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  Die wirtschaftlichen Gründe für die Legalisierung von Marihuana

Bernd Debusmann

Am 2. Juni 2005 verfassten über 500 Wirtschaftswissenschaftler, darunter drei Nobelpreisträger, einen offenen Brief, in dem sie forderten, sich mit einem Bericht über die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Gleichstellung von Marihuana mit Alkohol und Tabak zu befassen – viele Milliarden in Form von Budgeteinsparungen und neuen Steuereinnahmen.

Der Bericht von Jeffrey Miron von Harvard, einem Experten für die budgetären Auswirkungen der Betreibung der Prohibition illegaler Drogen, lieferte Stoff für eine langfristige Debatte über die Pros und Contras der Legalisierung von Marihuana, beeindruckte aber die Leute, an die er gerichtet war, nicht besonders – Präsident George W. Bush, Kongress, Governors und Parlamente der Bundesstaaten. Der Grund: die Wirtschaft brummte noch ordentlich in der ersten Hälfte des Jahres 2005.

Das ist nicht länger der Fall, und Miron hat gerade einen weiteren Bericht für das Cato Institut veröffentlicht, eine libertäre Denkfabrik in Washington, in dem er die wirtschaftliche Argumentation für die Beendigung der Prohibition in einer Zeit neu aufrollt, in der die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesstaaten unter gewaltigen Defiziten wanken und die Staatsschulden Amerikas auf dem höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg sind. Die Legalisierung aller Drogen, so Miron, würde $ 41,3 Milliarden im Jahr an Einsparungen bei den Regierungsausgaben für die gesetzliche Verfolgung und $ 46,7 Milliarden an Steuereinnahmen einbringen. 

Für Marihuana allein, sagen Miron und seine Mitautorin Kate Waldock von der Stern School of Business an der Universität New York, würden die Einsparungen bei der gesetzlichen Verfolgung – weniger Zeit für Gefängnisaufenthalte, weniger Menschen beamtshandelt und eingesperrt – insgesamt $ 8,7 Milliarden jährlich ausmachen. Neue Steuern würden annähernd den gleichen Betrag ergeben. In der Gesamtsicht der finanziellen Probleme Amerikas sind das relativ bescheidene Beträge, aber in Zeiten der Belastung zählt jede Kleinigkeit.

Wie sehr das Geld zählt, wurde von Arnold Schwarzenegger, dem Governor von Kalifornien, am ersten Tag des Oktobers klar gemacht, als er eine Verordnung unterzeichnete, die eine weitaus mildere Behandlung von Kaliforniern vorsieht, die mit kleinen Mengen von Marihuana erwischt werden. „In dieser Zeit drastischer Budgetkürzungen,“ sagte er in seiner Stellungnahme, „können es sich Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Polizei und Gerichte nicht leisten, die beschränkten Mittel für ein Vergehen auszugeben, das die gleiche Bestrafung nach sich zieht wie eine Verkehrsübertretung.“

Das macht den Besitz von einer Unze (ca. 30 g) Marihuana fast legal – man kann dafür nicht mehr eingesperrt werden und es scheint auch nicht in einem Strafregister auf. Die Höchststrafe werden $ 100 sein. Für die Befürworter der völligen Legalisierung ist das dennoch noch nicht genug, und politische Gruppen, die die Reform des Umgangs mit Marihuana betreiben, haben sich zusammengetan zu dem mutigen Unternehmen, die Kalifornier zu einer Abstimmung am 2. November aufzurufen, um über Proposition 19 (Vorschlag 19) abzustimmen, den Regulate, Control and Tax Cannabis Act of 2010 (Gesetz zur Regulierung, Kontrolle und Besteuerung von Cannabis).

Die Meinungsumfragen erbrachten widersprüchliche Ergebnisse. Eine Umfrage von Reuters/Ipsos am 5. Oktober ergab 53% gegen und 43% für die Maßnahme. Nur eine Woche davor zeigte eine Erhebung des Public Policy Institute of California fast das genaue Gegenteil: 52% dafür, 41% dagegen, 7% unentschlossen. Eines scheint klar, nämlich dass niemand weiß, was geschehen wird, wenn die Vorlage angenommen wird. 

UNBEKANNTE GEWÄSSER

Die Annahme von Proposition 19 würde Kalifornien in wahrlich unbekannte Gewässer bringen. Der amerikanische Bundesstaat mit der größten Bevölkerung (und mit dem größten Budgetdefizit) bekäme die erste Gesetzgebung auf der Erde, die es Bürgern über 21 erlauben würde, eine beschränkte Menge von Marihuana zu gebrauchen und für den persönlichen Konsum anzubauen (auf 25 Quadratfuß = 2,3m² pro Wohnung). Nicht einmal die Niederlande, das Mekka der Marihuanaanhänger, sind so weit gegangen.

In Ländern von Lateinamerika bis Europa ging der Trend in Richtung „Entkriminalisierung“ des privaten Konsums, was im großen und ganzen Wegschauen bedeutet, aber nicht formale Legalisierung. Produktion und Handel verbleiben beim Entkriminalisierungsmodell im kriminellen Untergrund.

Wenn Kalifornien für Proposition 19 stimmt, gibt es eine lange Liste von Bundes- und internationalen Gesetzen, für die es noch keine Antwort gibt und die eine Armee von Juristen für eine lange Zeit beschäftigen könnten. In einer unüblichen gemeinsamen Stellungnahme im Wall Street Journal dieser Woche sagten neun ehemalige Leiter der Drogenbekämpfungsagentur DEA – alle Chefs seit der Gründung der Agentur im Jahr 1973 – dass die kalifornische Initiative gegen die Verfassungsbestimmung verstoßen würde, die das Bundesgesetz über die Gesetze der Bundesstaaten stellt.

Die Administration von Präsident Obama, so die Ex-Chefs, sollte sich darauf einstellen, den Kurs einzuschlagen, den sie verfolgte, als Arizona ein strenges Antiimmigrationsgesetz einführte und Washington eine Klage einbrachte, dieses für null und nichtig zu erklären mit der Begründung, dass Bundesgesetz über dem Staatsgesetz steht und Immigration eine Bundesangelegenheit ist.

Dass die ehemaligen DEA-Chefs über die Änderung der Haltung gegenüber Marihuana aufgebracht sind, überrascht nicht. Sie waren beteiligt an einem Krieg gegen Drogen, der Milliarden gekostet hat, Gewalt und Blutvergießen über die Herstellungsländer brachte, wenig erreicht hat und von Obama als „totaler Misserfolg“ bezeichnet wurde, als er sich 2004 um einen Sitz im Senat der Vereinigten Staaten von Amerika bewarb.

Für einige überraschend kam die Opposition aus einem Teil von Kaliforniens Cannabiskreisen. Wie es bei den Wirtschaftlern um Budgeteinsparungen und neue Steuereinnahmen geht, geht es auch bei der Opposition ums Geld. Die geheimen Anbauer, die Kaliforniens Humboldt County zum Marihuana-Gegenstück des Weinanbaugebietes Napa Valley gemacht haben fürchten, dass die Legalisierung die Preise senken und so ihr Einkommen schmälern wird.

Derartige Ängste wurden in diesem Sommer gesteigert durch eine Studie der RAND Corporation, einer kalifornischen Denkfabrik, über die möglichen Auswirkungen einer Legalisierung. Die Forscher von RAND sagten, der Preis von Hochqualitäts-Marihuana könnte um bis zu 80 % fallen. Vor Steuern, natürlich. 

einige Leserkommentare:

Vielleicht ist es unbekümmertes Denken, wenn man glaubt, dass die Legalisierung von Marihuana viele der Probleme von finanzieller und krimineller Gewalt im Staat lösen wird. Aber dann ...

Vielleicht sollten wir einen Zug nehmen.

Das Ergebnis der 40 Jahre Krieg gegen die Drogen weist bisher Gewinne und Verluste für die Kriminellen auf, aber immer Gewinne für „die Guten.“ DEA, FBI, ATF, Sherriffs, Stadtpolizei, Gerichte, Gefängnisse und Strafanstalten werden alle mit Steuerdollars finanziert und bleiben gut bezahlte Unternehmungen in dieser Verliererpartie. Gewerkschaften sind verwickelt in diesen Sauhaufen, die Interessen großer Konzerne stehen hinter der Infrastruktur der Gefängnisse und Strafanstalten, Waffen- und Munitionsfabrikanten unterstützen beide Seiten, und die individuelle Gier nach Geld (hohe Gehälter, Bestechungsgelder und Schiebung) und Macht treibt ihr Unwesen, weil zu viele Leute auf der „richtigen Seite“ des Gesetzes vom Krieg gegen die Drogen profitieren.

Die mexikanischen Drogenkartelle und amerikanischen Strassenbanden haben Vorläufer in der Geschichte Amerikas: mit Al Capone und seinen Zeitgenossen machte Amerika eine ähnlich blutige Zeit mit. Kriminell gesinnte Leute in dieser Zeit hatten die gleichen lukrativen Anreize, Gangster zu werden und in das Schmuggelgeschäft einzusteigen. 

Nachdem die Prohibition endete, endete auch die Gewalt, und Steuern auf Alkohol füllten die Staats- und Bundeskassen. Viele Schmuggler wurden zu legalen Produzenten und existieren noch heute.

Alkohol tötet viel mehr als Marihuana, dennoch sehen wir die Hersteller von Budweiser und Jack Daniels nicht in einem kriminellen Licht, sondern viel mehr als große amerikanische Institutionen des Kapitalismus und der individuellen Freiheit.

Der große Unterschied zwischen den beiden besteht in der Produktion und in der Kontrolle der Dollars. Gras kann man leicht anbauen und verteilen. Bier brauen oder Schnaps brennen ist nicht so einfach und um einiges leichter zu kontrollieren.

Jeder, der heute in Kalifornien Hanf rauchen möchte, tut das bereits. Den Unterschied in der Frage der Legalisierung macht aus, wohin die Dollars von den Hanfrauchern und von den Steuerzahlern gehen sollen.

80% des Geldflusses in die Drogenkartelle zu entfernen ist eine gute Sache. Schon das ist Grund genug, um Cannabis zu legalisieren.

Die Entfernung der Grundlage der Finanzierung all der oben erwähnten „Kriegs“-Unternehmungen, der öffentlichen wie der privaten, ist allerdings ein Spiel mit dem Feuer.  

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Sind Cannabisraucher wirklich Kriminelle, oder sind sie einfach Cannabisraucher? Sie wollen darüber reden, wie diese Droge Leben von Menschen ruiniert? Die obligatorischen Mindeststrafen sind es, die Leben ruinieren. Strafregistereintragungen wegen Besitz kosten mehr Leute gute Arbeitsplätze als das Cannabis. Wir fügen den Jugendlichen mehr Schaden zu, wenn wir sie einsperren, als dass wir damit Gutes tun. Wenn Sie nicht sehen können, warum Prohibition rückständig und falsch ist, dann sagen Sie mir doch, was Sie rauchen?

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Die Zahlen in diesem Artikel, wieviel Geld vom Staat gespart würde durch die Nichtverfolgung von Marihuana, könnten viel niedriger sein. Es geht daraus nicht hervor, wie man zu diesen Zahlen gekommen ist.

Generell gesagt sitzen Gefangene etwa 2/3 ihrer Strafe im Gefängnis ab und etwa 1/3 auf Bewährung oder in überwachter Entlassung.

Gefangene in überwachter Entlassung werden routinemäßig auf Drogen untersucht, was jedesmal etwa $ 200 kostet.

Wenn ein Haftentlassener einen Arbeitsplatz bekommt, die Termine einhält, hart arbeitet, keine Probleme macht und keine neuen Verbrechen begeht, aber nur ein einziges Mal Marihuana raucht, landet er wieder im Gefängnis.

Aber das ist es noch nicht. Diese Schwerverbrecher haben Familien. Wenn eine bedingte Strafe widerrufen wird, muss die Regierung die Kosten für Unterbringung, Nahrung, medizinische Versorgung für den Häftling bezahlen ... und für seine/ihre Familie. Der Gefangene kann nichts mehr zum Unterhalt seiner Familie beitragen, und der verbleibende Elternteil muss schauen, wie er mit größeren Problemen und höheren Kosten zurecht kommt.

Programme des Bundes, der Bundesstaaten und der Bezirke erbringen üblicherweise weniger, als die intakte Familie zu leisten imstande ist, was dazu führt, dass seine/ihre Kinder in Armut aufwachsen und sich an die Idee gewöhnen werden, sich von der Regierung erhalten zu lassen. 

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Es war von Anfang an ein Fehler, es zu verbieten. Wieviel Geld haben wir in all diesen Jahren hinausgeworfen?

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Vor langer Zeit, Mitte der 30er Jahre, litt Amerika noch immer unter der Großen Depression. Alle „G-Men“, die im Krieg gegen den bösen Alkohol gekämpft hatten, wären demnächst auf der Straße gestanden.

Harry Anslinger, der Assistent des Prohibitionskommissars im Prohibitionsbüro, wurde zum ersten Kommissar des Bundesbüros für Drogen im Finanzministerium (FBN) bestellt und weigerte sich zuerst einmal, seine Macht (und seine Armee von G-Men) aufzugeben. Mit der Hilfe zum Beispiel von William Randolph Hearst, dem Eigentümer mehrer prominenter Zeitungen begann er mit einem Komplott, um Hanf zu verbieten ... sie bezeichneten diesen als das böse Marijuana und belogen unsere damaligen Gesetzesmacher im Kongress und erreichten, dass er als Suchtgift ohne medizinischen Wert klassifiziert wurde ...

Damit begann der KRIEG GEGEN DIE DROGEN.

Das sind alles bekannte Tatsachen ... allein aufgrund dieser ... sollte diese Klassifizierung aufgehoben werden ...

Aufgrund der Tatsache, dass Marihuana grundsätzlich harmlos ist, sollte jeder Gesetzesmacher in unserem Kongress heute das Bundesverbot aufheben ...

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Verschanzte Profiteure werden nicht leicht ihre extrem gewinnbringenden Pfründe aufgeben. Anders gesagt, weder Cops (Polizisten) noch Drogenhändler wollen ihre Helikopter und die anderen coolen Spielzeuge aufgeben.

Jeder Konservative, der glaubt, dass dieser vom Steuerzahler finanzierte Schwindel für alle Zeiten weiter betrieben werden soll, muss sich fragen, was es eigentlich heißt, konservativ zu sein.

Nutzlose vom Steuerzahler finanzierte soziale Programme wie der Krieg gegen Drogen haben mit Konservatismus nichts zu tun.

 
     
  erschienen am 8. Oktober 2010 auf > REUTERS > Artikel  
  s. dazu auch David R. Henderson - Den Drogenkrieg beenden, um die Gewalt zu reduzieren!  
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