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  Unterwürfiger Journalismus für den Memorial Day

John V. Walsh

Die New York Times vom Sonntag brachte zur Einstimmung auf den Memorial Day (Volkstrauertag) eine Titelgeschichte direkt von der afghanischen Front, komplett mit Fotos. Handelt sie von den 1.000 Amerikanern, die dort im längsten Krieg Amerikas zugrunde gegangen sind, oder von der unbekannten Zahl unschuldiger Afghanen, die getötet worden sind, oder von den vielen mehr auf beiden Seiten, die grauenvoll verletzt worden sind, oder von der Verwüstung, die über die armen und rückständigen Regionen von Irak, Afghanistan und Pakistan von der Feuerkraft der mächtigsten Kriegsmaschine der Welt gebracht worden ist? Davon kann keine Rede sein.

Statt dessen bekommen die Leser eine Wohlfühlgeschichte serviert über weibliche Marinesoldatinnen, die sich mit ihren afghanischen Schwestern „verbünden“, unter der Schlagzeile „In Kampfanzug oder Burka, ein zerbrechliches Bündnis.“ Wuchs diese alberne Überschrift auf dem Mist eines Schreibers der New York Times oder kam sie aus einem Kellerbüro im Pentagon oder in Langley (Sitz der CIA), wo die pro-Kriegs-Psychooperationen gegen die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika ausgeheckt werden? Oder kann eine solche Unterscheidung überhaupt gemacht werden, wenn journalistische Ambitionen und Karrierismus ungezügelt wuchern? In meiner Ausgabe besagter Zeitung ziert die Geschichte das Foto einer jungen Marinesoldatin, die ein afghanisches Kleinkind hält. Wie nett diese Kämpferinnen sind. Haben nichts mit Töten zu tun. Geben den Menschen Medikamente, „kichern“ mit afghanischen Frauen und spielen mit Kindern.

Und noch mehr – die Frauen machten das, obwohl einige der männlichen vorgesetzten Offiziere skeptisch waren! Die Marinesoldatinnen sind nicht nur furchtlose Frauen, die den gottverlassenen afghanischen Frauen helfen und feine Beispiele von den Kämpferinnen des Imperiums liefern, sie versetzen auch dem männlichen Chauvinismus in den Streitkräften des Imperiums einen Schlag. Diese humanitären Kriege sind fast zu gut, um wahr zu sein. Kein Wunder, dass Medea Benjamin in ihrem sehr demokratischen Herz einen weichen Punkt für Obamas Kriege entdeckt hat.

Die New York Times ist nicht allein. Um nicht zurückzustehen bringt die Washington Post einen Artikel unter dem Titel „Lektionen, die mich der Krieg in Afghanistan gelehrt hat,“ voll mit den üblichen Klischees über die Pin Up Girls des Kriegs, raues Wetter und das Essen beim Militär. Aber der Schreiber erinnert uns energisch daran, dass „die amerikanischen Soldaten freiwillig hier sind. Sie wollen Änderungen für die Afghanen erreichen und für die Sicherheit der Menschen zuhause sorgen.“ Wie gut, dass die Post nicht auf einen der vielen Soldaten gestoßen ist, die die Kriege hassen und in ihnen gefangen sind mit mehrfachen Einsatzrunden. Haben halt Glück gehabt, könnte man glauben.

Draußen im Westen brachte die Los Angeles Times einen Artikel von einem zurückgekehrten Irakveteranen, der über einen gefallenen Kameraden schreibt, nachdem er uns daran erinnert hat, warum sie in dieses verwüstete Land geschickt worden sind, nämlich um „bei Projekten mitzuarbeiten, die den Wiederaufbau des Irak zum Ziel haben und Herzen und Hirne gewinnen sollen ... um Schulen wieder aufzubauen, das Elektrizitätsnetz zu reparieren und Stofftiere zu verteilen.“ Keine Rede davon, wer die Zerstörung überhaupt verursacht hat oder von den Lügen, mit denen Soldaten wie Bürger gefüttert worden waren, um sie in diesen hässlichen Krieg hineinzutheatern. Nein, nur humanitäre Anstrengung seitens wohlmeinender Amerikaner. Und so geht es dahin. Mehr vom Gleichen wird´s heute von der New York Times bis zum NPR (nationale Radioanstalt - „Kulturradio" in den Vereinigten Staaten von Amerika) geben, das eine besondere Vorliebe für derlei Sachen hat, zweifelsohne weil deren Zuhörerschaft eher offen ist für die humanitäre Variante des Imperialismus. Und obwohl ein gewaltiger Prozentsatz unserer Bürger gegen diese Kriege ist, auf der Linken wie auf der Rechten und in der Mitte, erwarten Sie nicht, dass einer davon Zugang findet zu den großen Medien, um der Gegnerschaft Stimme zu verleihen, schon gar nicht, um vehement gegen den Tod und die Zerstörung loszugehen, die das Imperium verbreitet, um seine Hegemonie zu erhalten. 

Viele sagen, dass die Medien die Kriege verstecken, die die Vereinigten Staaten von Amerika zur Zeit gegen Afghanistan, Pakistan und Irak führen. Aber es ist schlimmer. Während er Tod und Zerstörung versteckt und sicher alle drastischen Bilder ausblendet, ist unser armseliger Vorwand für Journalismus überflutet mit Wohlfühlgeschichten über die Kriege. Der Krieg in Korea wurde in einem bestimmten Ausmaß im Fernsehen übertragen und trug zur Ablehnung der Amerikaner von Trumans Krieg bei und zu seinem willkommenen Austausch gegen den friedlichen Republikaner Eisenhower (der damals noch nicht unter dem Einfluss der rabiaten Brüder Dulles stand). Das Gleiche passierte in Vietnam, was zur abrupten Verabschiedung eines weiteren Demokraten – Johnson - führte.

Aber unsere Beherrscher haben ihre Lektion gut gelernt. Keine drastischen Bilder ereichen uns mehr vom Schlachtfeld. Sie werden zensuriert, indem sie schon an der Quelle abgedreht werden. Schlimmer noch, der Krieg wird systematisch von den Medien verniedlicht. Das ist die Funktion des unterwürfigen Journalismus des Imperiums.

 
     
  Erschienen am 31. Mai 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/john-v-walsh/2010/05/30/servile-journalism-for-memorial-day/  
     
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