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  Schweizer verfallen in rassistische Panik

Minarettverbot für Moscheen „moderne Version des Antisemitismus der 1930er Jahre“

Eric Margolis

Die schöne, friedliche, reiche Schweiz stand in den letzten Jahren unter keinem guten Stern. Der derzeitige weltweite Aufschrei gegen die Schweiz aufgrund des Verbots von Minaretten für muslimische Moscheen ist nur der letzte Fluch, der die Helvetische Republik getroffen hat.

Es began 1998, als eine DC 10 der Swissair mit 229 Menschen an Bord vor Nova Scotia abstürzte.

Nach einer Reihe katastrophaler geschäftlicher Entscheidungen ging Swissair, einst bekannt als „die fliegende Bank“ bankrott.

Als nächstes kam die Holocaust-Krise, als jüdische Amerikaner anfingen, die Schweiz dafür zu bestrafen, dass sie sich angeblich geweigert hat, Juden vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu retten. Tatsächlich haben die Schweizer so viele Juden gerettet wie sie abgewiesen haben – viel mehr als Kanada oder die Vereinigten Staaten von Amerika – aber der Schaden war bereits passiert. Die Schweizer mussten große Reparationszahlungen an jüdische Organisationen leisten und stießen dennoch überall auf bittere Feindseligkeit seitens vieler Juden.

Dann ging die größte Schweizer Bank UBS, viermal so viel wert wie das ganze Land, im Jahr 2008 fast bankrott. Von U.S.-Steuerfahndern wurde die UBS gezwungen, das geheiligte Schweizer Bankgeheimnis zu verletzen und schamlos Kunden den Wölfen preiszugeben, um nicht das Geschäft in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgeben zu müssen.

Im vergangenen Monat, nach einem Blitzkrieg von Xenophobie, Angstmacherei und Rassismus seitens der weit rechts stehenden Volkspartei stimmten die Schweizer in einem Referendum mit 57% für ein Verbot der weiteren Errichtung von Minaretten für Moscheen. Die Volkspartei behauptete, das Verbot würde der Bedrohung einer „Islamisierung der Schweiz“ Einhalt gebieten und die Rechte der Frauen gegen angebliche muslimische Unterdrückung verteidigen. In der Schweiz gibt es nur vier kleine Moscheen.

Europas antimuslimische Rechte frohlockte. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, die italienischen Neofaschisten und der französische rechtsextreme Jean-Marie Le Pen lobten das rassistische Abstimmungsergebnis.

Wie ich mitbekam, als ich dort lebte, sind die Schweizer heftig nationalistisch und argwöhnisch gegenüber allen Fremden. Lange haben sie hungrige Nachbarn gefürchtet, die ihr kleines alpenländisches goldenes Ei begehren. 1939 – 1949 wären Deutschland und Italien fast einmarschiert, beschlossen aber, das nicht zu tun, nachdem die 800.000 Schweizer Bürger-Soldaten sich darauf vorbereiteten, bis zum letzten Mann zu kämpfen.

Heute sind 25% der Schweizer Bevölkerung im Ausland geboren. Das macht Schweizer – besonders die deutschsprachige Mehrheit – sehr nervös und ausländerfeindlich. Die viel abgeklärteren kultivierten französischsprachigen Schweizer haben eine weit offenere Einstellung. Es gibt eine Schweizer Geheimpolizei, die alle Ausländer im Land überwacht; die Landesbewohner werden ermutigt, sich an der Überwachung nichtschweizerischer Nachbarn zu beteiligen.

Die Schweizer Volkspartei, wie rechtsgerichtete Parteien in Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika, im Vereinigten Königreich, in Deutschland, Frankreich, Italien und Australien, hat sich den Anti-Islamismus als ihre zugkräftigste populäre Ideologie angeeignet. Wie ich schon seit Jahren geschrieben habe, ist Hass auf und Furcht vor Moslems die moderne Version des Antisemitismus der 1939er Jahre.

Gerade wie die Nazis die Juden als bösartige gefährliche Untermenschen hinstellten, haben die heutigen westlichen Rechten, christlichen Fundamentalisten und Neokonservativen einfach das Etikett von den Juden auf die Moslems übertragen.

Die kleine muslimische Minderheit in der Schweiz stammt weitestgehend aus dem Balkan und ist kaum religiös. Die einzigen verschleierten Frauen, die man in der Schweiz sieht, sind reiche Touristinnen aus Saudiarabien und der Golfregion, die Juwelen einkaufen.

Sei´s auch. Die Schweizer haben vor der rassistischen Panikmache klein beigegeben.

Schweizer und europäische Gerichte werden wahrscheinlich dieses hässliche Ergebnis aufheben, aber Volksabstimmungen wiegen in der Schweiz schwerer als Gerichte. Ich bleibe weiterhin ein Befürworter des Schweizer Systems der Referenden. Die Abstimmung über Moscheen zeigt allerdings, dass es einige gesetzliche Vorkehrungen braucht, um zu verhindern, dass sich Angstmacherei, Vorurteile und Ignoranz bei weniger gebildeten Menschen durchsetzen.

Umsichtige Schweizer sind entsetzt und empört. Die muslimische Welt ist dabei, eine erboste Antwort zu geben, etwa den Boykott von Schweizer Gütern und den Abzug von Milliarden von Schweizer Banken, was der bereits ramponierten Schweizer Wirtschaft weiter zusetzen wird.

Viele der schwerfälligen deutschschweizerischen Tölpel, die für das Verbot gestimmt haben, werden vielleicht zum Käsemachen und Kühehüten zurückkehren müssen.

Das Abstimmungsergebnis könnte so nicht ausgefallen sein ohne große Unterstützung durch Frauen. Die vielen Schweizer Frauen, die das Verbot in einer Aufwallung antimuslimischer Gefühle unterstützt haben, könnten sehen, wie ihr dummes Stimmverhalten die Sache der muslimischen Frauen zurückwirft, da dieses antiwestlichen muslimischen Extremisten Munition liefert.

Die meisten Schweizer Frauen, die ihr Stimmrecht erst 1971 bekommen haben, hatten keine Ahnung, dass die muslimischen Frauen aus dem Balkan in der Schweiz genau so frei sind wie sie. 

Ich liebe die Schweiz, das Land meiner Jugend, noch immer sehr. Diejenigen allerdings, die eine „moslemfreie“ Schweiz wollen, haben ihre Nation entehrt.

 
     
  erschienen am 13. Dezember 2009 in der TORONTO SUN > http://www.torontosun.com/comment/columnists/eric_margolis/2009/12/13/12137281-sun.html  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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