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  Mehr als Erdnussbutter

Andrew Bacevich

So beschreiben Offiziere des U.S.-Militärs den Sinn, den sie im Jahr Neun des Langen Krieges sehen: „Unser Ziel ist es, den Menschen zu helfen, nicht die Taliban zu töten.“ Also sprach Captain Ryan Sparks, Kommandeur der Bravo-Kompanie, 1. Bataillon, 6. Marineregiment, zur Zeit an Operationen beteiligt, die darauf abzielen, den Menschen in der afghanischen Provinz Helmand eine gute Regierung zu bringen. 

Diese Denkweise findet Zustimmung weit jenseits der Kriegszonen. In der gleichen Ausgabe der Washington Post, in der Captain Sparks zitiert wurde, war auch eine Kolumne zu finden, in der Michael Gerson sich beifällig über Amerikas „weichherzige Legionen“ äußerte. Gerson berichtete über die Beiträge des U.S.-Militärs zu den Hilfemaßnahmen in Haiti.

Haiti, so stellt sich heraus, ist im Großen und Ganzen wie Afghanistan, nur ohne Waffen. Ein von Gerson interviewter Marineoffizier sagte: „Es ist ganz ähnlich wie in Irak und Afghanistan, nur gibt es hier keine bösen Hintermänner. Wir helfen der Bevölkerung, gewinnen ihr Vertrauen. Sie ist unser wirklicher Verbündeter.“  

Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika gewinnen heutzutage Kriege nicht dadurch, dass sie feindliche Armeen besiegen, sie gewinnen sie durch die Verteilung von milden Gaben und indem sie gute Werke verrichten. Aus dem Zenturion ist der gute Samariter geworden. Jedenfalls ist Gerson beeindruckt.

Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika haben zehntausende Dosen Erdnussbutter an haitianischen Schulen verteilt, so berichtet er, während an Bord eines Kriegsschiffs der Marine „eine 96 Jahre alte haitianische Frau auf der Intensivstation betreut wird wie ein Admiral.“ All das wirft ein Licht auf einen, wie Gerson das nennt, „dramatischen Umschwung im militärischen Denken,“ den er auf General David Petraeus zurückführt, der heute findet, dass die U.S.-Streitkräfte „eine Art von nicht invasiver Chirurgie betreiben – die Struktur und Sicherheit dadurch herstellt, dass sie Einrichtungen des Gemeinwesens aufbaut, die nach dem Abzug Amerikas weiterhin bestehen müssen.“ 

In Gersons Welt hat das Erdnussbutter verteilende Militär der Vereinigten Staaten von Amerika erst jetzt Haiti entdeckt. In seiner Kolumne findet sich kein Hinweis auf die Tatsache, dass Marines von 1915 bis 1934 Haiti besetzt und verwaltet haben. Die „Einrichtungen des Gemeinwesens”, die nach ihrem Abzug blieben – hauptsächlich ein korruptes habgieriges einheimisches Offizierskorps – dienten nicht wirklich den Interessen der Menschen in Haiti. 

Aber warum an derlei unangenehme Dingen denken? Vergiss die Geschichte, und es wird viel leichter, sich einzureden, dass die Anwesenheit von Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika in der Karibik oder auf der anderen Seite der Erdkugel nichts mit einer neueren Version des Imperialismus zu tun hat, sondern mit den wohlwollenden und großzügigen Absichten der Vereinigten Staaten von Amerika, Licht in eine dunkle und geplagte Welt zu bringen. 

Hier hofft man, dass Haitianer, Afghanen, Iraker und andere Adressaten des amerikanischen Wohlwollens über ein Gedächtnis verfügen, das ähnlich bereitwillig selektiv arbeitet wie Kolumnisten, die angestellt werden, um sentimentales Gelaber für die Washington Post zu produzieren.

 
     
  erschienen am 19. Februar 2010 in WORLD AFFAIR´S JOURNAL > http://www.worldaffairsjournal.org/new/blogs/bacevich/More_Than_Peanut_Butter   
  Andrew J. Bacevich ist Professor für Internationale Beziehungen und Geschichte an der Universität Boston. Er schloss 1969 die U.S.-Militärakademie ab und diente später in Vietnam, Deutschland, El Salvador und am Persischen Golf. Seinen Doktortitel erwarb er an der Princeton-Universität im Bereich Geschichte der amerikanischen Diplomatie. Vor seinem Eintritt in die Bostoner Universität 1998 unterrichtete er in West Point und an der John Hopkins-Universität. Er verfasste eine Reihe von Büchern und hat Artikel in allen bedeutenden Zeitungen in den Vereinigten Staaten von Amerika publiziert.  
     
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