HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
  Christliche Unterstützung für das Töten von Irakern

Jacob G. Hornberger

In Zusammenhang mit dem Irakkrieg konnte ich unter anderem nie verstehen, wie amerikanische Christen diesen Krieg mit gutem Gewissen unterstützen konnten. Kein Mensch kann bestreiten, dass weder der Irak noch die Menschen im Irak jemals die Vereinigten Staaten von Amerika angegriffen haben. Das macht die Vereinigten Staaten von Amerika zum Aggressor – zum Angreifer – in diesem Konflikt. Wie können nun amerikanische Christen das Töten von Irakern in einem solchen Angriffskrieg unterstützen? Wie können sie das mit Gottes heiligem Gebot „Du sollst nicht töten“ unter einen Hut bringen?  

Es mag sein, dass Amerikaner den Irakkrieg zu Beginn als Verteidigungskrieg sahen. Ihrem Präsidenten und Vizepräsidenten vertrauend kamen sie zu dem Schluss, dass der Irak gerade dabei war, Massenvernichtungswaffen gegen amerikanische Städte loszulassen. Sie folgerten daraus, die Vereinigten Staaten von Amerika hätten das Recht, sich selbst gegen diese drohende Gefahr zu verteidigen, gerade wie ein Mensch das moralische Recht hat, gegen jemanden, der ihn ermorden will, zum Schutz des eigenen Lebens tödliche Gewalt anzuwenden. 

Aber als dann keinerlei Massenvernichtungswaffen auftauchten, sah es nicht so aus, als regte sich auf Seiten der amerikanischen Christen Bedauern oder Reue wegen all der Iraker, die im Lauf der Invasion getötet worden waren. Das wurde gerade einmal als Fehler hingestellt, der unabsichtlich passiert sei. Es wurde auch kaum die Forderung nach einer formellen Untersuchung erhoben, ob Präsident und Vizepräsident die Amerikaner durch betrügerische Übertreibungen einer Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen absichtlich zu einer Unterstützung des Krieges verleitet haben. 

Nachdem weit und breit keine Massenvernichtungswaffen zu finden waren, hatten die amerikanischen Christen eine Wahlmöglichkeit: sie hätten den sofortigen Rückzug aller Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika verlangen können. Statt dessen taten sie das genaue Gegenteil. Sie unterstützten die weitere Besetzung des Irak, in vollem Bewusstsein der Tatsache, dass die US-Truppen weiterhin Iraker töten mussten, um die Besetzung zu verfestigen. 

Zu diesem Zeitpunkt begannen die Christen, die neue Begründung für das Töten von Irakern zu unterstützen: jeder Iraker, der sich der Invasion und Besetzung durch die Vereinigten Staaten von Amerika widersetzte, war ein Terrorist und konnte daher getötet werden. Nachdem Terroristen böse Menschen sind, hieß es, war es in Ordnung, das Töten von Irakern gutzuheißen, die der Invasion und Besetzung ihres Landes Widerstand entgegensetzten. 

Kaum ein Christ hat sich die wichtigen Gewissensfragen gestellt: Warum hatten die Iraker nicht die moralische Berechtigung, sich der Invasion und Besetzung ihres Landes zu widersetzen, zumal diese Invasion und Besetzung aufgrund falscher Angaben (die Drohung mit Waffen der Massenvernichtung) durchgeführt worden sind? Wie kam es dazu, dass sie durch ihren Widerstand zu Terroristen wurden? Warum hatten Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika die moralische und religiöse Berechtigung, Menschen zu töten, die ihr Land gegen Invasion und Besetzung verteidigten? 

Statt dessen blieben die Menschen in den christlichen Kirchen des ganzen Landes einfach dabei, „die Truppen zu unterstützen“. Ich habe den Verdacht, dass das ziemlich viel zu tun hat mit der Einstellung, die in öffentlichen Schulen des ganzen Landes eingeprägt wird – dass im Krieg „unser Team“ gegen „ihr Team“ steht, und dass Amerikaner die moralische Pflicht haben, „unser Team“ ohne Rücksicht auf die Tatsachen zu unterstützen.

Eine der faszinierendsten Begründungen für die Unterstützung des Tötens von Irakern, auf die amerikanische Christen sich eingelassen haben, ist das mathematische Argument. Das geht so: Saddam Hussein hätte eine größere Zahl von Irakern getötet als die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Zuge von Invasion und Besetzung getötet hat. Aus diesem Grund ist es in Ordnung, Invasion und Besetzung zu unterstützen, in deren Verlauf zahllose Iraker getötet worden sind.  

Aber sieht die christliche Lehre wirklich vor, dass Gott für das Tötungsverbot mathematische Ausnahmen gestattet? Wie würde man wohl mit derlei Argumentationen hierzulande umgehen?

Nehmen wir an, dass im Bereich Washington zwei Heckenschützen ihr Unwesen treiben und willkürlich Menschen töten. Nehmen wir an, sie töten durchschnittlich fünf Menschen pro Monat. Das würde bedeuten, dass sie am Jahresende 60 Menschen getötet haben.

Eines Tages erfährt die Polizei, dass sich die beiden Heckenschützen in einer Autobahnraststätte aufhalten. Dort halten sich auch 25 weitere Menschen auf, alles Amerikaner, Männer, Frauen und Kinder, alle unschuldig.

Das Penrtagon bietet an, eine Bombe abzuwerfen, die den beiden Heckenschützen endgültig den Garaus macht. Das Problem dabei wäre nur, dass es die 25 weiteren Menschen auch erwischen würde.

Wäre es gemäß den christlichen Richtlinien in Ordnung, die Bombe abzuwerfen? Ich hoffe doch, dass die meisten Christen dazu Nein! sagen würden!  Als Christen dürfen wir nicht einfach unschuldige Menschen töten, nicht einmal, wenn dabei auch die Welt von den beiden Heckenschützen befreit wird. Wenn wir die Heckenschützen nur durch den Abwurf der Bombe erwischen könnten, dann müssten wir sie schlicht und einfach laufen lassen. Gott gibt uns keine mathematische Ausnahmegenehmigung für das Töten unschuldiger Menschen.

Aber haben nicht Christen gerade diese Art von mathematischer Argumentation benützt, um ihre Unterstützung für das Töten von Irakern zu rechtfertigen? Wo ist da der Unterschied?

Bei ihrer blinden Unterstützung von “unserem Team” und “die Truppen unterstützen” in Irak scheinen die amerikanischen Christen einen wichtigen Punkt im Verhältnis zwischen Regierung und Gott vergessen zu haben: Wenn die Gesetze oder Taten der eigenen Regierung den Gesetzen Gottes widersprechen, gibt es für Christen nur einen richtigen Weg – die Gesetze der Menschen links liegen zu lassen und den Gesetzen Gottes zu folgen.

   
     
  Jacob Hornberger ist Gründer und Präsident der Future of Freedom Foundation (Zukunft der Freiheit – Stiftung).  
  erschienen am 06.02.2009 > http://www.fff.org/blog/index.asp     
     
  <<< Inhalt