HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
     
  Der Sohn Afrikas fordert die Kronjuwelen des Kontinents

John Pilger  

Am 14. Oktober kündigte Präsident Barack Obama an, dass er Spezialkommandos der Vereinigten Staaten von Amerika nach Uganda abkommandiert hat, um dort am Bürgerkrieg teilzunehmen. In den kommenden paar Monaten werden Kampftruppen der Vereinigten Staaten von Amerika nach Südsudan, Kongo und in die Zentralafrikanische Republik entsandt werden. Sie werden nur „zur Selbstverteidigung kämpfen“, sagt Obama, satirisch. Nachdem Libyen unter Dach und Fach ist, ist eine amerikanische Invasion des afrikanischen Kontinents im Gange. 

Obamas Entscheidung wird in der Presse beschrieben als „höchst unüblich” und „überraschend,“ ja sogar als „eigenartig.“ Sie ist nichts von alledem. Es ist die Logik der amerikanischen Außenpolitik seit 1945. Nehmen Sie Vietnam. Vorrangig war es die Aufgabe, den Einfluss Chinas zurückdrängen, eines mächtigen Rivalen, und Indonesien zu „beschützen,“ welches Präsident Nixon bezeichnete als „den reichsten Hort von natürlichen Ressourcen der Region ... den größten Gewinn.“ Vietnam kam nur in den Weg, und die Abschlachtung von über drei Millionen Vietnamesen und die Verwüstung und Vergiftung ihres Landes war der Preis dafür, dass Amerika sein Ziel erreichte. Wie bei allen nachfolgenden amerikanischen Invasionen, einem Strom von Blut von Lateinamerika nach Afghanistan und Irak war die Begründung üblicherweise „Selbstverteidigung“ oder „humanitär“, Wörter, die schon lange ihrer wörterbuchmäßigen Bedeutung entleert sind.

In Afrika, sagt Obama, besteht die „humanitäre Mission“ in der Unterstützung der Regierung von Uganda bei ihrem Kampf gegen die Lord´s Resistance Army (LRA – Widerstandsarmee des Herrn), welche „Zehntausende Männer, Frauen und Kinder in Zentralafrika ermordet, vergewaltigt und entführt hat.“ Das ist eine zutreffende Beschreibung der LRA, die die Erinnerung an eine Reihe von durch die Vereinigten Staaten von Amerika verübte Gräueltaten wachruft, wie das Blutbad in den 1960er Jahren, das auf die von der CIA organisierte Ermordung Patrice Lumumbas folgte, des unabhängigen Anführers des Kongo und ersten freien legal gewählten Premierministers, und den CIA-Staatsstreich, der Mobutu Sese Seko an die Macht brachte, der als Afrikas käuflichster Tyrann angesehen wird.

Auch Obamas weitere Rechtfertigung lädt ein zu satirischer Bearbeitung. Das ist die „nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Die LRA hat ihr böses Werk 24 Jahre lang verrichtet, die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich so gut wie nicht dafür interessiert. Heute verfügt sie über weniger als 400 Mann und war noch nie schwächer. Die „nationale Sicherheit“ der Vereinigten Staaten von Amerika bedeutet üblicherweise den Kauf eines korrupten und diebischen Regimes, das etwas hat, das Washington haben will. Ugandas „Präsident auf Lebenszeit“ Yoweri Museveni bekommt bereits den größeren Teil von $45 Millionen Militär“hilfe“ der Vereinigten Staaten von Amerika – zu der auch Obamas beliebte Drohnen gehören. Das ist sein Schmiergeld für den Stellvertreterkampf gegen Amerikas neuesten islamischen Phantomfeind, die zusammengewürfelte al-Shabaab-Gruppe in Somalia. Die RTA wird eine Rolle in der Propaganda spielen, indem sie westliche Journalisten mit ihren dauernden Horrorgeschichten ablenkt.

Der Hauptgrund für die Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika unterscheidet sich nicht von dem, der hinter dem Krieg gegen Vietnam stand. Es ist China. In der Welt selbsterfüllender institutionalisierter Paranoia, die das begründet, von dem General David Petraeus, der vormalige Oberbefehlshaber der Vereinigten Staaten von Amerika und jetzige Direktor der CIA unterstellt, es sei ein Zustand des fortwährenden Krieges, ersetzt China al-Qaeda als die offizielle „Bedrohung“ Amerikas. Als ich letztes Jahr Bryan Whitman, einen stellvertretenden Staatssekretär für Verteidigung im Pentagon interviewte, bat ich ihn, die derzeitige Gefahr für Amerika zu beschreiben. Sichtbar strampelnd wiederholte er: „asymmetrische Bedrohungen ... asymmetrische Bedrohungen.“ Diese rechtfertigen die geldwaschenden staatlich geförderten Waffenkonglomerate und das größte Militär- und Kriegsbudget der Geschichte. Nachdem Osama bin Laden in Luft aufgelöst wurde, übernimmt China die Rolle.  

Afrika ist Chinas Erfolgsgeschichte. Wo die Amerikaner Drohnen und Destabilisierung bringen, bringen die Chinesen Straßen, Brücken und Dämme. Was sie wollen sind Rohstoffe, besonders fossile Treibstoffe. Mit den größten Erdölreserven Afrikas war Libyen unter Muammar Gaddafi einer der wichtigsten Erdöllieferanten für China. Als der Bürgerkrieg ausbrach und die NATO die „Rebellen“ mit einer erfundenen Geschichte über einen von Gaddafi geplanten „Völkermord“ in Benghazi unterstützte, evakuierte China seine 30.000 Arbeiter in Libyen. Die nachfolgende Resolution des UN-Sicherheitsrates, die die „humanitäre Intervention“ des Westens erlaubte, wurde lapidar erklärt in einem Vorschlag des Nationalen Übergangsrates der „Rebellen“ (NTC) an die französische Regierung, welcher im vergangenen Monat in der Zeitung Liberation enthüllt wurde, in dem Frankreich 35% von Libyens Erdölproduktion „im Austausch“ (so hieß es wörtlich) für „volle und ständige“ französische Unterstützung für den NTC angeboten wurde. Als er im vergangenen Monat die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika im „befreiten“ Tripoli hisste, platzte der Botschafter der Vereinigvten Staaten von Amerika heraus: „Wir wissen, dass Öl das Juwel in der Krone der natürlichen Ressourcen Libyens ist.“  

Die de-facto-Eroberung Libyens durch die Vereinigten Staaten von Amerika und deren imperiale Partner läutet eine moderne Version des „Drängens nach Afrika“ am Ende des 19. Jahrhunderts ein.

Wie beim „Sieg” im Irak spielten Journalisten eine entscheidende Rolle bei der Einteilung von Libyern in würdige und unwürdige Opfer. Vor kurzem erschien auf der Titelseite des Guardian ein Foto eines verschreckten „Gaddafi“-Kämpfers und seiner wild dreinblickenden Häscher, die, wie der Bildtext sagt, „feiern.“ Laut General Petraeus gibt es jetzt einen Krieg „der Wahrnehmung ... der ununterbrochen durch die Nachrichtenmedien betrieben wird.“ 

Seit über einem Jahrzehnt haben die Vereinigten Staaten von Amerika versucht, eine Befehlszentrale für AFRICOM auf dem afrikanischen Kontinent zu errichten, wurden aber von Regierungen abgewiesen, die die regionalen Spannungen fürchteten, die das verursachen würde. Libyen und jetzt Uganda, Südsudan und Kongo bieten die besten Aussichten. Wie WikiLeaks-Depeschen und die Nationale Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Terrorismus enthüllen, sind die amerikanischen Pläne für Afrika Teil einer weltweiten Planung, in deren Rahmen bereits 60.000 Spezial-Einsatzkommandos, darunter Todesschwadrone, in 75 Ländern im Einsatz sind, bald sollen es 120 sein. Wie Dick Cheney in seinem „Verteidigungsstrategie“-Plan in den 1990er Jahren ausführte, will Amerika einfach die Welt beherrschen. 

Dass das jetzt Barack Obama, dem „Sohn Afrikas” zufällt, ist im höchsten Ausmaß ironisch. Oder ist es das wirklich? Wie Frantz Fanon in Black Skin, White Masks (Schwarze Haut, weiße Masken) ausführte, zählt nicht so sehr die Farbe deiner Haut, sondern die Macht, der du dienst und die Millionen, die du verrätst. 

 
     
  erschienen am 21. Oktober 2011 auf > www.antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von John Pilger auf antikrieg.com  
 
     
    Einige interessante Dinge über die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika und ihres alten Freundes Yoweri Museveni erfahren Sie in:
     
    > Robin Philpot: Ruanda 1994 - der Kolonialismus stirbt langsam.
     
    Ich habe dieses Buch seinerzeit übersetzt und halte es nach wie vor für das Buch, das am ehesten vermittelt, mit welchen widerwärtigen Interventionen des Westens die Menschen in Afrika terrorisiert werden. In Kapitel 8 wird der Rassismus behandelt, der nach wie vor die Vorstellungen und natürlich die Berichterstattung über Afrika wesentlich beeinflusst.
    Hier ein Satz zum Andocken:
    „Wir haben einfach gesagt, dass Kultur wichtiger ist als Politik, und dass der Sklavenhandel in erster Linie durch die kulturelle Geringschätzung erklärt werden konnte.“
    Léopold Sédar Senghor, On the Origins of Negritude.
     
 
  Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen!  
  <<< Inhalt