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  Bereits die Drohung mit einem Angriff auf Syrien ist illegal

Anhaltende Behauptungen der Obama-Administration, dass sie die „Kompetenz” hat, Syrien zu bombardieren, untergraben den Rechtsstaat zuhause und im Ausland

Howard Friel  

 

Wenn Präsident Obama nicht riskieren möchte, dass Syrien irgendwann in der Zukunft seine Unterschrift unter dem Chemiewaffenabkommen widerruft, das es vor kurzem unter dem Druck der Vereinigten Staaten von Amerika zu unterzeichnen versprochen hat, dann sollte er die Drohung mit Gewalt zurückziehen. Artikel 52 der Wiener Konvention über das Vertragsrecht, „Druck auf einen Staat durch Drohung oder Einsatz von Gewalt“ legt nämlich fest: „Ein Abkommen ist nichtig, wenn es unter Drohung oder Einsatz von Gewalt zustande gekommen ist unter Verletzung der Prinzipien des Internationalen Rechts, das in der Charta der Vereinten Nationen enthalten ist.“ 

Ob das nun heisst oder nicht, dass die Unterzeichnung und Ratifizierung des Chemiewaffenverbots unter einer illegalen Drohung mit Gewalt ungültig sein wird, eindeutig ist, dass die Drohung des Präsidenten mit Gewalt nach Internationalem Recht illegal ist.

Artikel 2(4) der UNO-Charta verbietet „die Drohung oder den Einsatz von Gewalt“ durch Staaten. Es sind also sowohl „Drohung“ als auch „Einsatz“ verboten. Die einzigen Ausnahmen bilden der Griff zur Gewalt in nationaler „Selbstverteidigung“ als Reaktion auf einen „bewaffneten Angriff,“ oder Drohung mit oder Einsatz von Gewalt entsprechend einer bevollmächtigenden Resolution des UNsicherheitsrates.

Präsident Obama und hochrangige Funktionäre in seiner Administration haben wiederholt damit gedroht, Syrien zu bombardieren als Antwort auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Sogar wenn man davon ausgeht, dass die syrische Regierung die Partei ist, die verantwortlich ist für den Einsatz von Chemiewaffen – was bisher noch nicht festgestellt worden ist – stellt der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien keinen bewaffneten Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika dar. Und der UNsicherheitsrat hat bis jetzt den Einsatz von Gewalt gegen Syrien nicht genehmigt. Unter diesen gegebenen Umständen hat Präsident Obama illegal damit gedroht, Gewalt einzusetzen.

In seinem maßgeblichen Werk „Internationales Recht und der Einsatz von Gewalt durch Staaten“ sagte Ian Brownlie über ein „Versprechen“ eines Staates, Gewalt zu benutzen, folgendes (S.364): „Wenn versprochen wird, zu Gewalt zu greifen unter Umständen, in denen keine Rechtfertigung für den Einsatz von Gewalt gegeben ist, dann ist bereits die Drohung an sich illegal.“

Die von Brownlie vertretene Ansicht wird unterstützt in der gutachterlichen Meinung des Internationalen Gerichtshofs zu „Rechtmäßigkeit der Drohung oder des Einsatzes von Atomwaffen,“ in der eine Mehrheit der Richter des Gerichtshofs feststellte: „Die Begriffe ‚Drohung’ und ‚Einsatz’ von Gewalt unter Artikel 2 Absatz 4 der Charta gehören zusammen in dem Sinn, dass wenn der Einsatz von Gewalt in einer bestimmten Angelegenheit illegal ist – aus welchem Grund immer – auch die Drohung mit solcher Gewalt ebenfalls illegal sein wird.“

Des weiteren legen die Nürnberger Prinzipien fest, dass „Verbrechen gegen den Frieden” die „Planung, Vorbereitung, Anbahnung oder das Führen eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung von internationalen Verträgen, Abkommen oder Zusicherungen“ beinhalten. In seiner Ansprache vom Weissen Haus am Dienstag Abend (10. September) wiederholte Obama eine Bemerkung der Administration, dass seine angedrohten Angriffe gegen Syrien Pläne und Vorbereitungen beinhalten, die über eine „Nadelstich“-Attacke hinausgehen. Daher dürften die offenkundige „Planung“ und „Vorbereitung“ – so wie sie in den illegalen Drohungen enthalten sind – ein „Verbrechen gegen den Frieden“ nach den Nürnberger Prinzipien darstellen. 

In gleicher Weise bezeichnete der Normvorschlag für Verstösse gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, den die Kommission der UNO für Internationales Recht herausgegeben hat, eine Drohung mit Gewalt in Verletzung der UNO-Charta als Verbrechen: „Verstösse gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, wie sie in dieser Norm definiert werden, sind Verbrechen gemäß Internationalem Recht, für die die verantwortlichen Individuen bestraft werden sollen.“ Die Drohung mit dem Einsatz von Gewalt wird dann als krimineller Verstoss so aufgelistet: „Jede Drohung durch die Behörden eines Staates, einen Akt der Aggression gegen einen anderen Staat zu begehen.“ Eine verbindliche Resolution der UNO-Generalversammlung über die „Definition von Aggression“ legte fest: „Aggression ist der Einsatz von Gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates, oder auf jede andere Weise, die nicht der Charta der Vereinten Nationen entspricht.“

Das sind keine juristischen Abstraktionen und sollten nicht als solche behandelt werden. Während wir in den letzten paar Jahrzehnten den noch immer anhaltenden massiven Transfer von öffentlichen Mitteln in die Kriegsmaschinerie und weg von öffentlicher Infrastruktur, öffentlicher Bildung und allgemeiner Gesundheitsversorgung gesehen haben, gibt es das parallele Phänomen des Transfers von Recht und Rechtsauslegung nahezu ausschliesslich an den exekutiven Bereich, um die anhaltende gesetzlose Politik im eigenen Land und im Ausland zu bemänteln und weiterzuführen. 

Im Gegensatz dazu kann das von der Öffentlichkeit ausgeübte Recht der kriegstreiberischen Politik vorbeugen, die den Terrorismus hervorbringt – den Ansatzpunkt für nahezu jede verfassungswidrige Massnahme oder illegalen Einsatz von Gewalt. Es kann somit als Abschreckung wirken gegen betrügerische oder überzogene Behauptungen in Hinblick auf Bedrohungen der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika, einschließlich behaupteten moralischen Imperativen, die als Deckmantel für betrügerische außenpolitische Strategien dienen, die den Effekt, wenn nicht die Absicht haben, die amerikanische Öffentlichkeit von anderen dringenden Anliegen abzulenken.

Hier liegt die grosse Nützlichkeit der Entscheidungsfreiheit des Präsidenten, sich jederzeit einer illegalen Drohung mit Gewalt zu bedienen. In diesem Fall haben Obamas Drohungen, Syrien zu bombardieren, mit einem Schlag alle Köpfe von der gigantischen Verletzung der Rechte nach der vierten Zusatzbestimmung (=Schutz vor staatlichen Übergriffen) nahezu aller Amerikaner abgelenkt, geht man von der nun endemischen unbefugten Überwachung aus. Und sie sind zumindest für den jetzigen Zeitpunkt den Möglichkeiten der Entspannung zwischen dem Westen und dem Iran zuvorgekommen, geht man von der kürzlich erfolgten Wahl eines eher gemäßigten und ausgeglichenen Präsidenten aus, der überzeugend erklärt hat, dass er eine neue Ausgangsbasis für Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa sucht.

Anstelle dessen zielt eine bedeutende Behauptung, mit der die Bombardierung Syriens zu rechtfertigen gesucht wird, auf die Aufrechterhaltung der strategischen Abschreckung gegen den Iran – also die Drohung mit Gewalt gegen den Iran – um dessen angebliches Atomwaffenprogramm zu zerschlagen, für das bis zum heutigen Tag noch kein bestätigter Beweis veröffentlicht worden ist. In dieser Art kann Präsident Obama den Ball der moralischen Ansprüche auf Drohungen und Gewalt und Krieg in der Luft halten, um uns von dem abzulenken, was eine überraschend gesetzlose Präsidentschaft ist.

Es besteht ganz eindeutig eine katastrophale humanitäre Situation in Syrien und seinen Nachbarländern, die sofort von der internationalen Gemeinschaft durch den UNsicherheitsrat angesprochen werden muss, und nicht von irgendeinem Mitgliedstaat der UNO einschliesslich der Vereinigten Staaten von Amerika, der ein moralisches und gesetzliches Recht für sich beansprucht, Syrien zu bombardieren.

 
     
  erschienen am 13. September 2013 auf > CommonDreams > Artikel  
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