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  Wieder einmal marschieren wir in einen Krieg, den wir nicht gewinnen können

Joe Galloway

Nasser Schnee liegt auf dem Friedhof der Militärakademie, hoch genug, um mich von meinem jährlichen Besuch der langen traurigen Reihe von Grabsteinen der Absolventen abzuhalten, die in Vietnam gestorben sind.

Sie liegen in einer Reihe entlang des Zauns an der Rückseite, diese jungen Männer der Jahrgänge 1963, 1964, 1965, 1966, 1967 und so weiter und so weiter. Sie waren Leutnants und Captains und auch ein paar Majore sind dabei. Sie erfüllten ihre Pflicht. Sie gehorchten den Befehlen von Kennedy oder Johnson oder Nixon oder auch Gerald Ford.

Sie kämpften und starben für Pflicht, Ehre und Vaterland, wie so viele andere in der langen grauen Reihe, die hier liegen oder in Arlington oder in anderen Nationalfriedhöfen in diesem Land.

Schon die Anzahl ihrer marmornen Gedenksteine an diesem Zaun an der Rückseite, die Länge dieser Reihe, die zu besuchen und zu bedenken ist, treibt mir immer wieder Tränen in die Augen – heiße bittere Tränen über das Opfer, das sie so willig für einen so falschen Krieg gebracht haben, so nutzlos.

Letzte Woche kam ein neuer Präsident, Nummer 44, nach West Point und gab vor der Kulisse der 4.000 Kadetten dieser Anstalt bekannt, dass er den Krieg in Afghanistan ausweiten und zusätzliche 30.000 amerikanische Soldaten zu den fast 70.000, die schon dort sind, entsenden werde.

Dann düste er fort, um den Friedensnobelpreis in Empfang zu nehmen. Gott sei uns gnädig. Ich würde mich für ihn und für uns schämen, wäre da nicht der Präzedenzfall. Ein Friedenspreis für einen Führer, der einen Krieg ausgeweitet hat? Ach ja, erinnern Sie sich? Sie haben den gleichen Preis auch Henry Kissinger verliehen, einem Führer, der so friedlich war, dass er die Verantwortung für das Abschlachten von 2 oder 3 oder vielleicht 4 Millionen Menschen in Kambodscha und Vietnam und Laos trägt.

Der neue Präsident versprach, dass wir nach 18 Monaten beginnen würden, diese zusätzlichen Truppen wieder abzuziehen. Vielleicht. Oder, hört man auf die Äußerungen seiner zivilen und militärischen Berater, vielleicht auch nicht. Eher nicht. Zwischendurch sagt der Präsident von Afghanistan Hamid Karzai, dass seine Armee unser Geld, Waffen und Unterstützung bis 2026 oder so ungefähr brauchen wird.

So wird der Krieg, der 2003 geendet haben sollte, immer weiter wachsen, immer tödlicher und teurer werden, angesichts des nahenden Jahres 2010. 

Wieder einmal finden wir uns, wie wir uns in den Treibsand eines Krieges am falschen Ort hineinarbeiten, gegen den falschen Feind, mit den falschen Einheimischen als unseren vermeintlichen Verbündeten und ohne jede Hoffnung, zu definieren, was Sieg an einem solchen Ort überhaupt sein sollte, geschweige denn, einen solchen Sieg zu erreichen.

Das ist es, was geschieht, wenn ein Politiker auf einen Kompromiss hin arbeitet, anstatt eine richtige Entscheidung zu treffen. Er kann drei Monate lang daran herumkauen und jedes mögliche Argument dafür und dagegen anhören, aber letztlich wird er das Baby in der Mitte auseinanderschneiden und das als Kompromiss bezeichnen.

Der bereits acht Jahre dauernde Krieg wird also ohne Ende weiter gehen und die Zahl der neuen marmornen Gedenksteine auf dem Friedhof von West Point wird wachsen. Wir haben die Saat des Krieges gesät und werden eine Ernte von Grabsteinen und Trauer einfahren.

Der neue Präsident hat West Point zu Recht als den Ort für seine Rede gewählt. Es wäre allerdings besser gewesen, er hätte diese auf dem Friedhof gehalten statt in der Eisenhower-Halle.

Gerade wie Lyndon B. Johnsons Entscheidung, den Vietnam-Krieg zu eskalieren und zu amerikanisieren seine Präsidentschaft verschandelte und letztlich zu Fall brachte, so werden auch Afghanistan und dieser andere Krieg, den er geerbt hat, die Präsidentschaft von Barack Obama verschandeln.

Als Obama ankam, lasteten so viele Hoffnungen auf Erneuerung und Reformen auf seinen Schultern. Ein hohes Ausmaß von moralischer Tapferkeit wäre jedoch erforderlich gewesen, um diesen Hoffnungen und all diesen Versprechungen gerecht zu werden, und gerade diese eine Eigenschaft – moralische Tapferkeit – scheint diesem Präsidenten seltsamerweise zu fehlen.  

Auf dem Weg zum Friedhof von West Point, auf dem Weg zum Zaun an der Rückseite komme ich immer an dem großen überladenen Denkmal vorbei, das die letzte Ruhestätte von Colonel George Armstrong Custer* bildet, und ich bleibe stehen. Ich erweise ihm einen feierlichen Gruß von einem, der auch mit der 7. Kavallerie der Vereinigten Staaten von Amerika in einer verzweifelten Schlacht in einem Tal gekämpft hat. Dann sage ich laut zu Custer, dem Boy General (aus dem Titel eines Buches über Custer, d.Ü.): „Sir, Sie waren ein arroganter, ignoranter Idiot und haben es zusammengebracht, dass alle ums Leben gekommen sind.“ 

Einige militärische Befehlshaber sind heute eher darin bewandert, einen unerfahrenen Präsidenten einzuwickeln und Politik zu spielen, um einen nicht gewinnbaren Krieg zu verlängern als darin, ihre Arbeit ordentlich zu verrichten. Denen täte es gut, über die Lektionen des Colonel Custer nachzudenken.   

(C) 2009 Tribune Media Services, Inc.

 
     
  Erschienen am 12. Dezember 2009 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/galloway/2009/12/11/once-again-were-marching-into-an-unwinnable-war/  
  * mehr über Col. Custer auf > http://www.kalkriese.de/George_Armstrong_Custer.html  
     
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