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  Kriminelles Fehlverhalten und die CIA

Robert C. Koehler

 

Zu oft ist „das Recht” nicht mehr als Vorurteile, die in Kauderwelsch eingebettet sind.

So greift die Obama-Administration in ihrem Versuch, einen weiteren Whistleblower vernichtend zu schlagen, direkt das Recht von Journalisten an, vertrauliche Quellen zu schützen. Regierungsjuristen, die diese Woche vor dem obersten Gericht – welches die Berufung des Reporters der New York Times James Risen gegen eine Gerichtsentscheidung ablehnte, die von ihm verlangen könnte, in dem Verfahren gegen einen ehemaligen Beamten der CIA auszusagen – laut New York Times versicherten, dass „Reporter kein Privileg haben sich zu weigern, direkte Beweise für kriminelles Fehlverhalten von vertraulichen Informanten preiszugeben.“

Fehlverhalten ist eine Sache, aber, wow, „kriminelles Fehlverhalten“ ist eine ganz andere. Die Phrase strotzt vor gerechtem Zorn, und ruft ein Gefühl von Jetzt-ist-aber-Schluss-Ernst hervor, das die Fundamente unserer Gesellschaft erzittern lässt. Der ehemalige CIA-Beamte Jeffrey Sterling, den die Administration festnageln will, hat vielleicht geheime Informationen weitergegeben – das behauptet die Regierung – an den Reporter Risen, und daher die Sicherheit des Landes in Gefahr gebracht. Kriminelles Fehlverhalten! Kriminell wie Mord, Vergewaltigung und Ladendiebstahl. Die Freiheit der Presse gibt Journalisten nicht das Privileg, Menschen wie diesen zu schützen.

Ein Problem hier ist, dass die Diskussion über diese Angelegenheit sicher eingeschränkt ist auf abstrakte Konzepte. Wenn wir die Fakten dieser Sache entwirren und in einen realen Kontext von nationaler – ja in der Tat globaler – Sicherheit stellen, dann reduziert sich das legale Trompetengeschmetter zu einer Art schwachen Getutes. Das alles geht um Atomwaffen, Weltpolitik ... und Werbung, insbesondere um das Recht der Regierung zu orchestrieren, was die Öffentlichkeit weiß.

Sterling war vielleicht der Informant, welcher Risen half, ein bizarres CIA-Projekt namens Operation Merlin aus dem Versteck zu ziehen hinter der Aufschrift „geheim,“ was oft genug bedeutet „uh, oh, wir wollen nicht, dass jemand davon weiß.“ 

Risen beschrieb Operation Merlin in einem Kapitel in seinem 2006 erschienenen Buch State of War: The Secret History of the CIA and the Bush Administration (Kriegszustand: die geheime Geschichte der CIA und der Bush-Administration). Laut Risens Bericht dachte sich die CIA im Jahr 2000 unter der Clinton-Administration einen Plan aus, um das Atomwaffenprogramm des Iran zu sabotieren. Mithilfe der Dienste eines russischen Wissenschaftlers, der vor einigen Jahren in die Vereinigten Staaten von Amerika geflüchtet war und auf der Gehaltsliste der CIA stand, beschloss die Behörde, den Iranern einen fehlerhaften Bauplan zu geben, in dem es um einen entscheidenden Aspekt bei der Konstruktion einer Atomwaffe ging.

Ja, der Bauplan war absichtlich gefälscht und sollte das Atomprogramm des Iran um einige Jahre zurückwerfen, aber laut Risen wurde Operation Merlin schlampig und plump betrieben, was möglicherweise dazu geführt hat, dass die Sache nach hinten losging.

Risen schrieb: „Die ehemaligen Regierungsvertreter sagten auch, dass diese Art von Programmen von höheren CIA-Managern genau beobachtet werden muss, um den Fluss der Information ins Gegenteil zu kontrollieren. Wenn falsch betrieben, konnten sie leicht einem Gegner helfen, seine Waffenentwicklung zu beschleunigen. Das könnte im Fall Merlin der Fall gewesen sein.“

Er fügte hinzu, dass das Programm „eine der unbesonnensten Operationen in der modernen Geschichte der CIA gewesen sein könnte, eine, die dazu beigetragen haben könnte, atomare Waffen in die Hände eines Mitglieds dessen zu spielen, was Präsident George W. Bush als die „Achse des Bösen“ bezeichnet hat.“

Kehren wir zurück zum rechtlichen Angriff der Obama-Administration gegen Sterling und, um ihn zu erwischen, Risen, und zum Konzept des „kriminellen Fehlverhaltens.“ Entsprechend dem geltenden allgemeinen Konsens hat die amerikanische Öffentlichkeit kein Recht zu wissen, was die CIA treibt, sogar wenn das, was sie treibt, extrem fragwürdig ist, wenn es um den Umgang mit unseren offiziell kundgemachten Feinden geht, und solche Informationen aus dem Verborgenen namens Geheimhaltung freizusetzen ist kriminelles Verhalten. Die Aktionen der CIA mögen den Eindruck von Fehlverhalten hervorrufen, aber sie sind nicht kriminell, weil ... ja weil das Recht das Recht ist und sein Zweck der Schutz von fest eingewurzelten Institutionen vor Blamage und Tadel ist, die sich aus den nicht genehmigten Aktionen von Individuen ergeben könnten. Kapiert? 

Betrachtet man das aus einer weiteren Perspektive, dann ist klar, dass das, worauf die Öffentlichkeit schon gar kein Recht hat, ein Fenster ist auf die Wirklichkeit des Spiels namens Geopolitik. Die Spieler in diesem Spiel dürfen nicht der genauen Überprüfung durch die Öffentlichkeit unterzogen werden, nicht einmal dann, wenn sie Entscheidungen mit enormen globalen Auswirkungen treffen, etwa über die Weitergabe von Atomwaffen. Das ist für mich der Punkt, wo die Dinge wirklich furchterregend werden.

Krieg ist ein Spiel. Das Wettrüsten ist ein Spiel. Diejenigen, die es spielen, brauchen sowohl Qualifikation als auch Lizenz, wobei die Rolle der Öffentlichkeit nicht über die der zustimmenden Zuseher – oder vielmehr „Zuseher“ hinausgehen soll, denen der Zugang nur zur gesäuberten PR-Version des Spiels gestattet wird. Dass es um unsere Leben und unsere Zukunft geht, die letztlich auf dem Spiel stehen, macht nichts. Hier gilt die Prämisse, dass die vorgesehenen Experten sich um alles kümmern und dass ihre Schwindel den Frieden bringen werden.

Aber Frieden ist kein Spiel. Er kann nur langsam aufgebaut werden, bewusst und offen, in einer Atmosphäre von Ehrlichkeit und Integrität. „Ich habe keinen geheimen Friedensplan,“ sagte George McGovern, als er 1972 Präsidentschaftskandidat der Demokraten war. „Ich habe einen öffentlichen Plan. Und als einer, dessen Herz die letzten zehn Jahre hindurch über den Todeskampf Vietnams geblutet hat, will ich am Tag des Amtsantritts Schluss machen mit der sinnlosen Bombardierung Indochinas.“

Aber das ist nicht die Art von Führung, die wir uns selbst vermacht haben. Wir stecken in einer Weltpolitik des tödlichen Bedürfnisses, immer besser zu sein als die anderen, die im Geheimen stattfindet, oft mit rücksichtsloser Sorglosigkeit in Hinblick auf die Langzeitfolgen. Hin und wieder steigt ein Teilnehmer angewidert aus diesem Spiel aus und gibt einiges von dieser Realität an die Medien weiter. Das wird als kriminelles Fehlverhalten bezeichnet.

 
     
  Archiv > Artikel von Robert C. Koehler auf antikrieg.com  
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