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  ‘Apartheid’ – Jimmy Carters Geschenk

John V. Walsh

Im Schatten der Ereignisse in Ägypten fanden Neuigkeiten von seinem kleinen Nachbarn nicht so viel Aufmerksamkeit, zumal die Medien befürchteten, die Demokratie in Ägypten könnte nicht so genial sein wie die Mubarak-Diktatur, besonders in Hinblick auf die unerbittliche langfristige ethnische Säuberung eines einheimischen Volkes, der Palästinenser. Eine aktuelle Neuigkeit aus diesem Bereich ist allerdings, dass israelische „Menschenrechtsanwälte“ an die Öffentlichkeit gegangen sind mit einer Verleumdungsklage gegen Jimmy Carter und dessen präzises kleines Buch ‚Palestine, Peace not Apartheid’ (‚Palästina, Frieden statt Apartheid’). Das Problem für die Israelis liegt in einem einzigen Wort in Carters Titel, „Apartheid.“

Namen, Namen, Namen. Was ist denn eine genaue Beschreibung Israels? Es gibt viele Bezeichnungen, von denen keine greift. Die Parteigänger Israels nennen es gerne „den jüdischen Staat.“ Diese Bezeichnung trägt eine beunruhigende Note. Wir mögen keine „islamischen Staaten,“ und „christlicher Staat“ ruft Vorstellungen von Faschismus, Bigotterie und Kreuzzügen hervor. Klingt „jüdischer Staat“ etwa irgendwie toleranter?

Dann gibt es noch das sehr altmodische Etikett: „ein Volk ohne Land und ein Land ohne Volk.“ Nicht einmal die europäischen Kolonialisten der beiden Amerikas hatte die Chutzpe, die Existenz der einheimischen Völker zu bestreiten, während diese ausgerottet oder in Reservate gesteckt wurden, die Gazas der Neuen Welt. Obwohl sich diese rassistische Phrase bis hinauf zu Golda Meir halten konnte, die die Existenz der Palästinenser überhaupt bestritt, hatten sich die Palästinenser zumindest in der Zeit des Terroristen Yithhak Shamir verwandelt in „Insekten“ oder „Küchenschaben.“ Shamir erlaubte ihnen zumindest ihre ärgerliche Existenz als Untermenschen.

Dann gibt es den „kolonialen Siedlerstaat,“ eine zutreffende Bezeichnung, die gut verstanden wird von den Ländern der Dritten Welt, die weiterhin ihren Kampf gegen die versteckten Fesseln der europäischen Domination führen – aber nicht gut verstanden in dem mehr oder weniger postkolonialen Westen. Natürlich gibt es noch das „zionistische System,“ das wiederum gut verstanden wird von den Unterdrückten im Mittleren Osten, aber unverständlich ist für viele im Westen, die gelernt haben, das als antisemitisch aufzufassen.

Carter hat den Begriff „Apartheid“ ins Spiel gebracht, der genau zutrifft und leicht verständlich ist, ein Begriff, „dessen übler Geruch den Nasen der Welt bekannt ist.“ Das ist es ja auch, was in Israel und in den Territorien vorgeht, die es okkupiert. Wollen Sie Israel als Demokratie bezeichnen? Kein Problem, wenn wir verstehen, dass es eine Demokratie in dem gleichen Sinne ist wie Südafrika unter der Apartheid. Die Apartheid in der West Bank ist dermaßen krass, dass von Satelliten aus zu erkennen ist, wo die jüdischen Siedler ihre eigenen Straßen in der West Bank haben. Und wenn die West Bank schon ein Zufluchtsort für Terroristen ist, warum, ja warum sollten die Israelis weiterhin ihre Siedlungen auf der Außenseite der großen „Sicherheits“-Mauer bauen, die in der Tat eine Apartheidsmauer ist. Die Allegorie der südafrikanischen Apartheid spielt sich mit erstaunlicher Detailtreue ab. Gaza, ein Freiluftgefängnis, gleicht einem Bantustan, einem virtuellen Gefängnis, in dem nur Araber wohnen. Israel hat auch arabische „Bürger,“ mit verminderten Rechten, die mit ihrem arabischen Status zusammenhängen, ziemlich ähnlich wie die „Farbigen“ im alten Südafrika. Und dann gibt es die Araber in der West Bank, die in Armut in der Nachbarschaft und getrennt vom großen Reichtum der jüdischen Israelis leben, ganz wie die Townships des alten Südafrika. Antiarabischer Rassismus zieht sich durch die Gesellschaft auf viele verschiedene Weisen. Dieser bildet ein zentrales Element der israelischen Gesellschaft und nicht nur einen oberflächlichen Aspekt.

Der große Vorteil des Begriffs „Apartheid“ besteht nicht nur einfach in seiner Treffsicherheit, sondern in der Tatsache, dass jeder im Westen und auf dem Rest des Planeten weiß, dass diese in Südafrika falsch war – und falsch in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo diese als Rassentrennung bezeichnet wurde. Und falsch ist sie auch in Israel. Indem er dieses einzelne Wort in die Hauptströmung der politischen Diskussion einbrachte, hat Carter uns eine Waffe gegeben im Kampf um den langsamen Genozid am palästinensischen Volk. Diese sollte immer benutzt werden – der „israelische Apartheidsstaat“ oder der „Apartheidsstaat Israel“ oder noch einfacher „Apartheid-Israel.“ Es ist ein Vorteil, verankert in der Hauptströmung der Medien, benutzen wir es routinemäßig, bevor es an Wirkung verliert.   

Da sind nun diese „Menschenrechtsanwälte“ aus Apartheid-Israel, welche versuchen, Carter und seinen Verleger in New York zu klagen, indem sie behaupten, dass die Klassifikation des Buches als „Sachbuch“ gegen die New Yorker Konsumentenschutzgesetze verstößt. Es ist ein aufregender Fall, da es das erste Mal ist, dass ein Präsident und sein Verleger wegen eines Verstoßes gegen die Konsumentenschutzgesetze geklagt worden sind. Das ganze ist noch absurder als die Klage der texanischen Rinderzüchter von Cactus Feeders Inc., die Oprah Winfrey wegen Verleumdung von Rindfleisch verklagt haben.

Einer der führenden Anwältinnen des Apartheidsstaates ist Nitsana Darshan-Leitner, die es zu großer Bekanntheit brachte, nachdem sie von der juridischen Fakultät aus 1990 bei der Bearbeitung einer Klage in Sachen der Opfer auf der 1985 gekaperten Achille Lauro mitwirkte, wo tragischerweise ein jüdischer Amerikaner von Terroristen ermordet worden war, die das Schiff in ihre Herrschaft gebracht hatten. Von ihr war allerdings nichts zu hören über die Tötung eines türkischstämmigen Amerikaners und von sechs Türken an Bord der Mavi Marmara, die die Blockade von Gaza zu durchbrechen versuchte. Zwischen den beiden Vorfällen besteht ein entscheidender Unterschied: der erstere war die Tat einzelner Terroristen, der zweite war die Tat eines Staates, der daher als terroristischer Staat bezeichnet werden muss, nämlich der Apartheidstaat Israel. Vor kurzem veröffentlichte die türkische Regierung ihren Bericht über die Geschehnisse auf der Mavi Marmara, der auf nichts weniger als kaltblütigen Mord durch die Agenten des Apartheidsstaates hinweist. Was für eine Menschenrechtsanwältin sind Darshan-Leitner und ihresgleichen? Urteilen Sie selbst.

Carter wird sicher schikaniert werden für seinen Beitrag zu der Diskussion Israels in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber mehr als ein verzweifelter und fadenscheiniger Angriff gegen ihn wird nicht herauskommen. Allerdings zeigt sich deutlich, wie sehr die Champions des Apartheidsstaates Israel diese starke Äußerung der Wahrheit fürchten. In einer Bezeichnung steckt viel. Carter hat uns den Begriff „Apartheid“ geschenkt. Verwenden wir diese Bezeichnung unablässig, damit die Wahrheit über die Apartheid-Natur Israels völlig transparent wird.

 
     
  erschienen am 14. Februar 2011 auf > www.antiwar.com > Artikel  
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