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Das Kriegsverbrechergesetz gilt auch für die Vereinigten Staaten von Amerika

Walter Rockler

 

Um die mörderisch zerstörerischen Bombenangriffe auf Jugoslawien zu rechtfertigen, müssen die USA vorgeben, dass die Serben die Menschenrechte verletzt haben und dass Präsident Slobodan Milosevic, der serbische Oberdämon, ein Kriegsverbrecher nahezu ohnegleichen ist.

Das versichert uns Präsident Clinton in seinen häufigen Pressekonferenzen, in denen er sich gegen Milosevic auslässt. Aber der Ruf „Kriegsverbrecher“ zeigt höchstens auf, dass diejenigen, die im Glashaus leben, besser keine Steine werfen sollten.

Wir begehen eine flagrante militärische Aggression und attackieren unaufhörlich ein kleines Land, hauptsächlich um zu demonstrieren, dass wir die Welt beherrschen. Die Begründung, wir würden für die internationale Moral kämpfen, entschuldigt nicht die kriegerische Aggression und die vielen Toten, die diese mit sich bringt. Sie vermindert auch nicht die Schuld der für diese Aggression Verantwortlichen.

Als primäre Quelle des internationalen Rechts ist das Urteil des Nürnberger Gerichtshofes im Verfahren gegen die hauptverantwortlichen Nazi-Kriegsverbrecher 1945-1946 völlig eindeutig. Unsere Führer reden zwar oft über dieses Urteil und loben es, aber sie haben es offenbar nicht gelesen. Dieser Internationale Gerichtshof hat nämlich folgendes erklärt:

“Einen Angriffskrieg zu entfesseln ist nicht nur ein internationales Verbrechen, es ist das schwerste internationale Verbrechen, das sich von anderen Kriegsverbrechen dadurch unterscheidet, dass es das gesamte Übel des Ganzen umfasst.”

In Nürnberg drängten die USA und Großbritannien auf die Verfolgung der Naziführer wegen Planung und Entfesselung eines Angriffskriegs. Der Richter des Obersten Gerichtshofs der USA Robert Jackson, Leiter der amerikanischen Anklagebehörde, stellte fest, „dass die Entfesselung eines Angriffskrieges ein Verbrechen ist, das durch keine politischen oder wirtschaftlichen Umstände gerechtfertigt werden kann.“ Er stellte weiters fest, dass „wenn bestimmte Verletzungen von Abkommen Verbrechen sind, es sich bei diesen um Verbrechen handelt, egal ob die USA oder Deutschland sie begehen. Wir sind nicht bereit, Strafgesetze gegen andere anzuwenden, die wir nicht gegen uns selbst genauso anwenden würden.“

Die Charta der Vereinten Nationen bewertet Aggression ähnlich. Die Artikel 2(4) und (7) verbieten Eingriffe in die inneren Angelegenheiten eines jeden Landes und Drohungen mit dem oder den Einsatz von Gewalt eines Staates gegen einen anderen. Die Vollversammlung der UNO bekräftigte in der Resolution 2131, der „Erklärung der Unzulässigkeit von Interventionen“ die Sichtweise, dass eine gewaltsame militärische Intervention gegen ein Land Aggression und ein Verbrechen ist, das nicht gerechtfertigt werden kann.

Ein “NATO”-Aufkleber auf aggressiver Politik und Verhalten entschuldigt diese nicht. Das ist einfach eine Perversion der NATO, die als Verteidigungsallianz gegründet wurde. Die NATO verpflichtete ihre Mitglieder, von jeglicher Drohung mit oder Gebrauch von Gewalt Abstand zu nehmen, die nicht vereinbar ist mit den Grundlagen der UNO, und anerkannte ausdrücklich „die primäre Verantwortung des Weltsicherheitsrats für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit“. Durch die Umgehung der Zustimmung des UNO-Weltsicherheitsrates haben USA und NATO offenkundig grundlegende Gesetze verletzt.

Auch nach anderen Bestimmungen des Völkerrechts sind die Bombenangriffe der USA und NATO ein fortwährendes Kriegsverbrechen. Entgegen der Auffassung unserer Kriegsplaner ist uneingeschränktes Bombardieren aus der Luft nach dem Völkerrecht verboten. Bombenangriffe auf die Infrastruktur eines Landes – Wasserwerke, Kraftwerke, Fabriken, Brücken, Fernseh- und Rundfunksender – sind keine Angriffe auf militärische Ziele. Unsere Bombenangriffe haben auch außerordentliche Verluste an Leib und Leben der Zivilbevölkerung verursacht, was gegen weitere Rechtsnormen verstößt. Bisher haben wir hunderte, wenn nicht tausende Serben, Montenegriner und Albaner, sogar einige Chinesen bei unserem Kampf für humanitäre Ideale ermordet.

Zusätzlich zur Missachtung der UNO-Charta und Pervertierung der NATO hat Clinton mindestens zwei Verfassungsbestimmungen der USA verletzt. Gemäß Artikel I(8) der Verfassung hat der Kongress - nicht der Präsident - die Macht, Krieg zu erklären und Verletzungen des Völkerrechts zu bestrafen. Alexander Hamilton wies in „The Federalist“ Nr. 69 auf einen Unterschied zwischen Monarchie und Präsidentschaft unter einer neuen Regierungsform hin: der König konnte seine Armee gebrauchen, wie er wollte; der Präsident würde keine dermaßen unbegrenzte Macht haben. Gemäß Artikel VI der Verfassung sind Abkommen, im Gegensatz zu bloßen Papierfetzen, als die wir sie neuerdings behandeln, Bestandteil der Verfassung der USA. Natürlich kann man von einem unterwürfigen Kongress, der sich höchstens mit Details sexuellen Fehlverhaltens abgibt, nicht erwarten, dass er den Anforderungen der Verfassung zum Durchbruch verhilft.

Auch von den Medien braucht man sich nicht viel zu erwarten. Ihre Berichterstattung beruht auf kontrollierten Informationen aus Außenministerium, Pentagon und NATO, und sie sehen ihre Pflicht darin, diese mit weiteren farbigen Details über serbische Gräueltaten auszuschmücken. So wurde etwa die Bemerkung eines NATO-Sprechers, ein aus 10.000 m Höhe fotografiertes frisch gepflügtes Feld könnte ein Massengrab sein, als Neuigkeit verbreitet.

Die Annahme, humanitäre Missstände könnten durch willkürliche Zerstörungen und Tötungen mittels hochentwickelter Technik beseitigt werden, ist von vorne herein verdächtig. Das ist ein reiner Vorwand für unseren arroganten Anspruch auf Macht und Herrschaft unter Missachtung des Völkerrechts. Wir stellen einfach die Forderungen und Regeln auf und setzen sie mit militärischer Gewalt durch. Das alles erinnert an Henrik Ibsens „Verwende nicht dieses fremde Wort ´Ideale´. Wir haben dieses hervorragende Wort ´Lügen´.“

 
     
  Walter J. Rockler (gest. 2002), Anwalt in Washington, war Ankläger im Nürnberger Kriegsverbrechertribunal. Den obigen Text verfasste er als Leserbrief an die Chicago Tribune, wo er am 23. Mai 1999 erschienen ist.  
     
 
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