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  Zwei Marionetten sind nicht besser als eine

Eric S. Margolis 

Weiter geht das politische Theater im vom Krieg verwüsteten Afghanistan. Die letzten Wahlen im August waren so offenkundig manipuliert, dass Washington seinem afghanischen Klienten Hamid Karzai die Pistole ansetzte und ihn zwang, die Demütigung der Abhaltung einer Stichwahl gegen seinen Rivalen Abdullah Abdullah im November auf sich zu nehmen.

Wie Henry Kissinger einmal bemerkte, ist es manchmal gefährlicher, Amerikas Verbündeter zu sein als sein Feind.

Der arme Hamid Karzai, der nette ehemalige Unternehmensberater und ‚Aktivposten’ der CIA, der von Washington zum Präsidenten Afghanistans bestellt worden war, ist ein weiteres trauriges Beispiel dafür. Nachdem die Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan immer mehr Tritte in den Hintern bekommen, schieben sie die Schuld für ihre Leiden und Stümperhaftigkeit auf den machtlosen Karzai.  

Man hört fast den Tadel aus Washington: „Schlechte Marionette! Schlechte Marionette!“

Der als „Bürgermeister von Kabul” verspottete Karzai verfügt über keine richtige Armee oder Polizei. Wären nicht die westlichen Truppen, die ihn beschützen, würde er innerhalb weniger Tage aus seinem Amt gejagt. Er wird sogar von Leibwächtern umgeben, die von den Vereinigten Staaten von Amerika kontrolliert werden. Er bleibt ein Aushängeschild, hinter dem die wirkliche Macht von der tadschikisch / usbekisch / kommunistischen Nordallianz und einer Kamarilla von regionalen Kriegsherren und Drogenhändlern ausgeübt wird.   

Der Untersuchungsausschuss des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika hat gerade enthüllt, dass die Stationierung eines U.S.-Soldaten in Afghanistan eine atemberaubende Million $ pro Jahr kostet. Dazu kommen die Mammutkosten für die 24/7 (= rund um die Uhr, d.Ü.) Unterstützung durch Luftwaffe und Marine, Schmiergelder an afghanische und pakistanische Politiker, Materialabnützung und den Bau von Militärbasen.  

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wollte den glücklosen Karzai fallen lassen, konnte aber keinen gleich unterwürfigen, aber wirkungsvolleren Ersatz finden. In Washington wurde bereits davon geredet, ihm einen „geschäftsführenden Beamten“ aufs Auge zu drücken. Oder, wie der im Wörterbuch der alten britischen Kolonialherrschaft heißt, einen Vizekönig. Dazu kann es immer noch kommen.

Washingtons letzte Bemühung, Karzais Regime abzustützen und ihm ein bisschen Legitimität zu verleihen war die nationale Wahl im August. Die UNO, die immer mehr zu einem Ausleger der Außenpolitik der Vereingten Staaten von Amerika geworden ist, wurde ins Spiel gebracht, um die Wahl koscher zu machen.

Politische Parteien wurden nicht zur Wahl zugelassen. Nur Individuen, die die Okkupation Afghanistans durch den Westen befürworteten, durften sich der Wahl stellen. Die Wahl wurde durchgeführt unter den Gewehren einer fremden Okkupationsarmee – ein eindeutiger Verstoß gegen Internationales Recht. Die Vereinigten Staaten von Amerika bezahlten die Wahlkommission und bewachten die Wahllokale aus diskreter Entfernung. 

Die Medien der Vereinigten Staaten von Amerika ignorierten diese Tatsache und posaunten die Linie der Regierung zu diesen Wahlen hinaus.

Die New York Times, glühende Verfechterin des Kriegs gegen Afghanistan, schwärmte über die Wahlen. Aber auch während den von den Vereinigten Staaten von Amerika 1967 veranstalteten Wahlen in Südvietnam schwärmte die New York Times: „83% der Wähler gaben ihre Stimme ab ... in einer bemerkenswert erfolgreichen Wahl ... der Schlussstein für Präsident Johnsons Politik, die Entwicklung des verfassungsmäßigen Prozesses in Vietnam zu fördern.“ 

Wie ich bereits vor den Wahlen im August 2009 vorhergesagt habe, war alles ein großer Betrug im Rahmen des noch größeren Betrugs, der die Wähler in Amerika, Kanada und Europa glauben machen sollte, die Demokratie in Afghanistan sei erblüht. Zynische Afghanen wussten, dass die Wahl gefälscht würde. Die meisten Paschtunen, die größte ethnische Gruppe des Landes, gingen überhaupt nicht zur Wahl, teils aus Verachtung für das vom Westen eingesetzte Karzai-Regime, teils aufgrund von Drohungen der Taliban, die die Wahl als einen verräterischen Akt verurteilten.

Die „Wahlen“ stellten sich als äußerst beschämendes Fiasko für Karzai und seine westlichen Hintermänner heraus. Die Sowjets waren viel geschickter, als sie afghanische Wahlen in den zehn Jahren ihrer Okkupation fälschten.

Niemand war überrascht, als Karzai gewann. Aber seine Unterstützer übertrieben die Sache, als sie Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln vollstopften, um einer mögliche Stichwahl mit dem rivalisierenden Dr. Abdullah Abdullah vorzubeugen, einem weiteren Aliierten der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Lager von Karzai und Abdullah, alles Leute Washingtons, lagen in erbittertem Streit über die Aufteilung von Hilfsgeldern der Vereinigten Staaten von Amerika und Drogengeldern, die Afghanistan total korrumpiert haben.

Die Wahlen kamen in Misskredit, wodurch auch die Pläne der Regierung Obama durchkreuzt wurden, die Wahl als Rechtfertigung für die Entsendung weiterer Truppen nach Afghanistan zu verwenden. Der neue Plan B des Weißen Hauses sieht vor, seine beiden streitenden „Aktivposten“ Karzai und Abdullah in eine Koalition oder in eine „Einheitsregierung“ zu zwingen. 

Zwei Marionetten sind allerdings nicht effektiver als eine – vielleicht sogar weniger effektiv.

In Afghanistan stehen Volkszugehörigkeit und Stammeszugehörigkeit über allem. Karzai ist Paschtune, ist aber kaum in der Stammespolitik verankert. Die meisten Paschtunen betrachten ihn als Quisling und Verräter.

Der freundliche Abdullah, der ebenfalls in der Tasche Washingtons steckt, ist halb Paschtune, halb Tadschike. Er wird aber als Tadschike betrachtet, der für seine Volksgruppe spricht, die die Mehrheitsgruppe der Paschtunen verachtet und hasst. Die Tadschiken werden Abdullah wählen, die Paschtunen nicht. Wenn es die Vereinigten Staaten von Amerika schaffen, Abdullah in eine Koalition mit Karzai zu zwingen, werden die Paschtunen – 55% der Bevölkerung – das neue Regime nicht unterstützen, das für viele Afghanen aus westlichen Jasagern besteht und von Tadschiken dominiert wird. Dadurch wird die von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützte Regierung sogar instabiler und noch isolierter. 

Dr. Abdullah hat auch einige sehr zwielichtige Freunde im Norden: die ehemaligen hohen Tiere der afghanischen kommunistischen Partei Mohammed Fahim und den usbekischen Kriegsherrn Rashid Dostam – beide größere Kriegsverbrecher. Hinter ihnen stehen die tadschikische Nordallianz und die wieder auferstandene afghanische kommunistische Partei, beide finanziert von Russland und unterstützt von Iran und Indien.

Ironischerweise sind die Vereinigten Staaten von Amerika jetzt eng verbündet mit den afghanischen Kommunisten und bekämpfen ihre ehemaligen paschtunischen Verbündeten im antisowjetischen Kampf der 1980er Jahre. Die meisten Nordamerikaner haben keine Ahnung, dass sie jetzt afghanische Kommunisten und die Männer unterstützen, die den Großteil des blühenden afghanischen Drogenhandels beherrschen.

Wenn Hamid Karzai wirklich zu einem authentischen nationalen Führer werden will, sollte er fordern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und die NATO ihre Okkupationstruppen abziehen und die Afghanen ihre Probleme auf ihre traditionelle Weise lösen lassen.

 
     
  erschienen am 26. Oktober 2009 auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/two-puppets-are-not-better-than-one.aspx  
     
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