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  Die Vereinigten Staaten von Amerika orientieren sich an Israel, um Folter zu rechtfertigen

Vijay Prashad  

 

Fußnoten in Regierungsberichten sind oft der Ort, an dem verärgerte Bürokraten Hinweise hinterlassen. Hier werden andeutungsweise Informationen platziert, die woandershin führen. Höhere Vorgesetzte würden wohl keine potenziell kontroversielle Information im Text eines Berichtes zulassen. 

In dem Senatsbericht über CIA-Folter gibt es eine solche Fußnote. Bald taucht in dem über 500 Seiten langen Bericht Fußnote 51 auf, die sich mit dem Entwurf zum Gesetzesanhang vom 26. November 2001 befasst betreffend Einvernahmen von Feinden: Gesetzliche Überlegung für CIA-Beamte.

Dieser Entwurf, so der Senatsbericht, „zitierte das ‚israelische Beispiel’ als eine mögliche Grundlage für die Argumentation, dass ‚Folter notwendig ist, um unmittelbar bevorstehenden wesentlichen physischen Schaden an Personen zu verhindern, wenn keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, um den Schaden abzuwenden.’“

Das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika ist ziemlich klar: Folter ist in allen Fällen illegal. Es gibt kein „tickende Zeitbombe“-Szenario für die grausame und unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Wenn diese keine Grundlage im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika hat, dann könnten ihre Beamten die israelische Praxis als Präzedenzfall hernehmen, meint die CIA. Die israelische Gerichtsbarkeit war großzügiger gegenüber Folter.

2007 war die CIA beunruhigt: könnte man zur Verantwortung gezogen werden für die Folter, die ihre Beamten in den sogenannten “schwarzen Orten” durchgeführt haben?

Korrespondenz zwischen dem Principal Deputy Attorney Attorney General Steven Bradbury (vom Justizministerium der Vereinigten Staaten von Amerika) und dem Acting General Counsel (oberster Rechtsberater) der CIA John Rizzo bezeugt diese Angst. Rizzo suchte Rechtfertigung in dem „israelischen Beispiel.“ 

Der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika hatte McCains Änderungsvorschlag diskutiert, die „unmenschliche Behandlung von Gefangenen“ zu verhindern. Rizzo schrieb, dass es eine „auffallende“ Ähnlichkeit zwischen den Diskussionen in den Vereinigten Staaten von Amerika und den 1999 in Israel geführten gab. Rizzo schrieb, dass das isralische Höchstgericht urteilte, „dass einige Techniken möglicherweise zulässig wären, aber einer Art gesetzlicher Absegnung bedürfen.“ Er hoffte, dass der Kongress eine derartige Absegnung bereitstellen würde. Falls nicht, berief Rizzo sich auf die „unumgängliche Verteidigung“ – importiert aus Israel – in deren Rahmen, sobald sie erforderlich wurde, die Verwendung von Folter akzeptabel war.

Warum suchte die CIA Rechtfertigung durch das israelische Beispiel? Immerhin, so Laleh Khalili, Autor von Time in the Shadows (Zeit in den Schatten), hat die CIA ihre eigene Geschichte der Folter. Diese wurde in Lateinamerika mit maßgeblichem Effekt eingesetzt und bewahrt im KUBARK Counterintelligence Interrogation Manual der CIA aus dem Jahr 1963.

Dieses Handbuch ist nichts für schwache Nerven. Sein Stil lässt Folter entschieden banal erscheinen – „der elektrische Strom sollte im vorhinein bekannt sein, damit Transformatoren und andere Geräte bei der Hand sind, falls sie gebraucht werden,“ heißt es in einem Abschnitt über Elektroschocks.

Ausschnitte aus dem derzeitigen Senatsbericht könnten sehr wohl dem Handbuch aus dem Jahr 1963 entnommen sein: Gefangene sollten „in einer Zelle, die kein Licht hat“ eingesperrt werden, obwohl „eine Umgebung, die sich leichter kontrollieren lässt, wie ein Wassertank oder eine eiserne Lunge, noch effektiver ist.“ Die ehrlichere Rechtfertigung für CIA-Folter in dem Krieg gegen den Terror hätte nicht die israelische Praxis liefern sollen, sondern Lateinamerika, das der Historiker Greg Grandin „die Werkstatt des Imperiums“ nennt.

Nichtsdestotrotz, bemerkt Khalili, suchte die CIA wohl Legitimität bei den Gerichten – israelischen, wenn schon nicht amerikanischen – statt sich auf ihre Geschichte zu beziehen. Das israelische Höchstgericht ist besetzt mit Leuten, die akademische Grade aus Princeton und Harvard besitzen – „und deren angeblich liberalen Urteile dennoch Raum lassen für eine Reihe von Foltermethoden.“ Es schien ein idealer Ort zu sein, um nach einem Präzedenzfall zu suchen.

 
     
  erschienen am 26. Dezember 2014 auf > Ron Paul Institute for Peace and Prosperity > Artikel  
 
Das Thema Folter in den/durch die Vereinigten Staaten von Amerika ist keineswegs neu und wurde auf dieser Website immer wieder eingehend behandelt. Die Originalartikel kommen allesamt aus mehr oder weniger bekannten Publikationen, wo vielleicht nur ich sie gefunden und übersetzt habe. Das Image der terroristischen Supermacht als "Rechtsstaat" und "Hüter der Menschenrechte", das sie allerdings nur mehr bei den europäischen Hampelstaaten genießt, die sich sogar bereitwillig ins Knie schießen, wenn das verlangt wird, konnte also aufrechterhalten werden. Ob der offizielle Folterbericht etwas ändert? Die Argumentation, dass "wir diejenigen sind, die sich zu ihren Fehlern bekennen" lässt schlimmes erwarten angesichts einer Polit/Medienhurenszene, die da bereitwillig mitmacht. Früher ging man beichten, heute entschuldigt man sich halt, unter großem Beifall der Mittäter und Mitverdiener ...

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