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Die Terroristen fallen aus

Philip Giraldi 

 

Die Nacht ist gekommen, nicht aber die Barbaren.  
Was soll nun aus uns werden ohne Barbaren?  
Die haben uns doch aus der Klemme geholfen.  
Constantine Cavafy

Es macht kaum Sinn, einen globalen Krieg gegen den Terror zu führen, wenn es nicht genügend Terroristen gibt, welche damit drohen, sich in Peoria in die Luft zu sprengen. Der Terrorismus kann kaum als Wachstumsbranche betrachtet werden, besonders wenn man vom jährlichen Bericht des Außenministeriums zu diesem Thema ausgeht, der vom Kongress in Auftrag gegeben worden ist. Gemäß diesem Bericht werden die Terroristen Jahr für Jahr weniger an Zahl und weniger potent. Es würde auch große Mühe machen, in dem Bericht viele Fälle zu finden, in denen Terroristen Amerikaner getötet oder auch nur versucht haben, Amerikaner zu töten, was vielleicht damit zu tun hat, dass heutzutage weniger Amerikaner in Gebieten wie Irak zu finden sind. Noch schwieriger ist es, Gruppen und Individuen in Übersee zu finden, welche über Mittel, Motivation und das nötige Wissen verfügen, um in das Reich des Großen Satans zu reisen, um nach der Ankunft Sprengstoff zu beschaffen, der Polizei aus dem Weg zu gehen, den Weg zur Penn Station zu finden und sich selbst in die Luft zu jagen.

Nachdem ein Mangel an richtigen Terroristen herrscht, der Krieg gegen den Terror aber aus Gründen weitergeführt werden muss, über die am besten Bürokraten und Rüstungslieferanten Bescheid wissen, wurde es vielleicht zu einer akzeptablen Option, einige zu Terroristen zu machen. Besonders hartnäckig halten sich Beschuldigungen von Hezbollah in Hinblick auf den Terrorismus der nächsten Generation. In Expertenkreisen wird oft bemerkt, dass Hezbollah mehr Amerikaner getötet hat als jede andere terroristische Gruppierung mit Ausnahme von al Qaeda. Oberflächlich gesehen stimmt das überraschenderweise, obwohl man mit guten Gründen belegen kann, dass Hezbollah in keiner Weise der Definition einer terroristischen Gruppierung entspricht. Hezbollah führte 1983 den Bombenanschlag auf die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Beirut durch und tötete 17 Amerikaner und löschte fast die CIA-Belegschaft aus, die eine Besprechung in einem Konferenzraum abhielt. Weitere Bomben in den Marinekasernen in Beirut töteten 242 Amerikaner. Einige Entführungen und Tötungen von Amerikanern im Libanon in den 1980er Jahren werden ebenfalls Hezbollah zugeschrieben. Die Bombenanschläge, Tötungen und Entführungen ereigneten sich in einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten von Amerika militärische Gewalt benutzten, um die Ordnung im Libanon wiederherzustellen, in einer Intervention, die ziemlich eindeutig gegen Hezbollah gerichtet war mit der Absicht, die Gruppierung als politische Einheit zu zerschlagen.

Hezbollah hat keine Amerikaner seit diesen Vorfällen getötet, die man als Selbstverteidigung werten könnte, und es gibt keinerlei Beweise dafür, dass die Gruppierung irgendein Interesse daran hat, die Vereinigten Staaten von Amerika anzugreifen. Sie ist hauptsächlich damit beschäftigt, ihre eigenen Interessen im Libanon zu verfolgen, wo sie jetzt als Partei an der Regierung beteiligt ist, und Widerstand gegen die Militäraktionen Israels und die geheimen Operationen der Vereinigten Staaten von Amerika zu leisten, die darauf ausgerichtet sind, sie zu vernichten.

Trotzdem wird weiter getrommelt. Richard Armitage, die ehemalige Nummer zwei im Außenministerium, war vielleicht der erste Funktionär der Vereinigten Staaten von Amerika, der Hezbollah als das „A-Team“ der Terroristen bezeichnet hat. Kurz darauf ging Armitage in Pension und gründete seine eigene Beratungsfirma, die Firmenkunden sagt, wie sie mit der terroristischen Bedrohung umgehen sollen. Sein Interesse, vor den Gefahren zu warnen, die der Terrorismus darstellt, wird also nicht völlig uneigennützig gewesen sein. Die allgegenwärtige Hillary Clinton hat ebenfalls vor Hezbollah gewarnt, mit ähnlichen Begriffen, obwohl sie genau weiß, dass Hezbollah kein Interesse hat, es sich mit den Vereinigten Staaten von Amerika anzulegen.

Und dann gibt es die Sicherheitsexperten in den Medien, die Judith Miller-Klone, für die keine Lüge zu groß ist, so lange man sie sagen kann, ohne das Gesicht zu verziehen. Ihre Linie, die geflissentlich seit dem 9/11 propagiert worden ist, geht davon aus, dass Hezbollah Schläferzellen in den Vereinigten Staaten von Amerika unterhält, welche bereitstehen, sich zu erheben und die amerikanische Öffentlichkeit zu attackieren, sobald der Iran die Losung dazu ausgibt. Laut der propagierten Geschichte verfügt Hezbollah über hunderte, möglicherweise tausende von geheimen Agenten verstreut über die Vereinigten Staaten von Amerika. Viele von ihnen waren hier seit Jahren, und einige waren bereits erfolgreich mit der Gründung von Firmen und Verdienen von Geld, welches natürlich für die Finanzierung des Terrorismus verwendet wird. Sie warten nur auf einen, der vorbeikommt und ihnen den geheimen Händedruck gibt, auf den hin sie zur Attacke schreiten.

Das einzige Problem mit dieser Geschichte besteht darin, dass das FBI, das Telefone angezapft und Moslems in Fallen gelockt hat bei dem Versuch, Terrorzellen zu identifizieren und zu beseitigen, in mehr als zehn Jahren nicht eine einzige solche Zelle gefunden hat. Sogar in der Regierung sind viele zum Schluss gekommen, dass die Schläferzellen totale Fiktion sind, die sich höchstwahrscheinlich jemand ausgedacht hat. Es gibt keinen Beweis seitens der Vielfalt von Amerikas Geheimdiensten und Sicherheitsagenturen, der die Annahme nahelegen würde, dass eine derartige Organisation im Untergrund existiert, und die Bundesregierung muss immer noch erst einmal einen authentischen Hezbollah-Kämpfer finden und verhaften, der sich in den Vereinigten Staaten von Amerika aufhält. 

Und dann gibt es noch die Geschichte von Hezbollah, die sich überall in Lateinamerika aufhält und nur darauf wartet, über die Grenze nach Arizona, New Mexico und Texas einzudringen. In der Tat beschreiben einige Meldungen, wie bereits Korane und Gebetsteppiche im Südwesten Amerikas gefunden wurden, ein sicheres Zeichen, dass Terroristen mit dem Fluss arbeitssuchender illegaler Immigranten die Grenze überschreiten. Unter dem Druck von Kongress und Weißem Haus überprüften CIA und FBI sorgfältig alle diese Geschichten und was glauben Sie, was herausgekommen ist? Keinerlei muslimisch-religiöse oder terrorismusbezogenen Utensilien wurden an der Grenze zwischen Mexico und den Vereinigten Staaten von Amerika gefunden und die CIA war nicht in der Lage, irgendwelche Informationen aufzutreiben, die nahegelegt hätten, dass es Hezbollah-Zellen in den Zielländern Mexico, Paraguay, Ecuador, Bolivien, Guatemala gibt, ja nicht einmal im ständig reizenden Venezuela, das den Fehler begangen hat, mit dem Iran freundlich zu sein. 

Man muss die Frage stellen, warum die Hezbollah mit ihren beschränkten Ressourcen und Möglichkeiten Zeit und Mühe investieren sollte, um Schläferzellen oder terroristische Kader in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Lateiamerika zu positionieren, aber die Antwort ist selbstverständlich: sie hat keinen Grund, das zu tun. Man muss also der Sache etwas weiter nachgehen und versuchen herauszubekommen, worum es wirklich geht. Sicher ist jedenfalls, dass die Hezbollah, die die israelische Armee besiegt hat, ein besonderes rotes Tuch für Washington und Tel Aviv darstellt. Reflexhaft wird sie sowohl als terroristisch als auch als Bedrohung verdammt, abgesehen von der routinemäßigen Verteufelung.

Aber die übergeordnete und wichtigere Agenda besteht darin, den Iran anzuschwärzen und einen weiteren faulen Grund zu schaffen, um einen Krieg zu beginnen. Es ist die selbe Begründung, die gegen Saddam Hussein benützt wurde – nämlich dass er „den internationalen Terrorismus unterstützt“ hat. Diese Form der Analyse, in der der Wagen vor das Pferd gespannt wird, geht von der Tatsache aus, dass Hezbollah mit dem Iran verbündet ist. Die Beschuldigung, sie bereite terroristische Aktionen in den Vereinigten Staaten von Amerika vor, sollte in Wirklichkeit bedeuten, dass sie damit in Wirklichkeit im Auftrag der Mullahs handelt. Teheran unterstützt also eine neue al Qaeda. Folgerichtig argumentieren diejenigen, die einen neuen Krieg gegen den Iran wollen, dass Teherans terroristische Agenda um jeden Preis gestoppt werden muss, damit es nicht zu einem neuerlichen 9/11 kommt.  

Ironischerweise ist Hezbollah, was den Terrorismus betrifft, ein Papiertiger, während beide, die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel, wirkliche terroristische Aktionen im Iran unterstützen. Man könnte also Leute wie Hillary Clinton und Richard Armitage fragen, wer nun wirklich das „A-Team“ der Terroristen ist: ist es die Hezbollah, oder sind es in Wirklichkeit die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel?

 
     
  erschienen am 19. April 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Philip Giraldi auf antikrieg.com  
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