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  Warum erschießen wir verurteilte Gefangene nicht einfach?

Wenn wir Menschen töten wollen, dann gibt es nur eine gute Methode, das zu tun.

Vince Beiser

 

Egal, welche Einstellung Sie zur Todesstrafe haben, es ist schwer, viel Sympathie für den Mann aufzubringen, der heute morgens vom Staat Missouri umgebracht wurde. Joseph Paul Franklin war ohne Übertreibung ein weißer rassistischer Serienmörder. Seine bevorzugten Ziele waren Juden, Schwarze und jeder, der mit Mischehen in Verbindung stand. In einer drei Jahre dauernden Amokphase ermordete er seit 1977 mindestens sieben Menschen, tötete wahrscheinlich 15 weitere und verletzte oberdrein den Bürgerrechtsanführer Vernon Jordan und den Hustler-Herausgeber Larry Flint. Unter seinen Opfern befindet sich auch ein Vater von drei Kindern, der von einer Bar Mitzvah kam, und zwei afroamerikanische Jungen im Teenageralter.

Aber das bemerkenswerteste am Fall Franklin ist nicht, warum er umgebracht wurde, sondern wie. Er ist einer der ersten Gefangenen in der Geschichte Amerikas, der durch eine tödliche Injektion hingerichtet wird, die aus nur einem Gift besteht – dem Sedativ Pentobarbital. Seit Einführung der tödlichen Injektionen in den 1970ern verwendete so gut wie jeder Staat eine Kombination aus drei Giften: eines, das den Gefangenen einschläfert, ein zweites, das seine Muskeln lähmt und ein letztes, um den Herzstillstand herbeizuführen. Diese Vorgangsweise geriet allerdings in den letzten Jahren unter vernichtende Kritik seitens Aktivisten und Medizinern, die eine zunehmende Menge von Beweisen anführten, die darauf hinwiesen, dass der Vorgang nicht immer so schmerzfrei verläuft wie es aussieht; in vielen Fällen könnte der Gefangene tatsächlich bei Bewusstsein sein, aber gelähmt, und daher nicht fähig zu schreien oder sich zu wehren, wenn sein/ihr Herz langsam zum Stillstand gebracht wird. Ein Ergebnis davon ist, dass Chemiefirmen aufgehört haben, diese Gifte an Gefängnisse zu verkaufen. Daher also die Umstellung in Missouri. (Andere Bundesstaaten machen Versuche mit anderen Giften für ihre eigenen Hinrichtungen.)

Ehrlich gesagt denke ich, dass wir, wenn wir Menschen töten, als Gesellschaft den Anstand und die Aufrichtigkeit haben sollten, uns der Tatsache zu stellen, dass es das ist, was wir tun.

Aber da ist etwas Absurdes an dieser ganzen Debatte. Nämlich das: Wir – die politische Einheit Amerika – haben uns dafür entschieden, den ultimativen Gewaltakt gegen verurteilte Häftlinge zu begehen. Das heisst, wir bringen sie um. Und doch ist es, als ob wir nach dieser Entscheidung dermassen in einem Interessenskonflikt stehen, dass wir uns auf alle möglichen Weisen winden müssen, um diese abscheulichste aller Handlungen nett abzuwickeln. Wir haben das Aufhängen, den elektrischen Stuhl, die Gaskammer abgeschafft bei dem Versuch, eine Möglichkeit zu finden, einen Mann oder eine Frau auf eine unbedenkliche Weise zu töten. Und jetzt versuchen wir, das geeignete chemische Mittel zu finden, das wir in den Kreislauf eines Menschen spritzen, um sein Leben so appetitlich wie möglich zu beenden.

Hören Sie: ich bin gegen die Todesstrafe. Ich bin dagegen in erster Linie aus zwei praktischen Gründen. Erstens glaube ich, dass unser Rechtssystem und Menschen im Allgemeinen so unvollkommen sind, dass wir nie genau wissen können, dass wir die richtige Person verurteilt haben. Zweitens wird die Todesstrafe in einer dermassen willkürlichen Weise angewendet, und richtet sich der Katalog, nach dem sie verhängt wird, dermassen himmelschreiend gegen diejenigen, die kein Geld haben und/oder eine dunkle Hautfarbe, dass sie nicht als „gerecht“ in irgendeiner auch nur entfernt sinnvollen Bedeutung betrachtet werden kann.

Nachdem das gesagt ist, denke ich ehrlich gesagt, dass wir, wenn wir Menschen töten, als Gesellschaft den Anstand und die Aufrichtigkeit haben sollten, uns der Tatsache zu stellen, dass es das ist, was wir tun. Jedenfalls sollten wir es auf die humanste Weise tun: sie auf eine Krankenbahre schnallen, gerade wir es bei der tödlichen Injektion machen, und sie dann in den Kopf schießen.

Warum nicht? Weil es barbarisch ist? Um nichts barbarischer als andere Tötungsmethoden. Eine Kugel in den Kopf ist eine schnelle und schmerzlose Todesart, viel schneller und sicherer als eine tödliche Injektion oder eine andere der von uns in der Vergangenheit bevorzugten Methoden.

Weil sich die Frage stellt, wer den Abzug betätigt? Wenn es zuviel verlangt ist, dass wirklich jemand dasteht mit der Pistole in der Hand, könnte diese auf einen Ständer montiert und aus der Ferne ausgelöst werden von einem Henker, der sich unsichtbar in einem Nebenraum befindet. So wird auch die tödliche Injektion typischerweise verabreicht.

Weil das eine Sauerei anrichtet, dass einem übel wird? Ja das würde es. Es würde einige besondere Vorkehrungen und Putzarbeiten erfordern. Aber immerhin würde diese Vorgangsweise keinen Zweifel an dem aufkommen lassen, was tatsächlich geschehen ist.

Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Wir sollten die Todesstrafe abschaffen. Wenn wir sie aber weiterhin beibehalten, dann sollten wir aufhören vorzugeben, dass wir etwas edleres tun als wirklich Menschen umzubringen.

     
  erschienen am 20. November 2013 auf > PACIFIC*STANDARD > Artikel  
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