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  Warum unterstützte BRICS Russland in der Sache Krim?

Die Unterstützung von BRICS für Russland zeigt, dass die vom Westen dominierte Weltordnung nach dem Kalten Krieg erodiert

Zachary Keck

 

Es gab keinen Mangel an Berichten und Kommentaren über die Krise in der Ukraine und auf der Krim und die Rolle Russlands dabei. Dennoch fand eine der bemerkenswerteren Entwicklungen in der Krise überraschend wenig Beachtung.

Nämlich die, dass die Gruppe BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) einstimmig und in vielfacher Weise nachdrücklich die Position Russlands zur Krim unterstützt hat. The Diplomat hat über Chinas vorsichtige und Indiens eher begeisterte Unterstützung Russlands bereits früher berichtet. Jedenfalls stellte sich auch BRICS insgesamt hinter den Kreml.

Sie machten das sehr deutlich bei einer Konferenz der BRICS-Außenminister, die am Rande des Weltgipfels für nukleare Sicherheit vergangene Woche in Den Haag stattgefunden hat. Gerade vor dem Treffen deutete die australische Außenministerin Julie Bishop an, dass Australien die Teilnahme Russlands beim G20-Gipfel, der später dieses Jahr dort abgehalten werden soll, als Druckmittel gegen Vladimir Putin in Sachen Ukraine verbieten könnte. 

Die BRICS-Außenminister warnten Australien vor dieser Vorgangsweise in einer Erklärung, die sie letzte Woche nach ihrem Treffen herausgaben. „Die Minister nahmen mit Besorgnis die vor kurzem erschienene Medienerklärung betreffend den bevorstehenden G20-Gipfel zur Kenntnis, der im November 2014 in Brisbane stattfinden soll,“ sagte die Stellungnahme. „Die Zuständigkeit für die G20 verteilt sich gleichermaßen auf alle Mitgliedsstaaten, und kein Mitgliedsstaat kann einseitig deren Natur und Charakter bestimmen.“

Die Stellungnahme fuhr dann fort: „Die Eskalation von feindseliger Sprache, Sanktionen und Gegensanktionen und Gewalt trägt nicht bei zu einer nachhaltigen und friedlichen Lösung gemäß Internationalem Recht, darunter die Prinzipien und Zielsetzungen der Charta der Vereinten Nationen.“ Oliver Stuenkel von Post Western World bemerkte, dass die Stellungnahme insgesamt, und im besonderen der die G20 betreffende Aspekt „ein klares Zeichen war, dass der Westen sich nicht damit durchsetzen wird, die gesamte internationale Gemeinschaft auf eine Linie zu bringen bei seinem Versuch, Russland zu isolieren.“ 

Das wurde später in der Woche dadurch bestätigt, dass China, Brasilien, Indien und Südafrika (gemeinsam mit 54 weiteren Ländern) sich alle bei der Resolution der UNO-Generalversammlung, in der die Volksabstimmung auf der Krim kritisiert wird, der Stimme enthielten. Weitere zehn Staaten stimmten mit Russland gegen die nicht bindende Resolution. 

In mancher Beziehung ist die Unterstützung der BRICS-Länder für Russland ganz und gar absehbar. Die Gruppe war immer irgendwie beeinträchtigt durch die Animositäten, die unter bestimmten Mitgliedern bestehen, wie auch durch den generellen Mangel einer gemeinsamen Zielsetzung von dermaßen unterschiedlichen und geografisch verstreuten Nationen. BRICS haben oft versucht, diese internen Herausforderungen dadurch zu überwinden, dass man sich geschlossen hinter eine antiwestliche oder zumindest post-westliche Position stellte. In diesem Sinn ist es keine Überraschung, dass die Gruppe Versuchen des Westens entgegentrat, eines ihrer Mitglieder zu isolieren.

Gleichzeitig hat dieser antiwestliche Standpunkt üblicherweise die Form der Opposition der BRICS gegenüber Versuchen des Westens angenommen, neue Einschränkungen der Souveränität einzuführen. Nachdem viele ihrer Mitglieder ehemalige Kolonien oder Quasi-Kolonien des Westens gewesen waren, ist die BRICS hochgradig misstrauisch gegenüber Behauptungen des Westens, dass die Souveränität von sogenannten universellen Prinzipien übertrumpft werden kann, die aus dem humanitären Bereich oder dem der Nichtweitergabe von Atomwaffen kommen. Demzufolge waren sie äußerst kritisch gegenüber dem Beschluss der NATO, als Luftwaffe der Anti-Gaddafi-Opposition zu fungieren, welche 2011 die libysche Regierung stürzte, genauso auch gegen das, was sie als Versuche des Westens betrachten, Bashar al-Assad in Syrien zu stürzen. 

Wie auch immer, im Fall der Ukraine war es Russland, das gegen die Unverletzlichkeit der Souveränität eines anderen Staates verstieß. Dennoch hat die BRICS-Gruppe Russland unterstützt. Es soll erwähnt werden, dass die BRICS-Länder Russland möglicherweise auf große eigene Kosten unterstützen, wenn man davon ausgeht, dass sie alle zumindest mit einer möglichen sezessionistischen Bewegung in ihren eigenen Ländern konfrontiert sind. 

Indien hat zum Beispiel eine lange Geschichte von fließenden Grenzen und kämpft heute mit möglichen sezessionistischen Bewegungen von Moslem-Volksgruppen und einer starken Sicherheitsbedrohung seitens der maoistischen Aufstandsbewegung. China leidet bekanntlich besonders unter Tibetern und Uiguren, die sich abspalten wollen vom Han-dominierten chinesischen Staat. Sogar innerhalb von Han-China haben regionale Abspaltungen schon lange die zentrale Kontrolle in dem riesigen Land herausgefordert. Forderungen nach Abspaltung der Kap-Region in Südafrika sind in den letzten Jahren gewachsen, und Brasilien hat schon lange zu tun mit einer sezessionistischen Bewegung in seiner südlichen Subregion, die demografisch von europäischen Immigranten dominiert wird. Russland hat ebenso mit einer Reihe von sezessionistischen Gruppen zu kämpfen, die eines Tages Moskau dazu bringen könnten, seine Angliederung der Krim zu bereuen.

Die Tatsache, dass die BRICS Russland ungeachtet dieser Bedenken unterstützten, lässt vermuten, dass ihre antiwestliche Ausrichtung um einiges stärker ist, als die meisten geglaubt haben. In der Tat nahmen sich die aufsteigenden Mächte neben der Unterstützung Russlands auch die Zeit, die Vereinigten Staaten von Amerika (diese wurden allerdings nicht namentlich erwähnt) scharf zu kritisieren wegen der Überwachungsprogramme, die von Edward Snowden enthüllt worden waren.

Die Unterstützung Russlands durch BRICS und andere nicht-westliche Mächte lässt auch vermuten, dass die Formung von irgendetwas wie einer internationalen Ordnung extrem schwierig sein wird, geht man von den fehlenden gemeinsamen Prinzipien aus, die als Grundlage dienen. Obwohl der Westen im Großen und Ganzen die Tatsache feierte, dass die Vollversammlung der UNO für die Resolution stimmte, die das Referendum auf der Krim verurteilte, sollte die Tatsache, dass 69 Länder sich der Stimme enthielten oder dagegen stimmten, eine Warnung sein. Es sieht immer mehr danach aus, dass die vom Westen dominierte Ära nach dem Kalten Krieg vorbei ist. Noch existiert aber keine neue Ordnung, um sie zu ersetzen. 

 
     
  erschienen am 31. März 2014 auf > THE DIPLOMAT > Artikel  
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