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  Beunruhigt über Apartheid? Zu spät, Herr Olmert, die haben wir schon

Tony Karon

In einer ihrer letzten Amtshandlungen als Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika ließ Condoleezza Rice Nelson Mandelas Namen von der Liste der Terroristen streichen. Viele Amerikaner waren schockiert, als sie hörten, dass ihr liebster ehemaliger politischer Gefangener als Terrorist betrachtet worden war. Das deshalb, weil sie vergessen hatten, oder zu jung waren, um zu wissen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika unter Ronald Reagan - wie das Vereinigte Königreich unter Margaret Thatcher - das Apartheidregime in Südafrika als Verbündeten im Kalten Krieg unterstützt haben. 

Die Isolation Südafrikas durch Sanktionen und Handelsboykotte lag sicher nicht im Interesse Frau Thatchers oder Herrn Reagans, aber ihren Regierungen blieb nichts anderes übrig, als so zu handeln, nachdem sich ihre eigenen Wähler über die Leiden empört hatten, die die Apartheid mit sich brachte. Die internationale Bewegung gegen die Apartheid begann an der Basis in religiösen, gemeinwesenorientierten und Arbeitergruppierungen, wuchs aber zu einer Stärke heran, die Regierungen zwang, sich von einem Regime zu distanzieren, mit dem sie gute Beziehungen unterhalten hatten. Und das ist die Lektion, die die Führer Israels in Schrecken versetzt.

Seit dem Gaza-Konflikt haben sich israelische Regierungsvertreter offen über ihren steigenden Eindruck von Isolation geäußert. Trotz ihrer eifrigsten PR-Anstrengungen machten die 1.417 von ihnen in Gaza getöteten Palästinenser (im Vergleich dazu 13 Israelis, vier davon durch Beschuss durch eigene Truppen) es ihnen schwer, die Idee zu verkaufen, Israel sei das Opfer in diesem Konflikt gewesen. Diese Geschichte passte nicht zu den Bildern und Berichten aus Gaza. Die Menschen sind halt schwer davon zu überzeugen, dass die mit den F-16, den Apache Helikoptern und den Panzern der kleine David, während die mit den Revolvern, Mörsern und einer Handvoll improvisierter ungelenkter Raketen eigentlich Goliath sind.  

Verwöhnt durch ihre eigene Version der Geschichte, der gemäß sie immer die Opfer sind, sind es die Israelis nicht gewöhnt, selbst der internationalen moralischen Schande ausgesetzt zu sein. Und sie sehen darin eine tödliche Drohung.

Die vor kurzem abgehaltene Geberkonferenz für Gaza in Sharm el Sheik war die übliche Pflichtübung von Nationen, die große Geldbeträge versprachen, während sie sich an die von Israel aufgestellten Tabus hielten, die effektiv den Wiederaufbau blockieren. Diese stand in deutlichem Gegensatz zu dem Hilfskonvoi unter Führung des britischen parlamentarischen Außenseiters George Galloway, der zwei Wochen davor in Gaza angekommen war, mit rund 100 LKWs und Rettungsfahrzeugen, beladen mit medizinischen und humanitären Hilfsgütern, die gestiftet und gesammelt worden waren im Basisbereich von Kirchen, Moscheen, Gewerkschaften und Gemeinwesengruppen in ganz Großbritannien. 

Sicher, die Menge der gelieferten Hilfsgüter war ein kleiner Teil gemessen an den Bedürfnissen, aber diese Geste zeigte, dass hunderttausende normaler Briten nicht länger die unklare Haltung ihrer Regierung gegenüber dem Schicksal der Palästinenser akzeptierten. Genau so entstand auch die internationale Anti-Apartheid-Bewegung, in einer Zeit, in der die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs bestens mit Pretoria zusammengearbeitet haben und Mandela ein Terrorist war.

In einem bemerkenswerten Interview im letzten November warnte der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert davor, dass Israel, wenn es nicht bald eine Zwei-Staaten-Lösung erziele, "einem Kampf für gleiche Wählerrechte im Stil Südafrikas ausgesetzt sein werde, und sobald das der Fall sei, es mit dem Staat Israel vorbei sein werde." Der Grund dafür, sagte er, werde die internationale Isolation Israels sein. "Die jüdischen Organisationen, die die Basis unserer Macht in Amerika bilden, werden als erste gegen uns losgehen und sagen, sie könnten nicht einen Staat unterstützen, der nicht die Demokratie unterstützt und gleiches Wahlrecht für alle seine Bürger."  

Jüdische Gemeinden in den westlichen Ländern waren lange Israels Trumpfkarte gegen internationalen Druck, weil sie Unterstützung für Israel mobilisieren und Kritik in Schranken halten, indem sie die Opposition gegen die israelische Politik als motiviert durch eine feindselige Einstellung gegenüber Juden hinstellen - eine giftige Anschuldigung in einer Welt, die noch immer empfindlich auf den Schrecken des Holocaust reagiert. Im Gaza-Konflikt wurde jedoch augenscheinlich die nachlassende Begeisterung junger jüdischer Menschen für den israelischen Militarismus und die wachsende Bereitschaft vieler, sich offen gegen Israel zu stellen.

Dieser Wechsel manifestiert sich in John Stewart, dem jüdisch-amerikanischen Komiker, dessen tägliche TV-Show die wichtigste Plattform zeitgenössischer amerikanischer Satire bildet. Erbarmungslos verspottete Stewart die amerikanischen Politiker wegen ihres sklavischen Nachbetens der israelischen Linie während des Gaza-Konflikts. "Es ist wie beim Moebius-Band," höhnte er. "Da gibt es nur eine Seite!" Es ist klar, dass die jüngere, aufgeschlossenere, liberale jüdische Mehrheit, wie sie Stewart repräsentiert, Israel nach seinen Taten beurteilt, statt moralisch blinde ethnische Solidaridät zu bekunden.

Gerade während israelische Regierungsvertreter letzte Woche zugaben, sie hofften, Israels Image im Ausland wieder "zurechtrücken" zu können, berichteten israelische Medien, dass sechs israelische Soldaten, die in Gaza gekämpft hatten behaupteten, Männer in ihren Einheiten hätten rücksichtslos palästinensische Zivilisten getötet, aufgrund der, wie sie sagten, freizügigen Kampfregeln. Da kann man nur sagen, dass das "Zurechtrücken" nicht bei der Verpackung, sondern beim Inhalt ansetzen muss, der die Wurzel des Problems bildet.

Und hier wird die Apartheid-Warnung des Herrn Olmert und anderer israelischer Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung zum ungewollten Eingeständnis. Kein demografisches Ereignis wird Israel in den Bereich der Apartheid bringen, da Apartheid nicht eine quantitative, sondern eine qualitative Angelegenheit ist: sie kennzeichnet eine Situation, in der einer ganzen Kategorie von Menschen die Bürgerrechte von dem Staat verweigert werden, der über sie regiert. Die südafrikanische Apartheid wäre für die Welt nicht akzeptabler gewesen, hätten die schwarzen Menschen 45 statt 80% der Bevölkerung ausgemacht. Und seit 1967 lebt die Bevölkerung von West Bank und Gaza unter der Kontrolle eines Staates, der ihnen die Bürgerrechte verweigert.

Herr Olmert und andere sagen in Wirklichkeit, ohne es zu realisieren, dass Israel sich bereits in einer Apartheid-Situation befindet - und dass, wenn es diese Situation nicht bald beendet, die Welt das erkennen und entsprechend reagieren wird.

 
     
  erschienen am 22.3.2009 in "The National" > http://thenational.ae/article/20090322/OPINION/714980252/1001      
     
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