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  Angst vor den Supermännern in Guantanamo

Bernd Debusmann

Die Amerikaner müssen sich fürchten, sehr fürchten. Wenn es nach Präsident Obama geht, wird das Land bald in höchstem Ausmaß durch terroristische Attacken gefährdet sein, die von muslimischen Männern in Hochsicherheitsgefängnissen koordiniert werden, aus denen noch nie jemand entkommen ist.
Diese Gefangenen verfügen über übermenschliche Kraft und Schlauheit. Sogar in Einzelhaft könnten sie Mithäftlinge zur Sache der al Qaeda bekehren und Aufstände anzetteln. Sie könnten Erfolg haben, wo die schlimmsten der schlimmsten amerikanischen Kriminellen versagt haben – ausbrechen und verschwinden und in der Gesellschaft untertauchen. Was dann kommt wissen wir – ein Atompilz.

Derartige Szenen kommen einem in den Sinn, wenn man die Debatte über Obamas Plan verfolgt, das berüchtigte Anhaltezentrum in Guantánamo Bay, dem Marinestützpunkt der Vereinigten Staaten von Amerika an der Ostküste Kubas zu schließen und einige der Gefangenen in Gefängnisse in den Vereinigten Staaten zu verlegen.

Das hat Unmutsäußerungen von der politischen Rechten und von Obamas Demokraten im Kongress hervorgerufen, wobei diese Debatte durchaus surreale Züge trägt. Phrasen wie „gefährliche Terroristen in unsere Wohnviertel entlassen“ und „Neuansiedlung von Terroristen in amerikanische Gemeinwesen“ vermitteln den Eindruck, dass die Gefangenen von Guantánamo durch die Straßen wandern und Sandalen und Schießeisen kaufen werden.

Laut dem ehemaligen Vizepräsindenten Dick Cheney würde „die schlimmsten der schlimmsten Terroristen in die Vereinigten Staaten von Amerika zu bringen Anlass für große Gefahr und Bedauern in den kommenden Jahren sein.“ „Wir müssen sicher stellen, dass die Straßen und Wohngebiete nicht glauben, dass sie zum Verwahrungsort für Gefangene aus Guantánamo werden sollen,“ warnte Barbara Mikulski, eine Senatorin der Demokraten.

Eine Gruppe von republikanischen Kongressabgeordneten brachten Angang Mai einen Entwurf für die „Fernhaltung von Terroristen aus Amerika“ ein. Amerika bedeutet in diesem Zusammenhang amerikanische Gefängnisse.

Es entbehrt nicht der Ironie, wenn Politiker in den Vereinigten Staaten von Amerika, die mehr Menschen einsperren als irgendein anderes Land, zugeben, dass sie so wenig Vertreuen in ein System haben, dessen Betrieb Milliarden verschlingt und unter anderem „Supermax“-Einrichtungen beinhaltet, in denen gefährliche Insassen bis auf vier Stunden pro Woche die ganze Zeit in ihrer Zelle eingesperrt sind. 

Wenn diese Ängste mehr sind als nur ein politischen Theater, sind sie dann gerechtfertigt oder bilden sie im Bereich Sicherheit das Äquivalent zu anderen Massenpsychosen, zum Beispiel zu dem irrationalen Glauben, dass die Immobilienpreise immer steigen werden? „Was Fluchten betrifft, sind U.S.-Gefängnisse extrem sicher,“ sagt Alan Elsner, ein Reuter-Korrespondent und Autor von „Gates of Injustice“ („Die Pforten der Ungerechtigkeit“), einem Buch über das amerikanische Gefängnissystem. „Die Ängste, die in diesem Zusammenhang angesprochen werden, beruhen zur Gänze auf Emotionen.“

OBAMA AUS DEM KONZEPT GEBRACHT

Und Mangel an rationaler Reflexion. Nicht zu vergessen eine großzügig bemessene Dosis NIMBY („not in my back yard“ – nicht in meinem Hinterhof)–Politik und Fehler Obamas in dieser heiklen Angelegenheit, der es versäumte zu erklären, wohin die 240 in Guantánamo Gefangenen gehen werden, wenn das Gefängnis wie geplant im kommenden Januar geschlossen wird.  

Seine demokratischen Parteifreunde stimmten gemeinsam mit den Republikanern im Senat 90 zu 6 gegen die Bewilligung von US$ 80 Millionen, die für die Schließung erforderlich sind.

Kaum bemerkt im Tumult: in den Bundes-Hochsicherheitsgefängnissen in Colorado und Indiana, in die Gefangene aus Guantánamo wahrscheinlich verlegt würden, sitzen bereits verurteilte Terroristen, die al Qaeda zugeordnet werden, einschließlich Zacarias Moussaoui, schuldig befunden der Mitwirkung bei den Attacken vom 11. September 2001 auf die Twin Towers in Manhattan und das Pentagon, und Ramzi Yousef, der den ersten Anschlag gegen das World Trade Center verübte.

Auf wie viele der noch immer in Guantánamo Festgehaltenen die Bezeichnung „die Schlimmsten der Schlimmsten“ zutrifft, kann sich jeder selbst denken. Nach dem Einmarsch der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan fing die Armee 779 verdächtige „feindliche Kämpfer“ und verlieferte sie nach Guantánamo. Über 500 wurden ohne Anklage entlassen. 

Nur drei Strafverfahren wurden abgewickelt im Rahmen des viel kritisierten von Präsident George W. Bush autorisierten Systems der Militärtribunale, in denen Verfahren gegen des Terrorismus Verdächtigte außerhalb regulärer ziviler oder militärischen Gerichte abgewickelt werden. Ein Angeklagter bekannte sich schuldig, einer wurde in einem fragwürdigen Prozess verurteilt und einer, der auf jede Verteidigung verzichtete. 

Wo und wann es Verfahren gegen den Rest der Gefangenen geben wird ist unklar. Klar ist, dass Obama sich sehr bemühen wird, sein Versprechen von seinem ersten Tag im Amt einzuhalten, Guantánamo zu schließen, dessen Existenz wie er sagte, „mehr Terroristen rund um die Erde hervorbrachte als es je beinhaltete.“ 

Unerschütterliche Anhänger der republikanischen Partei, einer Organisation in tiefer Verwirrung und auf der Suche nach einem Thema, mit dem sie in der Stimmung von Furcht und Fremdenangst punkten könnte, sehen das anders.

„Meiner Meinung nach steckt hinter dieser Sache eher ein Streben nach Anerkennung in Europa als die Fortsetzung einer Politik, die Amerika nach dem 9/11 nachweislich sicher gemacht hat,“ sagte Mitch McConnell, Führer der republikanischen Minderheit im Kongress. Cheney spann diesen Gedanken fort in einer scharf kritisch gegen Obama gerichteten Rede: „Die Regierung hat herausgefunden, dass es leicht ist, in Europa Applaus für die Schließung von Guantánamo zu bekommen.“

„Aber es ist sehr schwierig, eine Alternative zu entwickeln, die gleichermaßen den Interessen der Justiz und Amerikas nationaler Sicherheit dient.”

Ja, ja, es sind diese Europäer, denen Obama gefallen will. Eingefrorene Töne aus der Zeit, in der Bush und Cheney auf dem hohen Ross ritten und French Fries zu Freedom Fries wurden. 

   
     
  erschienen am 28.05.2009 bei REUTERS > http://blogs.reuters.com/great-debate/2009/05/28/fearing-the-supermen-of-guantanamo/  
     
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