat.  

Auch der EU-Botschafter in Israel Ramiro Cibrian-Uzal hat die Möglichkeit von Sanktionen seitens der EU gegen Israel aufgrund des Krieges gegen Gaza heruntergespielt. „Die EU hat nie ernsthaft an Sanktionen gedacht, so weit mir bekannt ist,“ sagte Cibrian-Uzal.

Während in Europa keinerlei Maßnahmen gegen israelische Medien, von denen einige ständig den Völkermord in Gaza verteidigen, gesetzt worden sind, wurde der TV-Kanal der Hamas Al Aqsa binnen weniger als 24 Stunden verboten, nachdem er an das Eutelsat-Netzwerk in Frankreich angeschlossen worden war.  

Besagter Kanal ist allerdings weiterhin über Arab Networks erreichbar. Die Maßnahme war gesetzt worden, nachdem die französischen Betreiber ein Beschwerdeschreiben vom Simon Wiesenthal-Zentrum bekommen hatten.

Einige europäische Führer wie Nicolas Sarkozy und Angela Merkel geben Israel weiterhin ihre bedingungslose Unterstützung, was sie zu Komplizen von dessen Politik macht. Merkel stellte sich ganz hinter die verbrecherischen Angriffe Israels gegen Gaza. Der deutsche Regierungssprecher Thomas Steg sagte, Merkel habe in einem Telefongespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert erklärt, Hamas sei „ausschließlich“ für den Konflikt verantwortlich, eine Lüge, die von einigen anderen europäischen Führern wiederholt worden ist, denen kein Wort über das Leiden der Menschen in Gaza über die Lippen gekommen ist. 

Nach dem Sieg der Hamas in den demokratischen Wahlen 2006 boykottierten die europäischen Führer, dem Beispiel Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika folgend die neue Regierung. Nachdem alle Versuche, die von Hamas gebildete Regierung zu stürzen gescheitert waren, verhängte Israel den Belagerungszustand, indem es die Lieferung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstoff nach Gaza unterband.

Das führte zu einer schwerwiegenden humanitären Krise. Rund 95% der Betriebe in Gaza mussten zusperren und 80% der Menschen waren auf einmal auf internationale Hilfeleistungen angewiesen. Ungeachtet dessen hielt sich Hamas an das Waffenstillstandsabkommen mit Israel, das im Juni 2008 geschlossen worden war.

In der Nacht des 4. November, dem Tag der Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika, feuerte Israel Raketen nach Gaza und verletzte damit den Waffenstillstand. Als nächstes führte Israel in den folgenden sechs Wochen Bombenangriffe im Gazastreifen durch und tötete Dutzende Palästinenser. „Die Eskalation zum Krieg konnte und hätte vermieden werden sollen. Es war Israel, das den Waffenstillstand gebrochen hat, durch den Angriff auf den Tunnel ... vor zwei Monaten,” schrieb die israelische Friedensorganisation Gush Shalom in einer Presseaussendung. „Seit diesem Zeitpunkt schürte die Armee immer weiter das Feuer der Eskalation mit kalkulierten Angriffen und Tötungen.“ 

Am 23. Januar beorderte der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine Fregatte in die Gewässer vor Gaza, um „den Waffenschmuggel nach Gaza zu bekämpfen.“ Ein Helikopterträger könnte bald folgen. 

Auch die Regierungen des Vereinigten Königreichs und Deutschlands erklärten, sie könnten sich an Operationen gegen den Schmuggel beteiligen. Es ist erwähnenswert, dass diese Operationen „in voller Zusammenarbeit” mit Israel ausgeführt werden sollten. Dadurch stellen sich diese Regierungen ganz klar an die Seite Israels und dessen Bestreben, die Hamas völlig zu entwaffnen, ein Ziel, das Israel während des Krieges nicht erreichen konnte.

Sarkozy, der vor kurzem gesagt hatte, er würde dem iranischen Ministerpräsidenten Mahmoud Ahmadinejad wegen dessen öffentlicher Kritik am zionistischen Regime nicht die Hand geben, hatte keinerlei Probleme, die Hände offenkundiger Kriegsverbrecher wie des israelischen Premierministers Ehud Olmert oder dessen Außenministerin Tzipi Livni zu schütteln. 

Die einseitig pro-israelische Politik einiger europäischer Länder beinhaltet das Risiko, die großen muslimischen Minderheiten in Europa vor den Kopf zu stossen und sie zu radikalisieren, sowie die Beziehungen zu den arabischen Nachbarn im Süden aufs Spiel zu setzen, die sich alle mit dem Leiden der Menschen in Gaza identifizieren.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Entscheidung der EU, ihre Beziehungen zu Israel aufzuwerten ungeachtet dessen brutaler Unterdrückung der Palästinenser und der schweren Verstöße gegen Menschrechte und Bürgerrechte dieser Menschen eine Beleidigung der Araber und Moslems auf der ganzen Welt darstellt.

Diese europäische Haltung gegenüber Israel entspricht nicht den Interessen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Darüber hinaus widerspricht sie den Werten, die die Europäische Union zu verteidigen und zu fördern behauptet. In einer Zeit, in der sich der ökonomische und politische Schwerpunkt dr Erde in Richtung Asien zu verschieben beginnt, wird eine Politik, die Israel unterstützt und die arabischen und muslimischen Massen ignoriert, mit Sicherheit weitreichende negative Auswirkungen auf langfristige europäische Interessen haben.

Darüber hinaus bedeutet die europäische Entscheidung, die Beziehungen zum israelischen Apartheidregime aufzuwerten, eine Belohnung für die israelische Politik des Völkermords, einen Verrat an den zentralen Werten, auf denen die Europäische Union errichtet worden ist und den weiteren Abbau des internationalen Rechtssystems, das aufgebaut worden ist, um eine Wiederholung der Verbrechen zu verhindern, die im Zweiten Weltkrieg in europäischen Ländern begangen worden sind: Massaker, Vertreibungen und ethnische Säuberungen. 

 
     
  erschienen auf PRESS TV am 26.1.2009 > http://www.presstv.com/detail.aspx?id=83760&sectionid=3510303  
     
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