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In Amerika ist der Rechtsstaat aufgegeben

Paul Craig Roberts

Während Bankbetrüger, Folterer und Kriegsverbrecher frei herum laufen, hat das Justiz(!)ministerium der Vereinigten Staaten von Amerika nichts besseres zu tun, als den bekannten Gitarrenhersteller Gibson in Tennessee zu schikanieren, Produzenten von Bioprodukten in Kalifornien zu verhaften und 12 gewalttätige mit Sturmgewehren bewaffnete FBI-Agenten wieder einmal ein falsches Haus mit wieder einmal einer unschuldigen Familie zu stürmen und Eltern, Kinder und Großmutter zu traumatisieren.  

Welches Gesetz hat der Gitarrenhersteller Gibson gebrochen, was die Bundesagenten dazu veranlasste, die Gibson-Produktionsanlagen in Nashville und Memphis stillzulegen, Gitarren zu beschlagnahmen, Auslieferungen zu verzögern, und der Firma Kosten von $3 Millionen zu verursachen? 

Kein Gesetz der Vereinigten Staaten von Amerika wurde gebrochen. Die Bundesbeamten behaupten, dass Gibson gegen ein indisches Gesetz verstoßen hat.

Indien hat sich nicht über Gibson beschwert oder die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika um Hilfe ersucht bei der Durchsetzung ihrer Gesetze gegen Gibson. Nein, die Bundesbeamten haben es aus eigenen Stücken unternommen, indische Gesetze zu interpretieren und gegen Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika durchzusetzen. Die Bundesbeamten behaupten, dass die Verwendung von indischem Holz in Gibson-Gitarren illegal ist, weil das Holz nicht von indischen Arbeitern fertig bearbeitet wurde.

Das muss nicht der indischen Gesetzesauslegung entsprechen, nachdem Indien ja den Expert des nicht fertig verarbeiteten Holzes gestattet hat. Vielleicht sind die Bundesbeamten darauf aus, den Abbau von noch mehr Arbeitsplätzen von Arbeitern der Vereinigten Staaten von Amerika und deren Ersatz durch ausländische Arbeiter mit H-1B-Genehmigungen zu erzwingen. Gibson kann sein Problem dadurch lösen, dass es seine Arbeiter in Tennessee feuert und durch Inder mit H-1B-Arbeitsvisas ersetzt.

In Venice, Kalifornien, verkleideten sich Bundesbeamte ein Jahr lang als Hippies und kauften rohe Ziegenmilch und Joghurt von Rawesome Foods und stürmten dann, herausgeputzt mit Hanfkettchen und nach Patchouli riechend, mit gezogenen Schusswaffen – immer sind die Schusswaffen gezogen – den Bioladen. Das Verbrechen des Besitzers bestand darin, dass er die Lebensmittel, mit denen ich aufgewachsen bin, an Kunden verkaufte, die diese verlangten. Für diese ruchlose Tat ist James C. Stewart mit einer Anklage mit 13 Punkten konfrontiert und kam nur gegen eine Kaution in der Höhe von $123.000 frei. 

Wie wurde Rohmilch zu einer „Gefahr für die Gesundheit?” Viel mehr Amerikaner sind gestorben an Kolibakterien in Fast-Food-Hamburgers und von Salmonellen in Eiern und Hühnern aus Massenproduktion. Wie viele aus meiner Generation wurde ich mit Rohmilch aufgezogen. Mathis Dairy belieferte damit die Häuser in Atlanta. Jahrzehnte später konnte man noch Mathis Dairy´s Rohmilch in Geschäften in Atlanta kaufen. Wie wurde die Versorgung mit einem gewöhnlichen Grundnahrungsmittel zu einem Verbrechen?

Die FBI-Agenten, die Gary Adams Haustür in Bellevue, Pennsylvania, aufbrachen behaupten, sie hätten eine Frau gesucht. Warum braucht es 12 schwer bewaffnete FBI-Agenten, um eine Frau festzunehmen? Sind FBI-Agenten dermaßen entkräftet? Wenn die Bundesbeamten nicht einmal die richtige Adresse herausbekommen, wie sollen wir dann annehmen, dass Namen und Geschlecht stimmen?

Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als ein einzelner Polizist genügte, um einen Haftbefehl zuzustellen und eine Person zu verhaften, ohne gezogenen Revolver und ohne die Tür einzutreten, ohne Tasern und Schießen. Die FBI-Agenten, die in das Haus der Adams stürmten, waren nicht nur an der falschen Adresse, sondern hatten nicht einmal einen Durchsuchungsbefehl, auch nicht für die richtige Adresse.  

Die Gewohnheit, schwer bewaffnete Kommandos in amerikanische Häuser zu schicken, hat zu vielen sinnlosen Morden an Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika geführt. Damit muss Schluss gemacht werden und die Spezialeinheiten müssen aufgelöst werden. Spezialeinheiten haben viel mehr Unschuldige ermordet als gefährliche Verbrecher. Geiselnahmen sind selten und werden am besten ohne Gewaltanwendung gelöst.

Jose Guerena, ein Marinesoldat der Vereinigten Staaten von Amerika, der zwei Perioden in Bushs Krieg gegen den Irak gedient hat, wurde in seinem eigenen Haus vor den Augen seiner Frau und der beiden kleinen Kinder von einem enthemmten Spezialkommando ermordet, das über 70 Schüsse auf ihn abfeuerte. Als ihm seine Frau sagte, dass Männer um das Haus schlichen, nahm er sein Gewehr und ging in die Küche, um zu sehen, was los war, und wurde niedergeschossen. Das hysterische Einsatzkommando feuerte grundlos 71 Schüsse auf ihn ab. Tapfere, harte Macho-Polizisten bei der Verteidigung der Öffentlichkeit und Ermordung von Kriegsveteranen.

Ich habe Studien gesehen, welche zeigen, dass die Polizei tatsächlich mehr gewaltsame Handlungen gegen die Öffentlichkeit begeht als Kriminelle, was eine interessante Frage erhebt: Ist die Polizei eine größere Bedrohung für die Öffentlichkeit als die Verbrecher? Auf Yahoo suchte ich nach „Polizeibrutalität“ und bekam 4,840,000 Einträge.

Während dessen laufen die wirklichen Schwerstverbrecher wie Dick Cheney frei herum, welcher, wenn er wegen seiner Taten vor das Nürnberger Gericht gekommen wäre, ganz bestimmt als Kriegsverbrecher hingerichtet worden wäre.

Cheney hausiert im gesamten Fernsehen mit seinen Memoiren. Am 29. August, interviewt von Jamie Gangel auf NBC´s Dateline, gab Cheney ein weiteres Mal stolz zu, dass er Folter, Geheimgefängnisse und illegales Abhören autorisiert hat. Das sind Verbrechen nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten von Amerika und nach Internationalem Recht. 

Cheney behauptet, dass die Gesetze gegen Folter zu brechen „die richtige Vorgangsweise ist,“ wenn „wir einen besonders wichtigen Gefangenen haben und das die einzige Möglichkeit ist, diesen zum Sprechen zu bringen.“  

Drei Fragen fallen einem sofort ein, die keines der presstituierten Medien jemals stellt.

Die erste ist: Warum glaubt Cheney, dass das Amt des Vizepräsidenten, Präsidenten oder Justizministers die Macht hat, den Verstoß gegen ein Gesetz zu „autorisieren“? Unser gepriesener „Rechtsstaat“ hört auf zu existieren, wenn Bundesfunktionäre den Bruch von Gesetzen autorisieren können.

Die zweite ist: Von welchen besonders wichtigen Gefangenen spricht Cheney? Donald Rumsfeld hat erklärt, die Gefangenen in Guantánamo seien „die gefährlichsten, bestausgebildeten, bösartigsten Killer auf der Erde.“ Die überwiegende Mehrheit musste allerdings entlassen werden, nachdem sich herausstellte, nach Jahren ihres Lebens, die sie in einem Foltergefängnis verbracht hatten, dass die überwiegende Mehrheit der Gefangenen glücklose Unschuldige waren, die den dummen Amerikanern von Warlords als „Terroristen“ gegen Kopfprämien verkauft worden waren. Um das Gesicht zu wahren, hält die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika einige Gefangene weiterhin fest, ist sich aber deren angeblicher Schuld nicht einmal so sicher, dass sie sie vor ein ordentliches Gericht zu stellen wagt.  

Die dritte ist: Warum glaubt Cheney, dass er besser weiß als alle gesammelten dokumentierten Beweise, dass Folter keine wahre oder verwertbare Information erbringt? Wenn der gefolterte Mensch tatsächlich ein Terrorist ist, dann weiß er, dass seine Folterer die Antworten nicht kennen, nach denen sie suchen, und kann seinen Folterern alles sagen, was seinen Zielen dient. Wenn der gefolterte Mensch unschuldig ist, dann hat er keine Ahnung, was seine Folterer erfahren wollen und versucht herauszufinden, was sein Folterer hören will, damit er das „gestehen“ kann.  

Glenn Greenwald macht klar, dass Dick Cheney, der den Vorsitz führte über „eine Politik, die den Tod hunderttausender unschuldiger Menschen infolge von Angriffskriegen verursachte, ein weltweites Folterregime einrichtete und Amerikaner ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Ermächtigungen ausspionierte,“ jetzt gefeiert und reich wird dank des „Schutzschildes der Immunität, den ihm die derzeitige Aministration gewährt.“  

Während dessen läuft ein Verfahren gegen Gibson Guitars wegen der verrückten Interpretation eines indischen Gesetzes durch die Bundesbeamten, und gegen den Betreiber von Rawesome besteht eine Anklage mit 13 Punkten wegen der Versorgung von Konsumenten mit einem Grundnahrungsmittel, das zur normalen Ernährung seit der Kolonialzeit bis vor kurzem gehört hat.

In Amerika haben wir den Rechtsstaat – nur dass das Gesetz nicht angewendet wird gegen Banksters und Angehörige der Exekutive, sondern, wie Greenwald sagt, nur gegen „gewöhnliche Bürger und politische Führer in anderen (unfreundlichen) Ländern.“

Ein Land, das dermaßen durch und durch korrupt ist, ist sicher kein „Leuchtfeuer für die Welt.“

 
     
  erschienen am 1. September 2011 auf > www.foreignpolicyjournal.com > Artikel  
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