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  Russland einkreisen, China ins Visier nehmen 

Die wahre Rolle der NATO in der Gesamtstrategie der Vereinigten Staaten von Amerika

Diana Johnstone 

Am 19. und 20. November trafen sich die NATO-Führer in Lissabon zu einem so genannten Gipfel zum Thema „Das strategische Konzept der NATO“. Unter den diskutierten Themen werden eine Reihe von beängstigenden „Bedrohungen“ sein, von Krieg im Cyberspace bis zum Klimawechsel, aber auch so nette Schutzvorkehrungen wie Atomwaffen und das Geschwätz von einer HighTech Maginot-Linie, die angeblich feindliche Raketen mitten in der Luft abfangen kann. Die NATO-Führer werden nicht umhin können, über den Krieg gegen Afghanistan zu reden, diesen endlosen Kreuzzug, der die zivilisierte Welt gegen den schwer fassbaren Alten Mann vom Berge, Hassan i Sabah, vereinigt, den Anführer der Assassinen im elften Jahrhundert, in seiner neuesten Inkarnation als Osama bin Laden. Ganz sicher wird viel über „unsere gemeinsamen Werte“ geredet werden.  

Das meiste von dem, was sie besprechen werden, ist Fiktion mit einem Preisschild.

Das, was wirklich auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens über das strategische Konzept fehlt, ist eine ernsthafte Diskussion über die Strategie.

Das liegt teilweise daran, dass die NATO selbst über keine Strategie verfügt und auch keine eigene Strategie haben kann. Die NATO ist in Wirklichkeit ein Instrument der Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika. Ihr einziges strategisches Konzept ist das von den Vereinigten Staaten von Amerika vorgegebene. Aber sogar das ist ein kaum fassbares Phantom. Amerikanische Führer scheinen eindrucksvollen Posen - „Entschlossenheit zeigen“ - der Definition von Strategien gegenüber den Vorrang zu geben. 

Einer, der sich dazu verstieg, Strategie zu definieren, ist Zbigniew Brzezinski, der Pate der afghanischen Mujahidin noch in der Zeit, in der sie benutzt werden konnten, um die Sowjetunion zu vernichten. Brzezinski nahm sich kein Blatt vor den Mund, als er in seinem 1993 erschienenen Buch The Grand Chessboard (Das Große Schachbrett) unverblümt das strategische Ziel der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika beschrieb: „Amerikanische Vormachtstellung“. Was die NATO betraf, so beschrieb er diese als eine der Einrichtungen, die dazu diente, die amerikanische Vorherrschaft zu perpetuieren, „indem sie die Vereinigten Staaten von Amerika zu einem entscheidenden Mitspieler sogar bei innereuropäischen Angelegenheiten machte.“ In ihrem „globalen Netzwerk spezialisierter Institutionen“, das natürlich die NATO mit einschließt, üben die Vereinigten Staaten von Amerika die Macht aus durch „anhaltendes Verhandeln, Dialog, Diffusion und das Streben nach formalem Konsens, obwohl diese Macht letztlich von einer einzigen Stelle ausgeht, nämlich Washington, D.C.“

Diese Beschreibung trifft perfekt auf die Lissaboner Konferenz über das „strategische Konzept“ zu. Vorige Woche kündigte der dänische NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen an, dass „wir ziemlich nahe an einem Konsens sind“. Und dieser Konsens wird laut New York Times „wahrscheinlich Präsident Barack Obamas eigener Formulierung entsprechen: in Richtung atomfreie Welt arbeiten, während eine nukleare Abschreckung aufrecht erhalten wird.“ 

Halt, macht das überhaupt Sinn? Nein, aber das ist es, was den NATO-Konsens ausmacht. Frieden durch Krieg, nukleare Abrüstung durch nukleare Aufrüstung, und über allem die Verteidigung der Mitgliedsstaaten durch die Entsendung von Expeditionstruppen, um die Bewohner weit entfernter Länder wütend zu machen.

Eine Strategie ist nicht ein Konsens, der von Komitees schriftlich formuliert wird.

Die amerikanische Methode des „anhaltenden Verhandelns, Dialogs, Diffusion und Streben nach formalem Konsens“ zermürbt jeden Widerstand, der gelegentlich aufkommen könnte. So waren etwa Deutschland und Frankreich anfänglich gegen die Mitgliedschaft Georgiens in der NATO und gegen den berüchtigten „Raketenabwehrschirm“, die beide als unverblümte Provokationen betrachtet werden, die geeignet sind, einen neuen Rüstungswettlauf mit Russland vom Zaun zu brechen und die erfolgreichen deutschen und französischen Beziehungen zu Moskau ohne nützlichen Grund zu schädigen. Die Vereinigten Staaten von Amerika akzeptieren allerdings kein Nein als Antwort und wiederholen ihre Imperative immer wieder, bis der Widerstand dahinschmilzt. Die eine Ausnahme in letzter Zeit war die Weigerung Frankreichs, bei der Invasion des Irak mitzumachen, worauf die verärgerte Reaktion der Vereinigten Staaten von Amerika die konservative französische herrschende Klasse so einschüchterte, dass sie den pro-amerikanischen Nicolas Sarkozy unterstützte.   

Auf der Suche nach „Bedrohungen“ und „Herausforderungen“

Der wahre Kern dessen, was als „strategisches Konzept“ gehandelt wird, wurde zum ersten Mal im Frühjahr 1999 zum Ausdruck gebracht und in die Tat umgesetzt, als die NATO sich über das Internationale Recht, die UNO und ihr eigenes Statut hinwegsetzte und einen aggressiven Krieg außerhalb ihres Verteidigungsbereichs gegen Jugoslawien führte. Dadurch wurde die NATO von einer defensiven zu einer offensiven Allianz. Zehn Jahre später wurde die Patin dieses Krieges Madeleine Albright zur Vorsitzenden der „Expertengruppe“ auserkoren, die einige Monate damit verbrachte, Seminare, Beratungen und Treffen zur Vorbereitung der Lissaboner Tagesordnung zu veranstalten. Herausragende Teilnehmer dieser Treffen waren Lord Peter Levene, Vorsitzender von Lloyd´s of London, dem Versicherungsgiganten, und der ehemalige Vorstand von Royal Dutch Shell, Jeroen van der Veer. Diese Herren aus der herrschenden Klasse sind nun keine wirklichen militärischen Strategen, aber ihre Teilnahme sollte der internationalen Geschäftswelt die Gewissheit vermitteln, dass ihre weltweiten Interessen nicht zu kurz kommen.

Tatsächlich schien ein Bedrohungskatalog, den Rasmussen in einer Rede im letzten Jahr aufzählte, die Vermutung zu bestärken, dass die NATO für die Versicherungswirtschaft arbeitet. Die NATO, so sagte er, sei erforderlich, um mit Piraterie, Cyber-Sicherheit, Klimawechsel, extremen Wetterereignissen wie katastrophalen Stürmen und Überschwemmungen, steigenden Meerespegeln, großen Bevölkerungsbewegungen in bewohnte Gebiete, manchmal über Grenzen hinweg, Wasserknappheit, Trockenheit, sinkender Produktion von Nahrungsmitteln, Erderwärmung, CO2-Emissionen, dem Zurückgehen des arktischen Eises und dem dadurch bedingten Zugang zu bisher unerreichbaren Ressourcen, Treibstoffversorgung und Abhängigkeit von fremden Quellen, etc. umzugehen.

Von den meisten dieser aufgezählten Bedrohungen kann nicht einmal entfernt konstruiert werden, dass sie militärische Lösungen erfordern. Mit Sicherheit sind weder „Schurkenstaaten“ noch „Vorposten der Tyrannei“ noch „internationale Terroristen“ verantwortlich für den Klimawechsel, dennoch präsentiert Rasmussen sie als Herausforderungen für die NATO.

Andererseits können einige Resultate dieser Szenarios, wie etwa Bevölkerungsbewegungen infolge von steigendem Meerespegel oder von Trockenheit in der Tat als Verursacher von Krisen gesehen werden. Der beunruhigende Aspekt dieser Aufzählung liegt genau darin, dass alle derartigen Probleme eifrig von der NATO aufgegriffen werden, da sie angeblich militärische Lösungen erfordern.

Die größte Bedrohung für die NATO ist ihre eigene Überflüssigkeit. Und die Suche nach einem „strategischen Konzept“ ist die Suche nach Vorwänden, um sie am Leben zu erhalten.

Die NATO bedroht die Welt

Während sie selbst nach Bedrohungen sucht, bildet die NATO selbst eine wachsende Bedrohung für die Welt. Die grundlegende Bedrohung ist ihr Beitrag zur Stärkung der von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführten Tendenz, Diplomatie und Verhandlungen zugunsten militärischer Gewalt aufzugeben. Das ist klar zu erkennen durch Rasmussens Einbeziehung von Wetterphänomenen in seine Liste der Bedrohungen für die NATO, obwohl diese eigentlich Gegenstand der internationalen Diplomatie und von Verhandlungen sein sollten. Die Gefahr steigt, dass die westliche Diplomatie abstirbt. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Latte gelegt: wir sind die Guten, wir haben die Macht, der Rest der Welt muss gehorchen – sonst ... Diplomatie wird verachtet als Schwäche. Das Außenministerium hat schon lange aufgehört, ein Kernbereich der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein. Mit seinem riesigen Netzwerk von Militärbasen auf der ganzen Welt, mit Militärattacheés in den Botschaften und zahlreichen Missionen in Klientenstaaten ist das Pentagon unvergleichlich mächtiger und einflussreicher in der Welt als das Außenministerium. Die letzten Außenminister haben weit entfernt davon, nach diplomatischen Alternativen zum Krieg zu suchen, eine führende Rolle gespielt bei der Befürwortung von Krieg an Stelle von Diplomatie, sei es Madeleine Albright auf dem Balkan oder Colin Powell, der mit falschen Teströhren im UN-Sicherheitsrat herumfuchtelte. Die Politik wird definiert vom Nationalen Sicherheitsberater, diversen privat finanzierten Denkfabriken und vom Pentagon, mit Einflüssen aus einem Kongress, der selbst zusammengesetzt ist aus Politikern, die darauf aus sind, Militäraufträge für ihre Wahlsprengel zu ergattern. 

Die NATO zieht Washingtons europäische Alliierte den selben Weg hinunter. Gerade wie das Pentagon das Außenministerium ersetzt hat, wird die NATO selbst von den Vereinigten Staaten von Amerika benutzt als möglicher Ersatz für die UNO. Der „Kosovokrieg“ 1999 war ein erster größerer Schritt in diese Richtung. Nachdem Frankreich unter Sarkozy dem NATO-Kommando wieder beigetreten ist, lässt es den traditionell ausgebildeten französischen Außendienst den Bach hinunter gehen und spart bei der zivilen Repräsentanz rund um die Erde. Der Außendienst der Europäischen Union, der jetzt von Lady Ashton geschaffen wird, wird von sich aus über keine politische Linie und keine Autorität verfügen. 

Die Trägheit der Bürokratie

Hinter ihren Appellen an „gemeinsame Werte“ wird die NATO in erster Linie von der Trägheit der Bürokratie bewegt. Die Allianz selbst ist eine Ausstülpung des militärisch-industriellen Komplexes der Vereinigten Staaten von Amerika. Sechzig Jahre lang waren militärische Beschaffungen und Verträge mit dem Pentagon eine wichtige Quelle für industrielle Forschung, Profite, Arbeitsplätze, Karrieren im Kongress, sogar für die Finanzierung von Universitäten. Das Wechselspiel dieser unterschiedlichen Interessen führt zur Festlegung einer vorbehaltlosen Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika für die Eroberung der Welt.

Ein sich immer weiter ausdehnendes globales Netzwerk von zwischen 800 und 1.000 militärischen Stützpunkten auf fremdem Boden.

Bilaterale Militärabkommen mit Klientenstaaten, welche Ausbildung anbieten, während sie diese verpflichtet, in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellte Waffen zu kaufen und ihre bewaffneten Kräfte neu auszurichten, weg von der nationalen Verteidigung hin zu innerer Sicherheit (das heißt Unterdrückung) und zu möglicher Einbeziehung in die von den Vereinigten Staaten von Amerika geführten Aggressionskriege.

Einsatz dieser engen Beziehungen mit den lokalen Streitkräften zur Beeinflussung der heimischen Politik in schwächeren Staaten.

Ständige militärische Übungen mit Klientenstaaten, die dem Pentagon perfekte Kenntnisse über das militärische Potential dieser Klientenstaaten vermitteln, integrieren diese in die Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten von Amerika und halten eine „bereit für den Krieg“-Mentalität aufrecht.

Aufstellung ihres Netzwerks von Stützpunkten, „Alliierten“ und Militärübungen in einer Weise, die bedeutendere Länder, die als potentielle Rivalen betrachtet werden, einkreisen, isolieren, einschüchtern und letztendlich provozieren, besonders Russland und China.

Die vorbehaltlose Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika, wie sie aus ihren Aktionen erkennbar ist, ist eine schrittweise militärische Eroberung, um die Weltherrschaft zu sichern. Ein wesentliches Merkmal dieses Welteroberungsprojekts besteht darin, dass es, obwohl tagtäglich extrem aktiv, von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung der Eroberernation so gut wie ignoriert wird, genauso auch von seinen nächststehenden beherrschten Alliierten, das sind die NATO-Staaten. Die endlose Propaganda über „terroristische Bedrohungen“ (die Flöhe auf dem Elefanten) und andere Ablenkungen halten die meisten Amerikaner völlig im Unklaren darüber, was läuft, was umso leichter geht, da Amerikaner fast einmalig ignorant in Sachen Rest der Welt und daher völlig uninteressiert sind. Die Vereinigten Staaten von Amerika könnten ein Land von der Landkarte bombardieren, ehe mehr als ein kleiner Teil der Amerikaner weiß, wo dieses zu finden ist. 

Das oberste Ziel der Strategen der Vereinigten Staaten von Amerika, deren Karrieren sich zwischen Denkfabriken, Vorständen, Beratungsfirmen und der Regierung abspielen, liegt viel mehr darin, diesen Riesenmechanismus zu rechtfertigen, als ihn zu steuern. Seit dem Zusammenbruch der „sowjetischen Bedrohung“ haben sich die Politikmacher mit unsichtbaren oder potentiellen Bedrohungen zufrieden gegeben. Die Militärdoktrin der Vereinigten Staaten von Amerika zielt darauf ab, präventiv gegen  jeden potentiellen Rivalen der Vereinigten Staaten von Amerika in Sachen Weltherrschaft vorzugehen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion behält Russland das größte Arsenal außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika und China ist eine schnell wachsende Wirtschaftmacht. Keiner von beiden bedroht die Vereinigten Staaten von Amerika oder Westeuropa. Im Gegenteil, beide sind bereit und willens, sich auf friedliche Geschäfte zu konzentrieren.

Sie sind allerdings zunehmend besorgt über die militärische Einkreisung und die provokanten Militärübungen, die die Vereinigten Staaten von Amerika direkt vor ihren Haustüren abhalten. Diese implizit aggressive Strategie mag den meisten Amerikanern verborgen bleiben, aber die Anführer in den betroffenen Ländern sind sich sehr sicher, dass sie begreifen, was da vor sich geht. 

Das Dreieck Russland – Iran – Israel

Zur Zeit ist der hauptsächliche eindeutige „Feind“ der Iran. Washington behauptet, dass der „Raketenabwehrschild“, den es seinen europäischen Alliierten aufzwingt, dazu dient, den Westen gegen den Iran zu verteidigen. Die Russen wiederum erkennen ganz klar, dass der Raketenschild gegen sie selbst gerichtet ist. Zuerst einmal verstehen sie ganz klar, dass der Iran keine derartigen Raketen besitzt und auch keine erkennbaren Motive, diese gegen den Westen einzusetzen. Für alle informierten Analysten ist es völlig klar, dass sogar für den Fall, dass der Iran Atomwaffen und Raketen entwickelt, diese als Abschreckung gegen Israel verstanden würden, die regionale atomare Supermacht, die freie Hand bei Angriffen gegen Nachbarländer hat. Israel will natürlich diese Freiheit nicht verlieren und ist daher naturgemäß gegen eine iranische Abschreckung. Die israelischen Propagandisten schreien laut über die Bedrohung durch den Iran und haben unablässig daran gearbeitet, die NATO mit ihrer Paranoia zu infizieren.

Israel wurde sogar beschrieben als „29. Mitglied der Globalen NATO“. Vertreter Israels haben eine willige Madeleine Albright eifrig bearbeitet, um sicher zu stellen, dass die Interessen Israels im „strategischen Konzept“ berücksichtigt sind. Während der letzten fünf Jahre beteiligten sich Israel und die NATO an gemeinsamen Marinemanövern im Roten Meer und im Mittelmeer, wie auch an Heeresmanövern von Brüssel bis in die Ukraine. Am 16. Oktober 2006 wurde Israel zum ersten nichteuropäischen Land, mit dem ein sogenanntes Abkommen im Rahmen des „Programms der individuellen Kooperation“ mit der NATO betreffend die Kooperation in 27 verschiedenen Bereichen abgeschlossen wurde. Es ist bemerkenswert, dass Israel das einzige Land außerhalb Europas ist, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Zuständigkeit ihres European Command führen (also nicht unter dem Central Command, das den Rest des Mittleren Ostens umfasst). 

Auf einem Seminar über die Beziehungen zwischen NATO und Israel in Herzliya am 24. Oktober 2006 sagte die damalige israelische Außenministerin Tzipi Livni, „die Allianz zwischen NATO und Israel ist nur natürlich ...  Israel und die NATO teilen eine gemeinsame strategische Vision. In vielfacher Beziehung bildet Israel die Frontlinie zur Verteidigung unseres gemeinsamen Lebensstandards.“

Nicht jeder in den Ländern Europas würde die Ansicht teilen, dass die israelischen Siedlungen im okkupierten Palästina „unseren gemeinsamen Lebensstandard“ wiedergeben. Das ist ohne Zweifel ein Grund, aus dem die sich vertiefende Verbindung zwischen der NATO und Israel nicht die offene Form der NATO-Mitgliedschaft angenommen hat. Besonders nach dem barbarischen Angriff gegen Gaza würde ein derartiger Schritt Widerstand in europäischen Ländern hervorrufen. Nichtsdestotrotz fährt Israel damit fort, sich selbst in die NATO einzuladen, natürlich glühend unterstützt von seinen treuen Anhängern im Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika. 

Der hauptsächliche Grund dieser wachsenden Symbiose zwischen Israel und der NATO wurde von Mearsheimer und Walt identifiziert: die energische und mächtige proisraelische Lobby in den Vereinigten Staaten von Amerika. Israelische Lobbies sind auch stark in Frankreich und im Vereinigten Königreich. Enthusiastisch haben sie das Thema Israel als „Frontlinie“ der Verteidigung der „westlichen Werte“ gegen den militanten Islam entwickelt. Die Tatsache, dass der militante Islam weitgehend ein Produkt dieser „Frontlinie“ ist, schafft einen perfekten Teufelskreis.

Israels aggressive Haltung seinen regionalen Nachbarn gegenüber wäre eine ernsthafte Belastung für die NATO und geeignet, diese in Kriege nach dem Ermessen Israels hineinzuziehen, die in keiner Bezeihung im Interesse Europas liegen.

Wie auch immer, ein subtiler strategischer Vorteil liegt in der Verbindung mit Israel, den die Vereinigten Staaten von Amerika zu nutzen scheinen ... gegen Russland. Indem sie sich an die hysterische Theorie der „iranischen Bedrohung“ anhängen, können die Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin mit ernster Miene behaupten, dass der geplante Raketenschild gegen den Iran und nicht gegen Russland gerichtet ist. Das wird die Russen natürlich nicht überzeugen. Das kann aber genutzt werden, um ihre Proteste als „paranoid“ erscheinen zu lassen – zumindest in den Ohren der Gläubigen im Westen. Was haben sie denn immer noch zu jammern, wenn wir doch unsere Beziehungen mit Moskau „resetten“ und den russischen Präsidenten zu unserer lustigen Feier des „strategischen Konzepts“ einladen?

Die Russen wissen jedenfalls ganz genau, dass:

Der Raketenschild so konstruiert werden soll, dass er Russland umschließt, welches Raketen besitzt, die es als Abschreckung behält.

Durch die Neutralisierung der russischen Raketen die Vereinigten Staaten von Amerika sich freie Hand verschaffen würden, Russland anzugreifen im Wissen, dass Russland nicht zurückschlagen könnte.

Der Raketenschild, wenn er funktionierte, ungeachtet dessen, was alles gesagt wird, dazu dienen würde, einen Angriff gegen Russland zu erleichtern.

Die Einkreisung Russlands

Die Einkreisung Russlands setzt sich fort im Schwarzen Meer, in der Ostsee und am nördlichen Polarkreis.

Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika fordern weiterhin, dass die Ukraine der NATO beitreten muss. Gerade letzte Woche gab in einem Artikel in der New York Times Zbigniews Sohn Ian J. Brzezinski Obama den Rat, nicht die „Vision“ eines „ganzen, freien und sicheren“ Europa einschließlich der „letztendlichen georgischen und ukrainischen Mitgliedschaft in der NATO und in der Europäischen Union“ aufzugeben. Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Ukraine gegen eine NATO-Mitgliedschaft ist, spielt keine Rolle. Für den derzeitigen Spross der edlen Brzezinski-Dynastie ist es die Minderheit, die zählt. Die Aufgabe der Vision „untergräbt diejenigen in Georgien und in der Ukraine, die ihre Zukunft in Europa sehen. Sie verstärkt das Streben des Kreml nach einer Einflusssphäre ...“ Die Vorstellung, dass „der Kreml“ eine „Einflusssphäre“ in der Ukraine anstrebt, ist absurd, wenn man die extrem engen historischen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine bedenkt, deren Hauptstadt Kiew die Wiege des russischen Staates war. Die Rufe der Familie Brzezinski ertönten allerdings aus Galizien, dem Teil der westlichen Ukraine, der einmal zu Polen gehört hat und das Zentrum der antirussischen Minderheit bildet. Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika wird allzu häufig von derartigen Rivalitäten beeinflusst, von denen die überwiegende Mehrheit der Amerikaner nicht die leiseste Ahnung hat. 

Das unerbittliche Beharren der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Einverleibung der Ukraine geht weiter ungeachtet der Tatsache, dass das die Vertreibung der russischen Schwarzmeerflotte von ihrer Basis auf der Halbinsel Krim bedeuten würde, wo die örtliche Bevölkerung überwiegend russisch spricht und pro-russisch eingestellt ist. Das ist ein Rezept für Krieg gegen Russland, wenn es je ein solches gegeben hat.

Mittlerweile erklären Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin auch ihre Unterstützung für Georgien, dessen in Amerika ausgebildeter Präsident offen die Hoffnung äußert, die Unterstützung der NATO für seinen nächsten Krieg gegen Russland zu bekommen. Abgesehen von provokanten Marinemanövern im Schwarzen Meer führen die Vereinigten Staaten von Amerika, NATO und die (noch) Nichtmitglieder der NATO Schweden und Finnland regelmäßig größere militärische Übungen in der Ostsee durch, gewissermaßen in Sichtweite der russischen Städte Sankt Petersburg und Kaliningrad. An diesen Übungen beteiligt sind tausende Soldaten der Bodentruppen, hunderte Flugzeuge einschließlich F-15 Kampfflugzeugen, AWACS und Marinekräfte, darunter der Flugzeugträgerverband Strike Group 12 der Vereinigten Staaten von Amerika, Landungsfahrzeuge und Kriegsschiffe aus einem Dutzend Ländern.

Vielleicht am bedrohlichsten von alledem haben die Vereinigten Staaten von Amerika ständig Kanada und die skandinavischen Staaten (darunter Dänemark via Grönland) in einen militärischen Einsatz einbezogen, der offen gegen Russland gerichtet ist. Der wesentliche Punkt dieses arktischen Einsatzes wurde von Fogh Rasmussen bekannt gegeben, als er unter den „Bedrohungen“, mit denen die Nato fertig werden müsse, die Tatsache erwähnte, dass „das arktische Eis zurück geht, wodurch Ressourcen zugänglich werden, die bisher vom Eis bedeckt waren.“ Man könnte nun meinen, dass dieses Freiwerden von Ressourcen eine Gelegenheit wäre für eine Kooperation, um sie gemeinsam auszubeuten. Aber das ist nicht die offizielle Einstellung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Im vergangenen Oktober sagte der Admiral der Vereinigten Staaten von Amerika James G. Stavridis, der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, dass globale Erwärmung und ein Wettlauf um Ressourcen zu einem Konflikt in der Arktis führen könnten. Konteradmiral Christopher C. Colvin von der Küstenwache, zuständig für die Küste Alaskas, sagte, dass die russischen Schifffahrtsaktivitäten im arktischen Meer den Vereinigten Staaten von Amerika „besonderes Kopfzerbrechen bereiteten“ und forderte mehr militärische Einrichtungen in der Region. Der geologische Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika glaubt, dass in der Arktis bis zu einem Viertel der unentdeckten Weltvorkommen von Erdöl und Erdgas liegen. Gemäß der Seerechtskonvention der UNO aus dem Jahr 1982 hat ein Küstenanrainerstaat Anspruch auf eine Zone von 200 Seemeilen und kann weitere 150 Meilen beanspruchen, wenn er beweist, dass der Meeresboden eine Fortsetzung seines Festlandsockels bildet. Russland erhebt diesen Anspruch und hat ihn geltend gemacht. Nachdem diese den Rest der Welt dazu gedrängt haben, der Konvention beizutreten, hat der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika das Abkommen noch immer nicht ratifiziert. Im Januar 2009 erklärte die NATO, dass der „Hohe Norden“ von „strategischem Interesse für die Allianz“ ist, und seither hat die NATO mehrere größere Kriegsspiele abgehalten, ganz klar in Vorbereitung auf einen letztendlichen Konflikt mit Russland über die Ressourcen in der Arktis.

Russland hat seine Verteidigungsstellungen in der Arktis nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion weitgehend abgebaut und hat gefordert, Kompromisse über die Kontrolle der Ressourcen auszuhandeln. Im vergangenen September forderte Ministerpräsident Vladimir Putin gemeinsame Anstrengungen, um das zerbrechliche Ökosystem zu schützen, fremde Investitionen anzuziehen, umweltfreundliche Techniken zu fördern und daran zu arbeiten, dass Konflikte im Rahmen des Internationalen Rechts gelöst werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika jedoch ziehen es wie üblich vor, die Angelegenheit dadurch zu regeln, dass sie ihr Gewicht zum Einsatz bringen. Das könnte zu einem neuen Rüstungswettlauf in der Arktis führen und sogar zu bewaffneten Zusammenstößen. 

Trotz all dieser provokanten Züge ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg mit Russland suchen, obwohl Auseinandersetzungen und Zwischenfälle da und dort nicht ausgeschlossen werden können. Die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika scheint darin zu bestehen, Russland einzukreisen und in einem Ausmaß einzuschüchtern, dass es den Status eines Halbsatelliten akzeptiert, der es in dem zu erwartenden zukünftigen Konflikt mit China neutralisiert.

Ziel China

Der einzige Grund, gegen China loszugehen, ist wie der sprichwärtliche Grund, den Berg zu besteigen: es ist da. Es ist groß. Und die Vereinigten Staaten von Amerika müssen über allem stehen.

Die Strategie für die Beherrschung Chinas ist die gleiche wie für Russland. Sie besteht in klassischer Kriegsführung: Einkreisung, Belagerung, mehr oder weniger geheimer Unterstützung für innere Unordnung. Beispiele für diese Strategie:

In provokanter Weise verstärken die Vereinigten Staaten von Amerika ihre militärische Präsenz entlang der pazifischen Küste Chinas, indem sie den ostasiatischen Ländern „Schutz gegen China“ anbieten.

Während des Kalten Krieges, als Indien seine Waffen von der Sowjetunion bekam und eine blockfreie Haltung einnahm, bewaffneten die Vereinigten Staaten von Amerika Pakistan als seinen wichtigsten Alliierten in der Region. Jetzt verlagern die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Gunst nach Indien, um Indien aus dem Einfluss der Shanghai Cooperation Organization herauszuhalten und es als Gegengewicht zu China aufzubauen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten unterstützen jede innere Abweichung, die China schwächen könnte, sei es der Dalai Lama, die Uighuren oder Liu Xiaobo, der eingesperrte Dissident.

Der Friedensnobelpreis wurde Liu Xiabao zuerkannt von einem Komitee norwegischer Abgeordneter unter dem Vorsitz von Thorbjorn Jagland, Norwegens Abklatsch von Tony Blair, der als norwegischer Premierminister und Außenminister gedient hatte und einer der hauptsächlichen NATO-Befürworter war. Auf einer von der NATO veranstalteten Konferenz europäischer Parlamentarier im letzten Jahr sagte Jagland: „Wenn wir die Tyrannei nicht aufhalten können, beginnt der Krieg. Aus diesem Grund ist die NATO unverzichtbar. Die NATO ist die einzige multilaterale Militärorganisation, die im internationalen Recht verwurzelt ist. Sie ist eine Organisation, die die UNO benutzen kann, wenn es notwendig ist – um Tyrannei zu stoppen, wie wir es auf dem Balkan getan haben.“ Das ist eine erstaunlich dreiste Verdrehung der Tatsachen, wenn man bedenkt, dass die NATO offen gegen das Internationale Recht und gegen die UNO verstoßen hat, um Krieg auf dem Balkan zu führen – wo es in Wirklichkeit zwar ethnische Konflikte gab, aber keine „Tyrannei“.  

Bei der Bekanntgabe der Auswahl von Liu erklärte das norwegische Nobelpreiskomitee unter dem Vorsitz von Jagland, es habe „lange geglaubt, dass eine enge Beziehung zwischen Menschenrechten und Frieden besteht.“ Diese „enge Beziehung“, folgt man der Logik von Jaglands Äußerungen, besteht darin, dass wenn ein fremder Staat die Menschenrechte nicht der westlichen Interpretetion entsprechend respektiert, dieser bombardiert werden könnte, wie die NATO Jugoslawien bombardiert hat. Tatsächlich sind ausgerechnet die Mächte, die den größten Lärm bezüglich „Menschenrechte“ veranstalten, besonders die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich diejenigen, die die meisten Kriege auf der ganzen Welt führen. Die norwegischen Erklärungen machen klar, dass die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu (der seine Jugend teilweise in Norwegen verbrachte) in Wirklichkeit eine Förderung der NATO darstellt.

„Demokratien“ als Ersatz für die Vereinten Nationen

Die europäischen Mitglieder der NATO tragen relativ wenig zur militärischen Macht der Vereinigten Staaten von Amerika bei. Ihr Beitrag ist in erster Linie ein politischer. Ihre Mitwirkung hält den Eindruck einer „Internationalen Gemeinschaft“ aufrecht. Die Welteroberung, die von der bürokratischen Trägheit des Pentagon betrieben wird, kann als Kreuzzug der „Demokratien“ der Erde hingestellt werden, um deren erleuchtete politische Ordnung dem Rest einer aufsässigen Welt aufs Auge zu drücken. 

Die euro-atlantischen Regierungen erklären ihre „Demokratie“ zur Grundlage ihrer absoluten Berechtigung, sich in die Angelegenheiten des Restes der Welt einzumischen. Auf der Grundlage des Trugschlusses, dass „Menschenrechte notwendig für den Frieden sind“ proklamieren sie ihr Recht, Krieg zu führen.

Eine entscheidende Frage ist, ob die „westliche Demokratie” noch die Kraft hat, diese Kriegsmaschine zu demontieren, ehe es zu spät ist.

Anmerkung: Herzlichen Dank an Rick Rozoff für seine ständige Versorgung mit wichtigen Informationen

 
     
  Erschienen am 18. November 2010 in > Counterpunch > Artikel  
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