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  Israel sperrt palästinensische Friedensaktivisten ein

Mel Frykberg  

RAMALLAH – Israel hat lange die Auffassung vertreten, dass die Palästinenser ihre politischen Anliegen mit gewaltfreien Methoden vertreten sollten. Dessen ungeachtet wurden einige prominente palästinensische Friedensaktivisten in letzter Zeit gerade deswegen eingesperrt.

Abdallah Abu Rahme, 39, der Koordinator des Bi´lin Volkskomitees, das die illegale Enteignung von palästinensischem Land durch Israel sowohl vor einem israelischen als auch vor einem kanadischen Gericht bekämpft hat, wurde angeklagt wegen „illegalen Waffenbesitzes, Steinewerfens und Aufwiegelung.“

Die Anklage wegen „illegalen Waffenbesitzes“ bezieht sich weitgehend auf eine Protestausstellung, die Abu Rahme mit leeren Tränengaskanistern und plastikummantelten Gummigeschossen, die von israelischen Soldaten verschossen worden waren, gemacht hatte, indem er diese in Form eines großen Friedenszeichens anordnete.

Die Kanister und Kugeln waren auf unbewaffnete Demonstranten gefeuert worden, die gegen die israelische Trennungsmauer protestiert hatten, die die Dorfbewohner von Bi´lin von ihren landwirtschaftlichen Flächen trennt.

Bi´lin, ein kleines Dorf in der Nähe von Ramallah, hat durch die Mauer etwa die Hälfte seiner landwirtschaftlichen Flächen verloren, wodurch Bauern ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden.

Die Israelis behaupten auch, Abu Rahme sei im Besitz von M16-Patronen gewesen.

Als er die Anklage hörte, fragte Abu Rahmes israelischer Anwalt Gaby Lasky: „Was kommt als nächstes? Bei den Demonstranten Geld für die Kugeln kassieren, die auf sie abgeschossen worden sind?“

„Wir haben Beweise, um die Version des israelischen Militärs über die Ereignisse zu bekämpfen. Eine Anzahl jugendlicher Palästinenser wurde vom Militär gezwungen, falsche Aussagen zu machen, nachdem sie in der Nacht verhaftet, ihnen die Augen verbunden und sie mit Handschellen gefesselt wurden,“ teilte Lasky IPS mit.

Unter Abu Rahmes Unterstützern befinden sich der südafrikanische Nobelpreisträger und ehemalige Antiapartheidaktivist Erzbischof Desmond Tutu wie der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Jimmy Carter und die frühere Präsidentin Irlands Mary Robinson. Auch die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Brundtland hat ihre Unterstützung für Abu Rahmes Aktivitäten zum Ausdruck gebracht.  

2008 wurde Abu Rahme mit der Carl von Ossietzky-Medaille für hervorragende Leistungen im Bereich der Menschenrechte vom Kuratorium der Internationalen Liga für die Menschenrechte ausgezeichnet.

Israel verweigerte ihm die Reise nach Deutschland, wo er an der Preisverleihungszeremonie im vergangenen Dezember teilnehmen sollte. Kurz vor seiner Verhaftung sprach IPS mit Abu Rahme, einem Lehrer, per Telefon, nachdem er untergetaucht und nicht in der Lage war, zu einem vereinbarten Interviewtermin zu kommen. 

„Die israelischen Soldaten haben es regelmäßig auf mein Haus abgesehen. Sie brechen Türen auf und platzen in der Nacht hinein, und traumatisieren meine Frau und die kleinen Kinder durch dieses ständigen Überfälle. Sie haben es auch auf das ganze Dorf abgesehen, Menschen verhaftet und angegriffen,“ teilte er IPS aus seinem Versteck mit.

„Ich habe nicht erwartet, dass die gegen mich losgehen, da ich immer sehr offen bezüglich meiner friedlichen Aktivitäten gegen die Okkupation war und nichts verbotenes getan habe,“ sagte Abu Rahme.

Die israelischen Behörden haben sich seit einiger Zeit frustriert gezeigt, da sie nicht in der Lage waren, den zivilen Widerstand zu unterdrücken, den das Bi´lin Volkskomitee organisiert hatte, nicht einmal mit exzessivem Einsatz von militärischer Gewalt.

Das israelische Militär informierte Lasky, es würde legale Möglichkeiten suchen, die wöchentlichen Proteste zu beenden, in deren Verlauf einige Palästinenser getötet und einige Menschen aus anderen Ländern und Israelis schwer verletzt worden sind, die gegen die Trennungsmauer protestierten.

Abu Rahmes Beteiligung an den Protestmärschen führte zu Israels vager und genereller Anklage wegen „Aufwiegelung“. Abu Rahmes Volkskomitee hatte auch erfolgreich ein Verfahren gegen den Verlauf der Trennungsmauer durch das Gebiet von Bi´lin geführt, in dem ein israelisches Gericht das Urteil fällte, dass diese verlegt werden müsse.

Das israelische Militär hat sich bis jetzt geweigert, das Urteil des Gerichts umzusetzen, aber das hat den moralischen Sieg nicht geschmälert. Auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag urteilte, dass die Trennungsmauer illegal ist. 

Das Bi´lin Volkskomitee ist gegen die israelischen Behörden auch in Kanada vor Gericht gezogen, nachdem zwei kanadische Gesellschaften an der illegalen Errichtung von Siedlungen auf dem Gebiet von Bi´lin beteiligt waren.

Abu Rahme ist allerdings nicht der einzige friedliche Aktivist, gegen den die Israelis losgehen, während sie weiterhin gegen palästinensische Dissidenten vorgehen.

Muhammad Othman, 33, aus dem Dorf Jayyous im nördlichen Teil der West Bank, wurde auch im Rahmen der Verwaltungshaft eingesperrt, ohne Anklage, seit dem letzten September, bis er vor kurzem freigelassen wurde. Othman war maßgeblich beteiligt an der Anti-Apartheid-Mauer-Kampagne. 

Wie Bi´lin hatte Jayyous Land durch die Trennungsmauer verloren. Auch hier urteilte ein israelisches Gericht, dass die Mauer, die durch das Gebiet von Jayyous verlief, verlegt werden musste.

Im vergangenen Jahr reiste Othman nach Norwegen, wo er leitende norwegische Beamte traf, um ihnen die Verletzung der Menschenrechte in der West Bank zu erläutern.

In der Folge zog sich der nationale norwegische Pensionsfonds von Elbit zurück, der israelischen Firma, die der israelischen Armee unbemannte Luftfahrzeuge und andere militärische Technologie zusätzlich zu Sicherheitssystemen für Trennungsmauer und Siedlungen liefert.

Obwohl sie Othman während der Vernehmung misshandelten, waren seine Verhörbeamten nicht in der Lage, eine Anklage zusammenzubringen, daher griffen sie zur Verhängung der Verwaltungshaft, die die Möglichkeit bietet, die meisten palästinensischen Gefangenen ohne Verfahren monatelang einzusperren. 

Die Verwaltungshaft kann immer wieder verlängert werden und einige Gefangene sind seit mehreren Jahren eingesperrt.

Jamal Juma, 47, aus Jerusalem, der Koordinator der „Stop the Wall“ („Stop die Mauer“)-Kampagne wurde ebenfalls eingesperrt und ihm der Kontakt mit seinem Anwalt verweigert. Er war vor zahlreichen zivilen und UNO-Konferenzen aufgetreten und hatte viele Artikel verfasst, die sich kritisch mit Israel befassten. Auch er wurde erst vor ein paar Tagen entlassen. 

Es sieht nicht so aus, als wäre Israels Vorgehen gegen die Aktivisten von Erfolg gekrönt. „Ich besuchte Abdallah vor kurzem im Gefängnis. Er fürchtet sich nicht und gibt auch nicht klein bei und hat versprochen, weiterhin aktiv zu sein, egal was Israel macht,“ teilte Abu Rahmes Frau Majida IPS mit.  

(Inter Press Service)

 
     
  Erschienen am 19. Januar 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/frykberg/2010/01/18/israel-jails-palestinian-peace-activists/  
     
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