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  Der sonderbare Nicholas Kristof hat seine Freude an den Sanktionen gegen den Iran

John V. Walsh

 

Da gibt es etwas, das mehr als etwas sonderbar ist an Nicholas Kristofs ständigem Interesse an Prostituierten – natürlich nur aus Sorge um deren Wohlbefinden – wenn er rund um den Planeten reist. Bei seiner letzten Reise durch den Iran lässt er dieses Interesse eher links liegen, um sich mit den Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika gegen das mitgenommene Land zu beschäftigen, das durch die Vereinigten Staaten von Amerika gelitten hat, seit die CIA die demokratisch gewählte Regierung Mohammed Mossadeghs stürzte, der die Unverfrorenheit hatte, den iranischen Erdölreichtum für den Iran zu fordern. 

„Pinched and Griping in Iran“ („Abgehärmt und unzufrieden im Iran“), so der Titel von Kristofs Kommentar, geht wenigstens offen auf Ziel und Wirkung der Sanktionen ein. Wir hören oft, dass Sanktionen, seien sie gerichtet gegen den Irak wie in den 1990er Jahren oder gegen Syrien und den Iran zur Zeit, „gezielt“ sind. Sie tun nur den Mächtigen im betroffenen Land weh, oder so ähnlich wird uns gesagt. Manchmal bricht die Propaganda der Kriegspartei zusammen, wie im Fall der schändlichen Feststellung Madeleine Albrights, dass der Tod von 500.000 Kindern durch Bill Clintons Sanktionen „es wert gewesen ist.“ Aber wird derartiges Leiden durch Sanktionen angestrebt oder handelt es sich „nur“ um unbeabsichtigten kollateralen Mord?  

In diesem Punkt ist Kristof erfrischend ehrlich, wenn auch ernüchternd in seiner Einschätzung. Treffen Sanktionen nur die Mächtigen? Kristof antwortet: „Eine Lektion aus meiner 2.700 km langen Reise durch das Land (Iran) ist, dass weitgehend aufgrund der Sanktionen des Westens Fabriken zusperren, Arbeiter ihre Stellen verlieren, der Handel zusammenbricht und die Preise steigen. Das wirkt sich verheerend aus auf die Geldtasche des normalen Iraners – und auf seinen Stolz.“ Aber wird das angestrebt? Der gut vernetzte Fachmann erklärt: „Um ehrlich zu sein, die Sanktionen wirken wie beabsichtigt: Sie bewirken erstaunliches wirtschaftliches Leid für die Iraner und erzeugen Unzufriedenheit.“ Oder pointierter, von einem Angehörigen der Zielgruppe, die Kristof immer gerne interviewt: „Die Wirtschaft bricht die Rücken der Menschen, sagte mir eine junge Frau im Westen des Iran.“ 

Kristof räumt ein, dass die Sanktionen mörderisch sind. „Ich bedaure dieses Leid, und seien wir uns dessen bewusst, dass Sanktionen die einfachen Iraner mehr treffen als die höheren Kreise. Ich bin auch entsetzt darüber, dass der Westen den Ankauf von Ersatzteilen für Flugzeuge blockiert und dadurch Abstürze von zivilen Flugzeugen riskiert.“ Er lässt sich aber nicht einmal durch die großzügige Behandlung zurückhalten, die ihm von den Iranern zuteil geworden ist. Er strafft seinen Rücken und erklärt: „Dennoch, mit Entschuldigungen an die vielen wundervollen Iraner, die mich mit ihrer Gastfreundschaft überwältigt haben, befürworte ich Sanktionen, weil ich keinen anderen Weg sehe, das Regime in der Frage der Atomkraft unter Druck zu setzen oder sein Festhalten an der Macht zu lockern. Mein Eindruck ist, dass die Sanktionen recht gut wirken.“ Das wird das humanitäre Image Kristofs nicht aufmöbeln, aber es verbessert seinen Stand als journalistische Hure der Kriegspartei. Und wohl gemerkt – da gibt es keine Frage betreffend das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika, das dortige Regime auszuwechseln oder, wie Kristof sagt, „sein Festhalten an der Macht zu lockern.“ Zum Teufel mit der Souveränität. Die Mächtigen haben das Recht, mit den Schwachen nach Belieben umzuspringen.

Vielleicht wäre der unerschrockene Fachmann gut beraten, auf Shirin Ebadi zu hören, die iranische Menschenrechtsanwältin und erste muslimische Frau, die den Friedensnobelpreis bekommen hat. Obwohl eine unerbittliche Gegnerin des derzeitigen iranischen Regimes, die seit 2009 im Exil lebt, ist Ebadi absolut gegen die Sanktionen gegen den Iran. Sie begründet ihre Haltung ganz klar: „Die sehr harten Sanktionen haben den Menschen einen schrecklichen Schlag versetzt. Diese Sanktionen müssen aufgehoben werden, damit die Menschen ein erträgliches Leben führen können.“ Ebadi hat natürlich Verwandte und Freunde im Iran, Kristof hingegen fährt nur im Land herum, um die Aussichten für die neueste Maßnahme zur Zerstörung des Iran durch das Imperium der Vereinigten Staaten von Amerika einzuschätzen. 

Machen wir uns nichts vor, was die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in Hinblick auf den Iran betrifft. Hier schreibt Henry Kissinger vor kurzem in der Washington Post: „Seit über einem halben Jahrhundert wird die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika im Mittleren Osten bestimmt durch bestimmte zentrale Sicherheitsanliegen: Verhindern, dass eine andere Macht in der Region an die Vorherrschaft kommt; Sicherung des freien Flusses der Energieressourcen, die noch immer entscheidend sind für den Betrieb der Weltwirtschaft; und der Versuch, einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn zu vermitteln, einschließlich einer Regelung mit den palästinensischen Arabern. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Iran als die wesentliche Herausforderung in allen drei Bereichen erwiesen.“ Kissinger ist ein Meister des Euphemismus, wie er mit seinen Ausführungen des zweiten und dritten Punktes beweist. Er wäre ein bisschen ehrlicher gewesen, hätte er als das erste Ziel so ausgeführt: „Verhindern, dass irgendeine Macht in der Region die atomar bewaffnete Hegemonie der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels herausfordert.“ Aber egal, wie es formuliert wird, ein widerspenstiger Iran wird im Fadenkreuz der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben, bis er entweder vernichtet ist oder wieder ein willfähriges Regime wie das des Schah installiert wird.

Wir müssen hier nicht zum x-ten Mal die Tatsache anführen, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass der Iran ein atomares (Waffen-)Programm betreibt oder das er das Recht hat, Uran für friedliche Zwecke anzureichern gemäß den Richtlinien des Atomwaffensperrvertrags, den er unterzeichnet hat. Das ist gründlich und wiederholt auf Antiwar.com gemacht worden. Angesichts der Tatsache, dass der Iran im Fadenkreuz der unerbittlichen Vereinigten Staaten von Amerika und Israels bleibt, muss man fragen, was der Iran tun kann. Er kann einen atomwaffenfreien Mittleren Osten fordern. Das hat er auch gemacht, nur um von den Vereinigten Staaten von Amerika und Israel eine Abfuhr zu bekommen. Was für andere Möglichkeiten bleiben? Und was müssen die Anführer des Iran denken, nachdem sie die Schicksale des Irak und Libyens mitbekommen haben und das sehr verschiedene Schicksal Nordkoreas? Wenn es Strömungen in der iranischen Führung gibt, die die Atombombe haben wollen, dann kommen ihre verlässlichste Unterstützung und Ansporn zum Handeln von der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika, deren grausame Wirklichkeit gepriesen wird von Leuten wie dem sonderbaren Kristof.  

 
     
  erschienen am 18. Juni 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von John V. Walsh auf antikrieg.com  
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