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  Was die Medien über die antiiranischen WikiLeaks-Enthüllungen nicht sagen

Muhammad Sahimi  

Die am intensivsten diskutierten der von WikiLeaks in der letzten Woche veröffentlichten Dokumente handelten davon, was einige der arabischen Führer über den Iran und sein nukleares Programm denken. Laut diesen Dokumenten haben viele der arabischen Führer hinten herum die Vereinigten Staaten von Amerika gedrängt, den Iran anzugreifen, während sie in der Öffentlichkeit behaupten, dass sie gegen einen solchen Angriff sind. In einer Depesche vom April 2008 wird Abdel A. al-Jubir, der saudiarabische Botschafter in den Vereinigten Staaten von Amerika, zitiert in Hinblick auf Saudiarabiens König Abdullah und dessen „häufigen Mahnrufe an die Vereinigten Staaten von Amerika, den Iran anzugreifen und damit dessen Atomwaffenprogramm ein Ende zu bereiten.“ Der Verteidigungsminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Prinz Mohammed bin Zayed wird in einem Memorandum vom Juli 2009 zitiert mit dem Ausspruch „[Mahmoud] Ahmadinejad ist Hitler“ und dass er die Vereinigten Staaten von Amerika dazu anhält, den Iran nicht „mit Samthandschuhen zu behandeln“, womit er die Standpunkte von Israels Likud-Partei widerspiegelt.  

König Hamad von Bahrain, dem Sitz des Hauptquartiers der 5. Flotte der Vereinigten Staaten von Amerika, wird in einer Depesche vom November 2009 mit dem Ausspruch zitiert: „Dieses Programm [das Atomprogramm des Iran] muss eingestellt werden. Die Gefahr ist größer, wenn es weiter geführt wird, als wenn es eingestellt wird.“ Der libanesische Premierminister Saad Hariri wird in einer Depesche vom August 2006 zitiert mit: „Irak [die Invasion] war unnötig. Iran [die Invasion] ist notwendig.“ Zaid al Rifai, der Vorsitzende des jordanischen Senats und Vater des Premierministers wird zitiert mit: „Den Iran bombardieren oder mit einer iranischen Bombe leben. Sanktionen, Zuckerbrot, Anreize bringen nichts.” 

Dass die arabischen Herrscher feindlich gegen den Iran eingestellt sind, ist für die Iraner nichts Neues. Die Feindseligkeit ist Jahrhunderte alt. Beunruhigend ist, dass die Massenmedien der Vereinigten Staaten von Amerika derlei private Empfindungen benutzt haben, um ihre Geschichte voranzutreiben, die die Neokonservativen, die israelische Lobby und die Kriegspartei in Hinblick auf den Iran entwickelt haben, nämlich dass der Iran eine Bedrohung für die nicht existierende Stabilität des Mittleren Ostens und den nicht existierenden „Friedensprozess“ zwischen Israel und den Palästinensern darstellt und dass sein nicht existierendes Atomwaffenprogramm eine Bedrohung der Sicherheit der Alliierten der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Region und darüber hinaus bildet. Dass diese arabischen Herrscher es nicht wagen, die gleichen Äußerungen in der Öffentlichkeit abzugeben, weil diese sie zu Israels Bettgenossen machen würden, gar nicht zu reden davon, dass der harte Standpunkt des Iran gegenüber Israel sehr populär bei der Masse der Araber ist, zeigt nur die äußerste Unehrlichkeit dieser Verbündeten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Aber auch die Massenmedien haben ihren moralischen Bankrott aufgezeigt, indem sie nicht über die große Kluft zwischen den Empfindungen der Massen und deren Beherrscher in der islamischen Welt in Bezug auf das Atomprogramm des Iran, Irans Stellung gegenüber Israel, die Natur der arabischen Regimes, die vermutlich Verbündete der Vereinigten Staaten von Amerika sind und die wahrscheinlichen Folgen militärischer Angriffe gegen der Iran berichtet haben. Dem liegt zu Grunde, dass die Massenmedien die Wahrheiten verbergen wollen, die das auf den Krieg gegen den Iran ausgerichtete Gedankengebäude zerstören könnten.  

Beginnen wir damit, dass die Massenmedien nicht klar machen, dass nahezu alle arabischen Länder, deren Herrscher militärische Angriffe gegen den Iran befürwortet haben, von unpopulären und korrupten Diktaturen oder autokratischen Regimes beherrscht werden, die von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt werden. In Saudiarabien herrscht ein mittelalterliches System, in dem die Frauen so gut wie keine Rechte und die Bürger keine politische Freiheit haben. Bahrain ist ein Inselstaat, in dem die Schiiten, die eine große Mehrheit der Bevölkerung bilden, hart von den herrschenden Sunniten unterdrückt werden. Die Regierung von Bahrain hat sogar sunnitische Araber importiert und diesen schnell die Staatsbürgerschaft verliehen, um die Anzahl der Sunniten zu vergrößern.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ein Land, das aus sieben absolutistischen Monarchien besteht, werden von einem korrupten arabischen Stamm beherrscht und wurden 1971 vom britischen Empire geschaffen. Das Doppelspiel seiner Herrscher zeigt sich etwa darin, dass die VAE einen falschen Anspruch auf drei Inseln im Persischen Golf erheben, das größere und kleinere Tunb und Abu Mousa, die seit mindestens 1.000 Jahren iranisches Territorium sind, während sie sich gleichzeitig durch den lukrativen Handel bereichern, den sie mit dem Iran betrieben haben und die $ 400 Milliarden, die Auslandsiraner dort im Lauf der letzten zehn Jahre investiert haben. 

Eine ausführliche Erhebung durch die Brookings Institution im letzten August weist klar darauf hin, dass im Gegensatz zu ihren herrschenden Diktatoren die arabischen Massen das nukleare Programm des Iran unterstützen. Sie sind sogar dafür, dass der Iran Atomwaffen haben sollte und erachten diese Möglichkeit als positiv für den Mittleren Osten, weil sie ein Gegengewicht zu Israels Arsenal schaffen würde, und sie betrachten Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht den Iran als größte Bedrohungen für Frieden und Stabilität in der Region.

Bei der Erstellung des antiiranischen pro-Kriegs-Gedankengebäudes haben die Massenmedien auch völlig vergessen, dass einer der Hauptgründe für den Terrorismus, der von Extremisten aus dem Mittleren Osten gegen den Westen und besonders gegen die Vereinigten Staaten von Amerika betrieben wird, die enge Verbindung der arabischen Regimes mit den Vereinigten Staaten von Amerika und die Unterstützung ist, die sie von diesen bekommen. Von den folgenden Punkten ist so gut wie nie die Rede:

  • 15 der 19 Terroristen, die die Vereinigten Staaten von Amerika am 11. September 2001 attackierten, stammten aus Saudiarabien, zwei aus Ägypten und je einer aus dem Libanon und den VAE.
  • Zumindest in den letzten zwei Jahrzehnten war kein einziger Iraner in irgendwelche terroristischen Attacken auf die Vereinigten Staaten von Amerika verwickelt; wann immer der Iran einer Beteiligung beschuldigt wurde, wurden der Öffentlichkeit keine Beweise vorgelegt.
  • Die Taliban – Erzfeinde des Iran – sind in Wirklichkeit die ehemaligen afghanischen Mujahedin, die von Saudiarabien gegründet, von der CIA bewaffnet und vom pakistanischen Geheimdienst ISI ausgebildet 1996 mit Unterstützung des ISI in Afghanistan an die Macht kamen. WikiLeaks-Dokumente weisen darauf hin, dass die Vereinigten Staaten von Amerika befürchten, dass der ISI noch immer die Taliban unterstützt.
  • Es war der Iran – nicht Saudiarabien und die anderen arabischen Regierungen – der den Vereinigten Staaten von Amerika beim Sturz der Taliban 2001 signifikante Unterstützung zur Verfügung stellte, und es war die Nordallianz, eine afghanische Gruppierung, die vom Iran ausgerüstet und unterstützt wurde, die in Kabul einmarschierte und die Taliban stürzte, nicht die Armee der Vereinigten Staaten von Amerika. 
  • Der Iran spielte eine entscheidende Rolle bei der Bildung der afghanischen Regierung der nationalen Einheit im Dezember 2001.
  • Die schiitischen Gruppierungen, die jetzt im Irak an der Macht sind und von den Vereinigten Staaten von Amerika angepriesen werden als vorbildliche demokratische Parteien im Mittleren Osten, wurden von Saddam Hussein in den 1980er Jahren unterdrückt, als die Vereinigten Staaten von Amerika den Irak bei dessen Krieg gegen den Iran unterstützten, und es war der Iran, der diesen Gruppierungen Zuflucht gewährte und sie bewaffnete und ausbildete.
  • Es sind die reichen und konservativen Araber am Persischen Golf, die die islamischen Schulen – die Madrassas – in Pakistan finanzieren, die Brutstätten sind für die Ausbildung von Extremisten, welche letztendlich Attacken gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und deren Alliierte ausführen.
  • Es ist Saudiarabien, das terroristische Gruppierungen wie Jundallah finanziert, welche terroristische Attacken im Iran ausführen, und die sunnitischen Sekten der Salafi und Wahhabi, beide beheimatet in Saudiarabien, liefern die Ideologie für die radikalen Terroristen.
  • Es ist Saudiarabien, das durch die Zusammenarbeit mit Saddam Hussein während seines Kriegs gegen den Iran und mit den Sunniten, nachdem jener von den Vereinigten Staaten von Amerika gestürzt worden war, viel zu Krieg und Elend im Mittleren Osten beigetragen hat. Die überwiegende Mehrheit der al-Qaeda-Kämpfer im Irak kam aus Saudiarabien, Jordanien und Ägypten.
  • Der gleiche Saad Hariri, der in WikiLeaks zitiert worden war, besuchte den Iran vor zwei Wochen und forderte einen Verteidigungspakt mit dem Iran.

Die Massenmedien erwähnen nicht einmal, dass die arabischen Herrscher, wenn sie die Bombardierung des Iran fordern, zugleich auch fordern, dass ein solcher Schritt nur unternommen werden solle, wenn es eine gerechte Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt gibt, da die Medien nur an einem einzigen Thema interessiert sind: am Aufbau des antiiranischen Feindbildes, für das sich die Neokonservativen, die Kriegspartei und die israelische Lobby einsetzen. 

Die Massenmedien versagen auch bei der Aufklärung der Öffentlichkeit über die wahrscheinlichen Konsequenzen eines Krieges gegen den Iran. Sie teilen der Öffentlichkeit nicht mit, dass der Iran nicht Irak oder Afghanistan ist, dass jeder Krieg gegen den Iran sich schnell im Mittleren Osten und höchstwahrscheinlich darüber hinaus verbreiten wird, dass er den Zusammenbruch der Wirtschaft des Westens zur Folge haben und dass er letztendlich zum Dritten Weltkrieg führen wird. 

 
     
  Erschienen am 7. Dezember 2010 auf > http://www.antiwar.com > Artikel  
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