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Was hinter der Islamophobie steckt

Philip Giraldi  

 

Es sieht so aus, als hätte der Eifer der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, gegen den Islam loszugehen, ein bisschen nachgelassen mit dem Niedergang und Fall von Rick Perry und Newt Gingrich, aber man kann trotzdem noch immer damit rechnen, dass Rick Santorum ein paar Bonmots über die Drohung von sich geben wird, die vom Recht der Schariah ausgeht. Diejenigen, die befürchten, dass bald die Hände von Ladendieben abgehackt werden, die in Cleveland erwischt werden, scheinen zwar viel Lärm um nichts zu machen, aber hinter den Kulissen spielt sich in Wirklichkeit eine weit heimtückischere und breiter angelegte Agenda ab. Perry, Gingrich und Santorum sind alle klug genug, um zu wissen, dass islamisches Recht kaum jemals das Rechtssystem der Vereinigten Staaten von Amerika dominieren wird, aber sie benutzen es als Reizthema, um den Patriotismus von Moslems generell in Frage zu stellen und um der Forderung nach der Durchführung der militärischen Option gegen den Iran Nachdruck zu verleihen.  

Das Schüren von Angst vor dem Recht der Schariah ist dem Wesen nach ein Täuschungsmanöver. Es gibt mehr als 50 überwiegend muslimische Länder auf der Erde, wobei, während die meisten dieser Länder Elemente der Schariah in ihrem Zivil- und Familienrecht aufweisen, nur zwei ihr Strafrecht nach der Schariah ausrichten. Das sind Saudiarabien und der Iran, das eine ein enger Verbündeter der Vereinigten Staaten von Amerika und des Westens, und der andere zur Zeit in der Rolle dessen, der die ganze Welt bedroht, um es mit den Worten des hervorragenden Herrn Benjamin Netanyahu, Premierminister von Israel, zu sagen. Die Länder, die die Schariah nicht als ihr Strafrecht verwenden, haben ihre Gesetze an europäische oder amerikanische Modelle angelehnt, einige mit Elementen des römischen, andere mit Anleihen vom britischen Recht.

Den Islam als offenkundig mittelalterlich, rückständig und grausam hinzustellen ist nicht neu, und wird in der einen oder anderen Form betrieben, seit die Israelis und Palästinenser sich bekämpfen. Erkennt man erst einmal, dass die Propaganda, die in den Massenmedien betrieben wird, aus diesem Konflikt hervorkommt, dann ist leicht zu verstehen, warum Moslems ständig auf eine negative Art und Weise dargestellt werden. Es sollte auch keine Überraschung mehr sein herauszufinden, dass diejenigen, die die Moslems und den Islam heruntermachen, so gut wie immer in den Reihen der unkritischsten Unterstützer des likudistischen Israel und all seiner Taten anzutreffen sind. 

Die Liste derjenigen, die sich besonders leidenschaftlich darüber auslassen, wie schlimm der Islam ist, klingt ziemlich bekannt. Sie wird angeführt von wirklich bösartigen und fanatischen wie Pamela Geller und enthält John Bolton, David Horowitz, Daniel Pipes und Charles Krauthammer. Geller etwa hat geschrieben, dass „es eine systematische Kampagne gibt, um die Schariah im weltlichen Bereich einzuführen“ und das Rechtssystem zugunsten islamischer Regelungen zu pervertieren, ein Thema, das aufgegriffen wurde von Gingrich und Santorum, die beide sinnlose Gesetze befürworten, welche die Schariah in jeder Form verbieten. In einer milderen Form wird die selbe Sichtweise in Berichterstattung und Leitartikeln von Zeitungen wie The New York Post, The Washington Post und sogar The New York Times reflektiert. Die vorgebrachten Argumente zielen nicht notwendigerweise darauf ab, jemanden zu überzeugen, der nicht schon überwiegend dabei ist, sondern sie verfolgen den Zweck, das Thema, dass die Moslems nicht so sind wie der Rest von uns, am Kochen zu halten, wodurch die legitimen Erwartungen der Palästinenser und anderen Araber immer irgendwie suspekt erscheinen werden. Sie geben auch anderen Narrativen Nahrung, die die Neokonservativen und ihre Freunde unterstützen, wie denen vom ständigen Krieg gegen islamische Länder zur Herbeiführung von Regimewechseln, wodurch die Vermutung genährt wird, dass es da etwas gibt, das es unmöglich macht, dass muslimische Länder sich selbst regieren. Das wirkliche Ziel wird allerdings in dem Papier zum Ausdruck gebracht, das die Neocons 1996 Benjamin Netanyahu präsentierten, „A Clean Break“ („Ein sauberer Bruch“), in dem die Aufsplitterung von arabischen Ländern in kleinere Teile befürwortet wird, die sich ständig gegenseitig bekämpfen und dadurch die Vorherrschaft Israels in der Region sicher stellen. Wie es so oft der Fall ist, dreht sich das Gespräch in den Vereinigten Staaten von Amerika wirklich ständig um Israel. 

Des weiteren gibt die Islamophobie auch Argumenten Nahrung, die dafür sprechen, mit der Politik in Regionen wie Afghanistan weiterhin fortzufahren. Auf Körper urinieren, Bauern als Sport jagen und töten, Frauen und Kinder mitten in der Nacht schießen und Koranbücher verbrennen ist alles gerechtfertigt, weil die amerikanischen Soldaten sich in einer schwierigen und stressigen Umgebung befinden, wo die Feinde überall stecken und offenkundig nicht wirkliche Menschen sind in dem Sinn wie zum Beispiel Jungens aus Kansas. Moslems werden zu Abstraktionen und unterschwellig läuft: „wissen sie nicht, dass wir hier sind, um ihnen zu helfen?“ Das selten ausgesprochene eigentlich Gemeinte in all den Geschichten, die das barbarische Verhalten von Amerikas Besten zu erklären oder abzuschwächen versuchen, ist, dass die Afghanen nicht so sind wie wir und außerdem nicht dankbar genug. Ihr Anderssein liegt teilweise begründet in der Auffassung, dass sie primitiv sind, aber noch mehr in der Tatsache, dass sie Moslems sind.

Über die Schariah hinausgehend weisen diejenigen, die die Moslems an den Rand des Lebens in Amerika drängen wollen, auf die Verhaftungen wegen terroristischer Tätigkeit von Moslems hin, welche amerikanische Bürger sind oder legal in diesem Land wohnen. In der Tat hat es solche Fälle gegeben, aber eine sorgfältige Lektüre der Gerichtsberichte legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Verhaftungen um das handelt, was man früher als In-die-Falle-Locken betrachtet hätte. Ein aufgebrachter junger Mann beschäftigt sich mit jihadistischen Websites, wird identifiziert, und hat auf einmal einen neuen Freund, der ihm eine angebliche Bombe gibt, mit der er sich selbst am Times Square in die Luft sprengen soll. Er wird dann verhaftet und findet sich selbst konfrontiert mit 20 Jahren Gefängnis.

Realität ist, dass von 14.000 Morden in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 2010 kein einziger einem muslimischen Terroristen zugeordnet worden ist.

Warum sollten also Amerikaner Moslems hassen oder Angst vor ihnen haben? Sollten es nur die Eigenheiten ihrer Kultur sein, die dermaßen irritieren, dann könnte man vernünftigerweise sagen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Reihe von Kulturen und Lebensweisen absorbiert haben, die gleichfalls außerhalb des westeuropäischen Mainstreams liegen. Tatsache ist, dass die Islamophobie, die wir derzeit wahrnehmen, real zwei Ziele verfolgt. Erstes und wichtigstes ist der Schutz der Interessen Israels, indem Moslems als angebliche Bedrohung hingestellt werden und als Gruppe, die hoffnungslos unamerikanisch ist, während die Israelis als Leute präsentiert werden, die mehr oder weniger so sind wie wir. Das heißt, dass im Mittleren Osten nur eine Stimme gehört wird, was auch genau der Fall ist. Das zweite Ziel ist es, die scheinbar nicht endende Reihe von Kriegen in Asien zu rechtfertigen, indem man der einheimischen Bevölkerung unterstellt, dass ihr die zivilisierte Moral und die politischen Werte fehlen, die uns allen so teuer sind. Ironischerweise schlägt sich letzteres Argument selbst, da es die Kriege in den vergangenen elf Jahren sind, die die Amerikaner viele ihrer Freiheiten und verfassungsmäßigen Rechte gekostet haben. Was unserer Ansicht nach vom Islam zu befürchten und bei muslimischen Regimes zu beklagen ist – der Mangel an individuellen Rechten – ist zu uns heim gekommen. 

 
     
  erschienen am 4. April 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Philip Giraldi auf antikrieg.com  
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