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  Chuck Hagel und das amerikanische Imperium

Mike Lofgren

 

Hagels Tätigkeitsregister in der Legislative stellt seine mögliche Rolle als Kleindarsteller auf der Bühne des amerikanischen Imperiums falsch dar, er wird kaum die Art von Einfluss erringen, die durch die Kontroverse rund um seine Nominierung suggeriert wird. 

Ideologen der Linken wie der Rechten haben die Nominierung von Chuck Hagel zum Verteidigungsminister aufgeblasen, um damit weit mehr zu symbolisieren, als er je im Amt erreichen können wird, sei es gut oder schlecht. Die Kontroverse über seine Nominierung beruht auf einer Handvoll seiner Kommentare und der Abschiedsrede im Senat. Sein tatsächliches Leistungsregister in der Legislative ist um einiges magerer. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er in der Zeit, als ich für den Senat arbeitete, persönlich bedeutende Gesetzesanträge eingebracht hat, auch beteiligte er nicht wesentlich an den Debatten über Gesetzesentwürfe, die mit der nationalen Sicherheit zu tun hatten.  

Seine angeblich aufrührerischen Erklärungen besonders zum Irak sind im Nachhinein erfolgte Kritiken an der Politik der Bush-Administration, die über seine tatsächliche gesetzgeberische Tätigkeit in der Zeit, wo es darauf ankam, hinwegtäuschen. Im Oktober 2002, nach der Debatte über die Genehmigung des Einsatzes von militärischer Gewalt gegen den Irak, reihte er sich ein in die Reihe der Kollegen von der GOP (GOP = Grand Old Party = Republikanische Partei), die mit Ausnahme eines einzigen dafür stimmten. Vielleicht hatte Hagel den Eindruck, dass die Bush-Administration ihn mit gefälschten Beweisen getäuscht hatte, wie viele andere Senatoren im Nachhinein behaupteten. Aber als dann die Opferzahlen stiegen, hatte er es nicht eilig damit, sich mit den Kritikern des Krieges zusammenzutun – zumindest nicht bis März 2007, vier Jahre nach dem Einmarsch, wo Hagel dann für das Gesetz stimmte, das den Beginn des Abzugs aus dem Irak in 120 Tagen bestimmte. Das war bereits nach dem Wahldebakel der GOP im Jahr 2006, wobei zu diesem Zeitpunkt die meisten denkenden Menschen schon lange nach einer Rückzugsstrategie gesucht hatten. Er stimmte auch für den Patriot Act, den Progressive wie Libertäre gleichermaßen verabscheuen, und für die Steuerkürzungen 2001 und 2003 durch Bush, die uns zusammen mit dem Irakkrieg in unser derzeitiges Finanzdebakel gebracht haben. 

Die Kontroverse über Hagels Meinungen betreffend Israel und den Iran ist wahrscheinlich erfunden, nicht so sehr, um seine Nominierung zunichte zu machen, sondern einfach, um ihn etwas schärfer anzupacken, dass er, falls er Verteidigungsminister wird, sehr vorsichtig sein wird mit Äußerungen über diese beiden Länder, die von der Parteilinie abweichen. 

Das Aufzeigen seines Leistungsregisters soll Hagel nicht als Person verunglimpfen – er trat 1982 aus prinzipiellen Bedenken als stellvertretender Leiter der Veteranenbehörde zurück. Und er roch den Braten in Vietnam, was ihn hoch über die meisten Falkenküken hinaushebt, die ihn attackieren. Wenn aber die Ziele wirklich hoch gesteckt sind, was hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Status Quo für das Pentagon und die ganzen enormen Geldflüsse, die damit zusammenhängen, der Fall ist, braucht es eine Person mit außergewöhnlichen Qualitäten, die sich nicht vereinnahmen lässt durch den militärisch-industriell-kongressionellen Komplex. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Nationale Sicherheitsstaat alle möglichen reformistischen öffentlichen Figuren vereinnahmt, die es schafften, den Ausleseprozess zu überstehen, der die riesige Mehrheit von ihnen davon ausschließt, jemals für eine Machtposition auch nur in Erwägung gezogen zu werden.

Harry Truman erwarb sich seinen Ruf als Senator im Zweiten Weltkrieg, wo er den Vorsitz über das Truman-Komitee führte und Betrug im Abfallbereich und Missbräuche bei Verträgen mit dem Militär aufdeckte – aber unter ihm als Präsident wurde NSC 68 angenommen, ein Planungsdokument, das einen grotesk aufgeblasenen Garnisonsstaat empfahl und sich zu einer ewigen Bonanza für Vertragspartner des Militärs entwickelte. Obendrein setzte er mit dem Strich seiner Feder das ungerechte und weitgehend verfassungswidrige Loyalty Program in Kraft, welches viel mehr Reputationen zerstörte als Joseph McCarthys später betriebener Missbrauch der Untersuchungsbefugnis von Senatoren. Die ganze Zeit über wurde Truman von der Rechten attackiert, weil er zu weich sei bei der Verteidigung gegen die „Bedrohung,“ was zum Handlungsmuster für die folgenden 60 Jahre wurde. Seit Trumans Präsidentschaft hat sich der nationale Sicherheitsstaat stabilisiert und konsolidiert rund um das, was mittlerweile auf zwei Rechtsparteien hinausläuft.

John F. Kennedy war skeptisch gegenüber den Behauptungen des Militärs, aber seine konkreten Handlungen, die oft im Gegensatz standen zu seinen privaten Äußerungen, förderten die Ziele des militärisch-industriellen-kongressionellen Komplexes. Er mag wohl dem Militär und der CIA misstraut haben, weil sie ihm 1961 die Invasion in der Schweinebucht eingeredet haben, aber er er setzte die Narretei fort durch die Genehmigung der Operation Mongoose – einem gleichermaßen idiotischen Programm zur Unterwanderung Kubas, das weit von seinen ursprünglichen Intentionen abwich. Lyndon Johnson war sich voll bewusst, dass Vietnam seinen Stolz und seine Freude, die Große Gesellschaft, kaputtmachen würde – aber er machte weiter und ließ zu, dass Vietnam diese aus durchsichtig kurzsichtigen taktischen politischen Gründen demolierte. Er rationalisierte seine Handlungen in einem selbstbemitleidenden Scheingeständnis nachträglich vor Doris Kearns Goodwin dahingehend, dass er „der Kreuzigung nicht hätte entgehen können, egal was ich getan hätte.“ 

Jimmy Carter wird jetzt nahezu universell als Pazifist und Peacenik betrachtet, aber er war es, der seinen nationalen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski 1979 in Afghanistan Provokationen organisieren ließ, um die Sowjets zu verlocken, in das Land einzumarschieren, wie Brzezinski 1998 dem Nouvel Observateur gegenüber prahlte. Das war gewiss die folgenschwerste Entscheidung im Bereich der nationalen Sicherheit in den letzten 40 Jahren – und die verheerendste, weil sie sowohl al-Qaeda schuf als auch eine andauernde Serie von Kriegen in den islamischen Regionen. Er rief auch die Carter-Doktrin ins Leben, die uns für alle Ewigkeit verpflichtete, mit militärischer Gewalt jede feudale Satrapie im Mittleren Osten zu schützen, die zufällig über Erdöl verfügte. Nichtsdestotrotz ist Carter für immer als ein Peacenik-Schlappschwanz im nationalen Gedächtnis gebrandmarkt.

Was hat das alles mit Chuck Hagel zu tun? Nur das: Denkt jemand, dass Hagel als zukünftiger Untergebener eines Präsidenten, der Drohnenangriffe befiehlt, der die Militäraufstockung in Afghanistan genehmigte und sich die Macht anmaßt, Richter, Jury und Henker von Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein, in bedeutungsvoller Weise den Kurs des Nationalen Sicherheitsstaates ändern wird? Eher wird die Pentagon-Bürokratie ihn isolieren, sich nach seiner kolportierten Vorliebe für Speichelleckertum seiner Mitarbeiter richten, als er Senator war, und ihn endlose Runden von Reden und Inspektionen drehen lsssen. In der Zwischenzeit werden die führenden Beamten die Bude schaukeln. 

Auf Dauer gesehen werden unvermeidbare wirtschaftliche und soziale Kräfte der Pax Americana ein Ende bereiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kleindarsteller wie Chuck Hagel irgendeinen Einfluss darauf hat, ist verschwindend gering.

 
     
  erschienen am 30. Januar 2013 auf > Truthout.org > Artikel  
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