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  Amerikas Trojanisches Pferd

 

Dr. Brian Phillips 

 

Der Trojanische Krieg tobte ein volles Jahrzehnt lang, und die Griechen unter der Führung des Königs Agamemnon von Mykene waren furchtbar erfolglos in ihren Versuchen, die Mauern von Troja zu bezwingen. Wie alle Kriege führte auch dieser zu schrecklichem Blutbad (davon wird in der Ilias berichtet) und zur Zerstörung von Familie und Leben zuhause (wie in der Odyssee gezeigt wird). Nachdem die Schlachten geendet hatten, kehrten die Griechen in ihre Zelte und Lager zurück, wo sie weitgehend den Elementen ausgesetzt waren, während die Trojaner zurückkehrten zu ihren Frauen und warmen Betten. Zuletzt waren die Griechen schon fast dabei aufzugeben, nachdem sie alle Hoffnungen auf einen Sieg begraben hatten.

Odysseus jedoch, der Klügste unter den Griechen, entwickelte einen Plan, der sich für die Trojaner als tödlich erweisen sollte. Die Griechen hatten so viele Männer in dem Krieg verloren, dass sie für die Heimfahrt weniger Schiffe benötigten. Sie zerlegten also die überschüssigen Schiffe und bauten ein massives hölzernes Pferd, in dem eine Gruppe von griechischen Soldaten versteckt war. Die restlichen griechischen Schiffe segelten die Küste entlang, außerhalb Sichtweite Trojas, um den Eindruck zu vermitteln, sie hätten einfach aufgegeben und wären nachhause gefahren.

Zurück blieben das Pferd und, wie in der Aeneis berichtet, Sinon, wohl der beste Lügner unter den Griechen. Als die Wächter am Morgen sahen, dass die griechischen Schiffe fort waren und dass ein Pferd vor ihren Toren stand, gingen sie verständlicherweise daran, das zu untersuchen. Sinon erzählte eine meisterhaft erfundene Geschichte, in der er behauptete, die Griechen hätten aufgegeben, nachdem ihnen aufgegangen sei, dass sie sich im Irrtum befunden hatten. Durch das als Opfer für die Götter zurückgelassene Pferd hofften sie den göttlichen Zorn über das Blutvergießen zu besänftigen, das sie herbeigeführt hatten. Sie hätten das Pferd aber so groß gemacht, damit es nicht hinter die Stadtmauer passte, da die Stadt uneinnehmbar würde, wenn eine derartige Opfergabe hineingebracht würde.  

Die Trojaner ignorierten diejenigen, die zu Vorsicht mahnten, darunter den Propheten Laokoon, der den Griechen misstraute, sogar wenn sie Geschenke brachten, und Kassandra, eine wirkliche Prophetin, deren Warnungen schon immer in den Wind geschlagen worden waren. Die Trojaner wurden von Sinon hinters Licht geführt, und im Glauben, dass sie das Pferd unbesiegbar machen würde, zogen sie es hinter die Mauern ihrer Stadt, und ignorierten sogar das Klirren von Metall, das sie hörten, als sie es zogen.

Nachdem die Arbeit getan war und das Pferd auf dem Stadtplatz stand, ließen die Trojaner eine gewaltige Feier steigen. Sie waren außer sich, sowohl aufgrund der Abfahrt der Griechen als auch mit ihrem neuen Wundermittel gegen weitere Angriffe. In einem Bericht wird sogar gesagt, dass die Kinder von Troja um die Beine des Pferdes tanzten, als es in die Stadt gebracht wurde. Wein floss, Musik wurde gespielt und die Stadt war erfüllt mit Lachen, Singen und Jubeln. Die ganze Zeit über drohte die Vernichtung, da die griechischen Soldaten einfach warteten, bis die Stadt schlief. 

Spät in dieser Nacht, nachdem die Stadt in einen betrunkenen Schlummer gefallen war, waren nur einige wenige Nachtwächer im Dienst. Die Griechen sprangen leise aus dem Bauch des Pferdes, töteten die Wächter, riefen die Reste ihrer Armee herbei und öffneten die Stadttore weit. Der Horror, der über Troja kam, war unsagbar, fast jeder Mann, jede Frau, jedes Kind wurde ermordet, viele noch immer benebelt von den nächtlichen Feiern. Mit Troja war´s vorbei – es wurde nicht von den Griechen zerstört, sondern durch seine eigene Dummheit und Blindheit. 

Es ist oft gesagt worden, dass sich die Geschichte wiederholt, dass diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, dazu verurteilt sind, ihre Fehler zu wiederholen, dass sich nicht die Zeiten ändern, sondern nur die Details.

Sinon versprach Sicherheit, und wir glaubten ihm. Der Lügner, der in unsere Mitte gesetzt wurde, um uns hinters Licht zu führen, war zu geschickt, und die Propheten, die versuchten, uns zu schützen, wurden ignoriert. Die Warnungen der Gründerväter stießen auf taube Ohren – „Wenn Tyrannei und Unterdrückung in dieses Land kommen, wird das in der Verkleidung des Kampfes gegen einen Feind von außen sein“ – und wichen den einlullenden Versprechen moderner Senatoren: „Gib mir deine Freiheit und ich werde dich sicher halten.“ 

Im Namen von „nationaler Sicherheit“ haben wir unsere eigenen Mauern niedergerissen und Vernichtung über uns selbst gebracht. Das Versprechen von Schutz, unser Land uneinnehmbar für Terroristen zu machen, verführte viele, auf ihre bürgerlichen Rechte zu verzichten, gerade die Rechte, die unsere Sicherheit gewährleistet haben. Als die Gesetzgeber den PATRIOT ACT beschlossen, wurde uns gesagt, dass sich dieser nur gegen den „Feind da draußen“ richte, dass sich nur diejenigen fürchten müssten, die sich außerhalb unserer Grenzen befinden. Wir mussten uns vergewissern, dass diese abfuhren, um nie wieder zu kommen. Daher ignorierten wir die beunruhigenden Vorzeichen und unbequemen Vorhersagen und zogen das Pferd weiter hinein.

Kampfdrohnen ermordeten Amerikaner, auf Befehl des Präsidenten – ohne Anklage, Verfahren oder Urteil. Aber das konnte erklärt werden, nicht wahr? Sicher waren sie schuldig. Hat da Metall geklirrt? Klingt fast wie eine Rüstung oder ein Schwert. Zieht weiter, wir sind schon fast drinnen, wo wir in Sicherheit sein werden.

Unsere Führer versprechen sogar noch mehr Sicherheit und wollen dafür nur ein bisschen mehr Freiheit haben. Geben wir ihnen die Macht, uns ohne Anklage, Verfahren oder Urteil einzusperren? Präsident Obama setzte den National Defense Authorization Act (Nationales Verteidigungsermächtigungsgesetz) durch seine Unterschrift in Geltung, während die Amerikaner Neujahr feierten und keine Ahnung hatten, was da verloren ging, während sie tanzten und sangen. Viele Amerikaner werden heute aufwachen, vielleicht immer noch verkatert, um herauszufinden, dass ihr Land übernommen worden ist. Nach den Feiern gab es kein Troja mehr; das, was einst Amerika war – definiert durch Rechte und Freiheit – gibt es nicht mehr. 

Im Namen der Sicherheit zerstörte Troja sich selbst und Amerika macht das Gleiche. Unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit haben wir uns einen viel gefährlicheren Feind innerhalb unserer Tore geschaffen. Mit dem Verlust bürgerlicher Freiheit und dem Herumtrampeln auf dem Rechtskatalog sind die Amerikaner in größerer Gefahr als jemals zuvor. Wir können jetzt verhaftet und unbefristet eingesperrt werden ohne auch nur den Anschein rechtsstaatlichen Vorgehens, von unserem eigenen Militär, in unserem eigenen Land. 

Das ist der Unterschied zwischen dem Fall Trojas und Amerikas rapidem Abstieg. Troja fiel einer Macht von außen zum Opfer, die es sich in die Stadt holte, während Amerikas größte Bedrohung schon immer hinter den eigenen Toren lag. Oft bringt gerade das Objekt, das Sicherheit verspricht, die Vernichtung. Für die Trojaner war es ein Pferd; für Amerika sind es der Kongress und der Präsident. 

 
     
  erschienen am 3. Januar 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
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