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  Gezielt ausgehungert

German Foreign Policy

 

PFAFFENHOFEN - Über die Situation syrischer Flüchtlinge und die Lage in Syrien sprach german-foreign-policy.com mit Bernd Duschner. Er ist Vorsitzender des Vereins "Freundschaft mit Valjevo", der Friedensarbeit eng mit humanitärer Hilfe für Kriegsopfer und Flüchtlinge verknüpft. Der Verein unterstützt heute auch Flüchtlinge aus Syrien. Duschner hat jetzt einen Appell initiiert, das Embargo gegen Syrien zu beenden. Der Appell wurde bereits von über 2.000 Bürgern unterschrieben, unter ihnen elf Bundestagsabgeordnete, der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium Willy Wimmer und frühere Planungschef im Bundeskanzleramt und Publizist Albrecht Müller.

german-foreign-policy.com: Herr Duschner, Ihr Verein "Freundschaft mit Valjevo" setzt sich für syrische Flüchtlinge ein. Woher kommt eigentlich der Name des Vereins?

Bernd Duschner: Im Frühsommer 1999 führte die Nato ihren Luftkrieg gegen Jugoslawien. Ich war mit meinen Freunden entsetzt, dass sich unsere Regierung an diesem Angriffskrieg beteiligte. Wir formulierten einen öffentlichen Aufruf für eine sofortige Beendigung der Bombardierungen. Über 100 Bürger in unserer oberbayerischen Stadt Pfaffenhofen, darunter der Bürgermeister und mehrere Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, unterschrieben ihn. Wir nahmen uns vor, ein Beispiel zu setzen und für eine besonders stark bombardierte serbische Stadt Hilfstransporte zu organisieren und zu ihr freundschaftliche Beziehungen aufzubauen. Unsere Wahl fiel auf die Stadt Valjevo.

gfp.com: Jetzt unterstützen Sie Flüchtlinge aus Syrien, die in Pfaffenhofen untergebracht werden...

Duschner: Unser Verein setzt sich für Frieden und Völkerverständigung ein. Die breite Mehrheit der Flüchtlinge, die heute zu uns kommen, stammen aus Staaten, die durch militärische Interventionen des Westens weitgehend zerstört wurden. Ich denke an Afghanistan, den Irak, Somalia, Libyen, aber auch an Syrien. Ganz offen finanzieren und bewaffnen die USA mit der Türkei und Saudi-Arabien islamistische Gruppen und heizen diesen blutigen Krieg an. Friedensarbeit und konsequentes Eintreten für die Rechte von Kriegsopfern und Flüchtlingen gehören für uns untrennbar zusammen.

gfp.com: Mit welchen Problemen sind die Flüchtlinge konfrontiert?

Duschner: Zentrales Problem für alle Flüchtlinge ist der Mangel an preisgünstigen Mietwohnungen. Weil seit Jahren kein sozialer Wohnungsbau mehr betrieben wird, werden die Asylbewerber zunehmend in Sammelunterkünften, Containern, Turnhallen oder abgelegenen leerstehenden Kasernen untergebracht. Dort sind sie ausgegrenzt, eine Integration ist kaum möglich. Politiker "rechtfertigen" den Verzicht auf Wohnungsbau mit dem Argument, man wolle keine "Anreize" für weitere Flüchtlinge schaffen. Dazu kommt der schwierige Zugang zum Arbeitsmarkt und für viele Asylbewerber die lähmende Angst vor einer Abschiebung. Auch syrische Flüchtlinge bei uns haben Schreiben des Bundesamtes für Migration erhalten, dass sie nach Ungarn oder Italien "zurückgeführt" werden.

gfp.com: Sie unterstützen auch das Italienische Krankenhaus in Damaskus. Was hören Sie von dort über die Lage in Syrien?

Duschner: Dieses Krankenhaus wird von katholischen Ordensschwestern geleitet. Sie sind entschlossen, das Land und seine Menschen nicht zu verlassen. Selbst in Damaskus fehlt es an Ärzten, an Medikamenten, die Wirtschaft liegt danieder, viele Menschen hungern. Die Nonnen, die tagtäglich Verletzte und Tote sehen, sind tief betroffen, dass ausländische Regierungen die terroristischen Gruppen offen unterstützen und immer mehr Waffen ins Land gebracht werden.

gfp.com: Jetzt haben Sie einen Appell [1] initiiert, das Embargo gegen Syrien zu beenden. Warum?

Duschner: Seit 2011 hat die Bundesregierung gemeinsam mit der EU, den USA und Ländern der arabischen Welt Sanktionen gegen Syrien verhängt. Die Auslandsguthaben des Landes wurden eingefroren, der Handel mit Syrien eingestellt, um dem Land jede Möglichkeit zu nehmen, Geld zu verdienen. Der Verkauf von Treibstoff, Heizöl sowie Technologie und Ausrüstung zur Förderung von Erdöl und für Kraftwerke zur Stromgewinnung an Syrien wurden verboten. Ohne Treibstoff und Strom aber kommen Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Handwerk und Industrie zum Stillstand. Massenarbeitslosigkeit, Verelendung und Selbstzerfleischung eines ganzen Volkes werden bewusst in Kauf genommen, um einen gewünschten Regimewechsel zu erzwingen.

gfp.com: Bewusst?

Duschner: Bewusst. Die regierungsnahe "Stiftung Wissenschaft und Politik" hat das bereits im Februar 2012 offen ausgesprochen - ich zitiere: "Unterdessen zeigen die Wirtschaftssanktionen Wirkung [...]. Die Bevölkerung leidet unter der Knappheit von Benzin, Heizöl und Butangas; Stromsperren von bis zu sechs Stunden täglich treffen mittlerweile auch die Hauptstadt. Seit Beginn der Krise ist der Schwarzmarktkurs der syrischen Währung um rund 50% gefallen. Importgüter wie Weizen werden knapp und damit mangelt es an Brot; die Preise für lokal erzeugte Güter des täglichen Bedarfs, etwa Milchprodukte, steigen spürbar. Nach wie vor sind jedoch keine Anzeigen für die erhofften politischen Wirkungen aber zu sehen. Weder hat die Regimespitze ihre Haltung verändert, noch die Unternehmerelite sich vom Regime abgewandt."[2] Zynisch empfahlen die beiden Autoren deshalb die "stringente Umsetzung und weitere Verschärfung der bestehenden Sanktionen".

gfp.com: Was die Leiden der Bevölkerung dramatisch verschlimmern musste.

Duschner: Ich halte es für ein Verbrechen, ein Volk gezielt auszuhungern, um von außen einen gewünschten Regimewechsel zu erzwingen. Nach vier - vier! - Jahren Embargo ist es höchste Zeit, unsere Bevölkerung über diese zentrale Ursache des Flüchtlingselends zu informieren und eine breite Solidaritätsbewegung mit der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Wir müssen die Aufhebung der Sanktionen erzwingen.


[1] Der Appell kann unter
www.freundschaft-mit-valjevo.de/wordpress/ gelesen und unterzeichnet werden.
[2] Muriel Asseburg, Heiko Wimmen: Der gewaltsame Machtkampf in Syrien. Szenarien und Einwirkungsmöglichkeiten der internationalen Gemeinschaft. SWP-Aktuell 12, Februar 2012.

 
     
  erschienen am 9. Juli 2015 auf > German Foreign Policy > Artikel  
  Herzlichen Dank den Kollegen von German Foreign Policy, einer Website, die ich täglich lese und die ich uneingeschränkt empfehle.  
 
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