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  Irak ist ein Ort, an dem Amerikaner gelitten haben

Peter Hart

 

Die Invasion der großen irakischen Stadt Mosul durch die sunnitische militante Gruppe ISIS (Islamic State of Iraq and Syria – islamischer Staat Irak und Syrien) brachte Reporter in den Vereinigten Staaten von Amerika dazu, sich an den Irakkrieg zu erinnern – und einmal mehr zu zeigen, wie sehr sie diesen tödlichen Konflikt in erster Linie aus dem Blickwinkel von amerikanischen Opfern und Leiden betrachten.

Auf ABC World News (10. Juni 2014) erklärte Martha Raddatz, dass „Mosul einst ein Brennpunkt war von Amerikas Kampf, um Frieden und Stabilität in dieses Land zu bringen.“ Man kann sich nur schwer vorstellen, dass viele Iraker an den Einmarsch in ihr Land als Bemühung denken werden, Frieden zu bringen, aber dieser Zugang ist für ABC nicht neu. Als Militante im Januar die Kontrolle über Fallujah übernahmen, sprach Terry Moran von ABC von „einem Jahrzehnt Krieg unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, um die Demokratie in den Irak einzupflanzen“ (Extra!, 2/14).

Raddatz fuhr fort darüber zu reden, wie mehr als 200 Amerikaner „ihr Leben gaben, um diese Stadt sicher zu machen,“ und dass Mosul „gerade die letzte Stadt ist, die außer Kontrolle gerät, nachdem sich die Vereinigten Staaten von Amerika zurückgezogen haben“ – was vermuten lassen könnte, dass die irakischen Städte in gutem Zustand waren, als sie von den Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika besetzt waren.

Ihr Bericht endete: “So befindet sich 11 Jahre nach dem Einmarsch der Vereinigten Staaten von Amerika – nach fast 4.500 getöteten Amerikanern und über 730 Milliarden ausgegebenen Dollars – der Irak in der Krise.“

Der Irak befindet sich in der Krise nicht trotz, sondern wegen des Kriegs der Vereinigten Staaten von Amerika. Und es ist mehr als pervers, die derzeitige Katastrophe im Irak nur durch die Brille des Leidens der Vereinigten Staaten von Amerika darzustellen, als wenn irakische Leben von zweitrangiger Bedeutung wären. Gemäß der höchst umfassenden Studie (PLOS Medicine, 10/15/13) haben etwa eine halbe Million Iraker ihr Leben verloren aufgrund des Irakkriegs – hundertmal mehr als getötete Amerikaner. 

Dennoch tendierten amerikanische Nachrichtenprogramme dazu, sich auf Tote der Vereinigten Staaten von Amerika zu konzentrieren, wobei sie die viel größere Anzahl der Iraker verschwiegen oder herunterspielten, die in dem Krieg getötet wurden, der von den Vereinigten Staaten von Amerika begonnen worden war. Der Moderator von NBC Nightly News Brian Williams sagte etwa am 10.6.2014: „Nach all den dort verlorenen amerikanischen Leben, nach all denen, die schwer verwundet zurückkamen, ist Mosul jetzt unter die Kontrolle eines al-Qaeda-Ablegers gefallen.“ Und der Moderator von CBS Evening News Scott Pelley teilte seinen Zusehern am 10.6.2014 mit: „Ein weiteres bedeutendes Stück von dem, wofür Amerika im Irak gekämpft hat, wurde heute verloren.“ 

Und hier Wolf Blitzer von CNN (10.6.2014):

„Es ist herzzerbrechend. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren 10 Jahre lang hier. Wir gingen davon aus, dass im Irak eine friedliche, stabile Demokratie entstehen würde, nach den hunderten Milliarden Dollar, die die Vereinigten Staaten von Amerika investiert haben, den 4.500 getöteten amerikanischen Soldaten, den Zehntausenden, die nachhause zurückkamen ohne Arme oder Beine oder verbrannt, mit posttraumatischem Stresssyndrom, und sehen Sie sich diese Katastrophe an.“ 

Blitzer interviewte Peter Brookes von der rechtsgerichteten Heritage Foundation, der sich weigerte einzugestehen, dass der Krieg ein Fehler war, weil der Irak keine Waffen der Massenvernichtung besessen hatte. „Wir wussten das damals nicht,“ sagte er zu Blitzer – wobei natürlich offen ist, wer „wir“ sind. Aber es ist nicht so, als dächte Brookes, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika kein Tadel treffen dürfe – nur die Bush-Administration: „Der wirklich schwere Fehler war, dass die Obama-Administration sich 2009 aus dem Land zurückgezogen und die Iraker allein gelassen hat.“

Brookes fährt fort, Argumente über den Beginn des Kriegs gegen den Irak zurückzuweisen, die sich aus nachträglicher Einsicht ergeben, da es eindeutig nicht fair ist, die Sache Irak neu zu beurteilen auf der Basis dessen, was die Politiker heute darüber wissen, wie der Krieg verlaufen würde. An einer Stelle bemerkte Brookes, dass Vorhersagen schwer sind – und „besonders schwer, wenn sie die Zukunft betreffen, stimmt´s?“ 

Aber damals, unmittelbar vor Beginn des Kriegs gegen den Irak, war es nicht so schwer. In der Tat sagte Brookes am 5.März 2003, dass der Irakkrieg „ein paar Wochen dauern wird.“

Natürlich lag er daneben – aber er ist noch immer ein Irakexperte für die Medienkonzerne.

 
     
  erschienen am 11. Juni 2014 auf > FAIR - Fairness & Accuracy in Reporting > ARTIKEL  
 
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