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  Die Impotenz von Wahlen

Paul Craig Roberts

In seinem historischen Roman Der Leopard schreibt Giuseppe di Lampedusa, dass sich die Dinge ändern müssen, um gleich zu bleiben. Das ist es, was bei den Kongresswahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika am 2. November geschehen ist.

Die Auslagerung von Arbeitsplätzen, die in einem großen Ausmaß mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann, hat die Demokraten und Republikaner zu einer Partei mit zwei Namen verschmolzen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion änderte die Einstellungen im sozialistischen Indien und kommunistischen China und öffnete diese Länder mit ihrem großen Übermaß an Arbeitskräften dem westlichen Kapital.

Angetrieben von Wall Street und Wal-Mart verlegten amerikanische Hersteller die Produktion für die Märkte in den Vereinigten Staaten von Amerika ins Ausland, um Profite und Aktienerträge durch den Einsatz billiger Arbeit zu steigern. Der Rückgang der Arbeitskräfte in der Produktion in den Vereinigten Staaten von Amerika verminderte die politische Macht der Gewerkschaften und die Fähigkeit von Gewerkschaften, die demokratische Partei zu finanzieren. Zu guter Letzt waren die Demokraten von den gleichen finanziellen Quellen abhängig wie die Republikaner.

Bevor diese Entwicklung einsetzte, repräsentierten die beiden Parteien ungeachtet ihrer Ähnlichkeiten unterschiedliche Interessen und dienten der gegenseitigen Kontrolle. Die Demokraten vertraten die Arbeiter und legten ihr Schwergewicht auf die Bereitstellung eines sozialen Sicherheitsnetzes. Soziale Sicherheit, Medicare, Medicaid, Lebensmittelmarken, Arbeitslosenversicherung, Wohnbeihilfen, Bildung und Bürgerrechte waren demokratische Themen. Die Demokraten waren festgelegt auf eine Vollbeschäftigungspolitik und hätten ein bestimmtes Ausmaß von Inflation akzeptiert, um mehr Beschäftigung zu sichern. 

Die Republikaner repräsentierten das Geschäft. Die Republikaner konzentrierten sich darauf, den Regierungsapparat in all seinen Auswüchsen von der sozialen Wohlfahrt bis zur Regulierung zurechtzustutzen. Die Wirtschaftspolitik der Republikaner bestand darin, dass sie gegen Defizite im Bundesbudget opponierten.

Diese Unterschiede führten zu politischem Wettbewerb.

Heute sind beide Parteien hinsichtlich ihrer Wahlkampffinanzierung abhängig von Wall Street, dem Militär/Sicherheitskomplex, AIPAC, der Erdölindustrie, den Agrarkonzernen, der Pharmaindustrie und den Versicherungen. In den Wahlkämpfen wird nicht mehr über Themen debattiert. Diese sind zu Verleumdungswettbewerben verkommen.

Verärgerte Wähler lassen ihren Ärger an den Amtsinhabern aus, und das ist es, was wir in dieser Wahl gesehen haben. Tea Party-Kandidaten schlugen republikanische Amtsinhaber in den Vorwahlen, und Republikaner besiegten Demokraten in den Kongresswahlen.

Die Politik wird sich jedenfalls in qualitativer Hinsicht nicht ändern. In quantitativer Hinsicht werden die Republikaner noch mehr dahinter sein, schneller mehr vom sozialen Sicherheitsnetz zu demontieren als die Demokraten, und mehr dazu tendieren, die Reste der Bürgerrechte zu beseitigen. Aber die mächtigen privaten Oligarchen werden weiterhin die Gesetze schreiben, die der Kongress beschließt und der Präsident unterschreibt. Neue Kongressabgeordnete werden schnell begreifen, dass sie sich dem Willen der Oligarchen beugen müssen, wenn sie wieder gewählt werden wollen.

Das klingt vielleicht harsch und pessimistisch. Aber halten wir uns an die Tatsachen. In seinem Präsidentschaftswahlkampf kritisierte George W. Bush Präsident Clintons Abenteuer im Ausland und versprach, Amerikas Rolle als Weltpolizist einzuschränken. Als er dann das Amt bekleidete, verfolgte Bush die neokonservative Politik der Weltherrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika mittels militärischer Mittel, der Okkupation von Ländern, Einrichtung von Marionettenregimes und finanzieller Einmischung in die Wahlen in anderen Ländern.

Obama versprach Änderung. Er versprach, das Gefängnis in Guantánamo zu schließen und die Truppen nachhause zu bringen. Stattdessen betrieb er den Neustart des Krieges gegen Afghanistan und begann neue Kriege gegen Pakistan und Jemen, während er Bushs Politik der Bedrohung des Iran und der Einkreisung Russlands mit Militärbasen fortsetzte.   

Die Amerikaner, die ohne Arbeit, ohne Einkommen, ohne Wohnung und Zukunftsaussichten, und ohne Hoffnung für die Zukunft ihrer Kinder dastehen, sind verärgert. Das politische Systems gibt ihnen aber keine Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen. Sie können die gewählten Diener der Oligarchen auswechseln, sie können aber nicht die Politik ändern oder die Oligarchen. 

Die Situation Amerikas ist düster. Nach der Einführung des Hochgeschwindigkeits-Internets folgte dem Verlust der Arbeitsplätze in der Produktion der Verlust von Arbeitsplätzen im Bereich qualifizierter Dienstleistungen wie Softwareentwicklung, in denen die amerikanischen Universitätsabsolventen noch Zukunftsaussichten gehabt hätten. Die Mittelklasse hat keine Aussichten. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Einkommensverteilung in Amerika gleichen denen in einem Land der Dritten Welt, wobei Einkommen und Reichtum in einigen wenigen Händen an der Spitze konzentriert und der größte Teil der restlichen Bevölkerung in heimischen Dienstleistungsjobs beschäftigt ist. In den letzten Jahren konzentrierte sich die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf schlecht bezahlte Berufsgruppen wie Kellnerinnen und Barkeeper, ambulante Gesundheitsdienste und Verkäufer. Die Bevölkerung und Neueinsteiger in den Arbeitsbereich wachsen weiterhin schneller als die Arbeitsmöglichkeiten. 

Das Steuer herumzureißen würde mehr Einsehen erfordern, als unter den Politikern vorhanden ist, und eine tiefere Krise. Ein möglicher Weg wäre der Einsatz von Steuern, um die amerikanischen Firmen zu ermutigen, die Güter und Dienstleistungen im eigenen Land zu produzieren, die sie auf Märkten in den Vereinigten Staaten von Amerika verkaufen. Wie auch immer, die globalen Konzerne und Wall Street würden gegen diese Änderung opponieren. 

Der Verlust von Steuereinkommen durch Arbeitsplatzverluste, Bankenrettungsaktionen, Anreizprogramme und die Kriege haben einen Anstieg des Budgetdefizits der Vereinigten Staaten von Amerika um das drei- bis vierfache verursacht. Das Defizit ist nun zu groß, um durch die Handelsüberschüsse von China, Japan und der OPEC finanziert zu werden. Folgerichtig kauft die Notenbank in großem Ausmaß Staatsanleihen und andere Schulden auf. Die Fortsetzung dieser Ankäufe bedroht den Wert des Dollars und dessen Rolle als (weltweite) Reservewährung. Wenn sich herausstellt, dass der Dollar diese Funktion verliert, wird die Flucht aus dem Dollar die Reste der Pensionsguthaben der Amerikaner zunichte machen und die Fähigkeit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, sich selbst zu finanzieren.

Dennoch wird die destruktive Politik fortgesetzt. Es gibt keine Neuregulierung der Finanzmärkte, weil die Finanzindustrie das nicht erlaubt. Die unbezahlbaren Kriege werden weiter geführt, weil sie der Profitmacherei des Militär/Sicherheits-Komplexes dienen und die Militäroffiziere in höhere Ränge mit höheren Pensionen steigen lassen. Elemente in der Regierung wollen Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika nach Pakistan und nach Jemen schicken. Der Krieg gegen den Iran ist noch immer auf dem Tisch. Und China wird dämonisiert als die Ursache für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Vereinigten Staaten von Amerika. 

Whistleblower und Kritiker werden niedergehalten. Militärpersonen, die Beweise für Kriegsverbrechen weitergeben, werden verhaftet. Kongressabgeordnete fordern ihre Hinrichtung. Der Gründer von WikiLeaks hält sich versteckt und Neokonservative schreiben Artikel, in denen sie seine Eliminierung durch CIA-Mordkommandos fordern. Medien, die über diese Nachrichtenlecks berichten, sind anscheinend vom Chef des Pentagon Robert Gates bedroht worden. Laut Antiwar.com vom 29. Juli „blieb Gates dabei, dass er nicht ausschließt, WikiLeaks-Gründer Julian Assange oder einen der unzähligen Medien, die über diese Lecks berichtet haben, zum Ziel zu machen.“   

Die Kontrolle der Oligarchen erstreckt sich auf die Medien. Die Clinton-Administration gestattete einer kleinen Zahl von Mega-Konzernen, die Medien in den Vereinigten Staaten von Amerika in wenigen Händen zu konzentrieren. Die für das Werbebudget zuständigen Vorstände der Konzerne, nicht Journalisten kontrollieren die neuen amerikanischen Medien, und der Wert der Mega-Firmen hängt ab von den Sendelizenzen der Regierung. Das Interesse der Medien geht jetzt Hand in Hand mit dem der Regierung und der Oligarchen.

An der Spitze der Faktoren, die die amerikanischen Wahlen bedeutungslos gemacht haben steht, dass die Wähler von den Medien nicht einmal korrekte Informationen über die Probleme bekommen können, mit denen sie und ihr Land konfrontiert sind.

Nachdem die wirtschaftliche Situation sich voraussichtlich weiterhin verschlechtern wird, wird der Ärger steigen. Die Oligarchen werden allerdings den Ärger weg von sich auf verletzliche Elemente in der heimischen Bevölkerung und auf „ausländische Feinde“ richten.

 
     
  erschienen am 4. November 2010 auf > Foreign Policy Journal  > Artikel und VDARE.COM > Artikel  
     
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