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  U.S.-Turbulenzen erschüttern Pakistan

Korruption und antiamerikanische Wut trennen das geplagte Land

Eric Margolis

An der Wand meines Büros hängen Fotos mit Widmungen von Pakistans vier letzten Führern. Zwei – Zia ul Haq und Benazir Bhutto – wurden ermordet. Der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif wurde gestürzt in einem Militärputsch unter der Führung von Foto Nummer vier, General Pervez Musharraf, der seinerseits vom pakistanischen Militär in einer längeren Übergangsphase entthront worden ist.

Entweder bin ich ein Unglücksbringer, oder Pakistan zu regieren ist ein Job mit schlechten Karriereaussichten.

Jetzt bekommt Washington endlich die Demokratie, die es in Pakistan angestrebt hat – und es ist die Mutter aller Fehlzündungen.

Pakistans derzeitigen Präsidenten Asif Ali Zardari, den Witwer Benazir Bhuttos, habe ich nicht getroffen. Seit Jahrzehnten allerdings habe ich über die Beschuldigungen wegen Korruption geschrieben, die ihn unerbittlich verfolgen. Zardari ist bekannt als „Mister 10%“ aus der Zeit, in der er in der Regierung seiner Frau für die Vergabe von Regierungsaufträgen zuständig war.

2008 versuchte Washington, Musharrafs untergehende Diktatur zu retten, indem es die populäre, aber im Exil lebende Benazir Bhutto überredete, sich als demokratischen Aufputz für die fortgesetzte Militärherrschaft zur Verfügung zu stellen. Ihr Preis: Amnestie für eine lange Liste von Anklagen wegen Korruption gegen sie und ihren Mann.  

Die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich arrangierten hinter den Kulissen die Amnestie für die Bhuttos und tausende ihrer mitangeklagten Anhänger (und andere politischen Figuren).

Kurz vor ihrer Ermordung sagte mir Benazir, dass eifersüchtige Anhänger Musharrafs hinter ihr her wären.

Asif Zardari erbte darauf hin Benazirs Volkspartei, die größte Partei Pakistans. Dank starker politischer und finanzieller Unterstützung durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurde er Präsident.

Als Gegenleistung unterstützte Zardari den Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Afghanistan und erlaubte dem Pentagon die Benützung pakistanischer Militärbasen und pakistanischen militärischen Personals. Washington versprach dafür mindestens US$ 8 Milliarden.

Dieser schmutzige Handel ist nun ins Stocken gekommen, nachdem Pakistans neuester, ziemlich überraschend aufgetauchter demokratischer Held, der Höchstrichter am Obersten Gerichtshof Iftikhar Chaudhry dem Recht zum Durchbruch verhalf, indem er die Anklagen wegen Korruption wieder in Kraft setzte.

Zardari ist gegen strafrechtliche Verfolgung durch die Immunität des Präsidenten geschützt. Auf seine wichtigsten Mitarbeiter hingegen kommen Strafverfahren zu, besonders auf den starken Mann des Regimes Innenminister Rehman Malik, und den Verteidigungsminister Ahmed Mukhtar. Beide sind entscheidende Unterstützer der militärischen Operationen der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan, des Gebrauchs pakistanischer Militärbasen durch die Vereinigten Staaten von Amerika und des Krieges Pakistans gegen seine paschtunische Stammesbevölkerung.

Die Oppositionsparteien verlangen den Rücktritt Zardaris und seiner wichtigsten Gehilfen. Islamabad befindet sich im Aufruhr gerade zu dem Zeitpunkt, da Washington die pakistanische Regierung braucht, um den Krieg gegen die so genannten pakistanischen Taliban zu intensivieren und die wachsenden militärischen Anstrengungen der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan und die steigenden Drohnenangriffe in Pakistan zu unterstützen.

Die Leichen tanzen aus Zardaris Keller herauf: $63 Millionen an illegalen Schmiergeldern und Beteiligungen angeblich von den Bhuttos in Schweizer Bankkonten versteckt; Zardaris auf $2 Milliarden geschätztes Privatvermögen; luxuriöse Besitztümer in den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Spanien und im Vereinigten Königreich, und so weiter. Zardari hat in Pakisten wegen Korruptionsvorwürfen elf Jahre im Gefängnis verbracht – von denen Benazir behauptete, sie wären politisch motiviert. Er vermied ein Strafverfahren in der Schweiz, indem er behauptete psychisch krank zu sein. 

Die Bhuttos bleiben einer der größten feudalen Großgrundbesitzer in einer verzweifelt armen Nation, in der das durchschnittliche Jahreseinkommen US$ 1.027 beträgt und der Analpabetismus über 50%. Seit seiner Entstehung 1947 wurde Pakistan beherrscht entweder von kaltschnäuzigen feudalen Großgrundbesitzern, die Politiker kauften und verkauften wie Säcke mit Basmatireis, oder von Generalen.

Zardaris Tage als Washintons Mann in Islamabad sind gezählt. Antiamerikanische Wut verbindet sich mit populären Behauptungen, dass Pakistan von den Vereinigten Staaten von Amerika „okkupiert“ worden ist und wie eine drittklassige Bananenrepublik behandelt wird, und regiert wird von korrupten, von den Vereinigten Staaten von Amerika eingesetzten Handlangern.

Viele Pakistaner geben die Schuld an der derzeitigen blutigen Welle von Bombenanschlägen in ihrem Land den U.S.-Söldnern von Xe (früher Blackwater) und dem alten Feind Indien, die Vergeltungsangriffe durchführen.

Die meisten Pakistaner glauben, dass Washington darauf aus ist, ihre unstabile Nation zu zersplittern, um sich deren nukleare Waffen unter den Nagel zu reißen.

Washington ist fast zurück auf dem Startfeld im unruhigen Pakistan. Wenn Zardari geht oder als machtlose Leitfigur bleibt, wird sich die Aufmerksamkeit auf die 617.000 Mannn starke pakistanische Armee und ihren Befehlshaber – oder sollen wir sagen „Präsidentschaftskandidaten?“ – Ashfaq Kiyani richten.

Während wir in das Jahr 2010 eintreten, wird das hässliche Kurzwort “Afpak” das Weiße Haus Obamas plagen und verwirren, welches so unklug und voreilig General Douglas MacArthurs weise Warnung ignoriert hat, Landkriege in Asien zu vermeiden.

 
     
  erschienen am 20. Dezember 2009 in der TORONTO SUN > http://www.torontosun.com/comment/columnists/eric_margolis/2009/12/20/12216961-sun.html  
     
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