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  Syrien: es ist kein Bürgerkrieg und war auch nie einer

Ulson Gunnar  

Die Waffen kommen aus dem Ausland, die Kämpfer kommen aus dem Ausland, die Agenda kommt aus dem Ausland. Während syrische Kräfte kämpfen, um die Kontrolle über ihr Land zurück zu erringen und die Ordnung innerhalb ihrer Grenzen wieder zu errichten, geht das Märchen vom „syrischen Bürgerkrieg“ weiter. Zweifelsohne gibt es Syrer, die gegen die syrische Regierung sind, und sogar Syrer, die mit Waffen gegen die Regierung gekämpft haben und damit gegen das syrische Volk, aber von Anfang an (tatsächlich schon vor dem Beginn) ist dieser Krieg aus dem Ausland betrieben worden. Ihn als „Bürgerkrieg“ zu bezeichnen, ist eine falsche Bezeichnung, genauso wie die Bezeichnung derjenigen, die mit Waffen kämpfen, als „Opposition.“ Es ist kein „Bürgerkrieg,“ und diejenigen, die gegen die syrische Regierung kämpfen, sind keine „Opposition.“ 

Diejenigen, die das als einen Bürgerkrieg bezeichnen, und die Terroristen, die gegen den syrischen Staat kämpfen als „Opposition,“ hoffen, dass ihr Publikum nie zu weit von ihren Lügen abweicht, um den vollen Zusammenhang dieses Konflikts zu verstehen, die Schritte, bevor er überhaupt begann und woher diese Schritte unternommen wurden. 

Wann hat das alles begonnen?

Es ist eine stichhaltige Anfrage zu fragen, wo das alles wirklich begonnen hat. Im Kalten Krieg gab es einen hin- und herschwankenden Kampf zwischen Ost und West zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa (NATO) und nicht nur mit der Sowjetunion, sondern auch mit einem wachsenden China. Aber der Kalte Krieg selbst war einfach eine Fortsetzung des geopolitischen Kampfs, der seit Jahrhunderten zwischen verschiedenen Machtzentren auf dem Planeten geführt worden ist. Unter den hauptsächlichen Zentren finden sich Paris, London und Berlin in Europa, natürlich Moskau, und in den letzten beiden Jahrhunderten Washington.

In diesem Zusammenhang können wir jedenfalls sehen, dass das, was vielleicht als lokaler Konflikt hingestellt wird, in einen viel größeren geopolitischen Kampf dieser bedeutenden Zentren besonderer Interessen gegeneinander passt. Der Konflikt um Syrien macht da keinen Unterschied.

Syrien hat im Kalten Krieg enge Beziehungen zur Sowjetunion gepflegt. Das hieß, dass sogar nach dem Fall der Sowjetunion Syrien noch immer Beziehungen zu Russland hatte. Es benutzt russische Waffen und Taktiken. Es unterhält wirtschaftliche, strategische und politische Beziehungen zu Russland und teilt gemeinsame Interessen, darunter die Aufrechterhaltung einer multipolaren Weltordnung, die den Primat der nationalen Souveränität betont. 

Aus diesem Grund haben Machtzentren des Westens seit Jahrzehnten versucht, Syrien aus diesem Umkreis zu ziehen (gemeinsam mit vielen anderen Ländern). Mit dem Fall des ottomanischen Reichs wurde der aufgesplitterte Mittlere Osten zuerst von europäischen Kolonialmächten beherrscht, ehe nationalistische Erhebungen darüber hinwegfegten, die nationale Unabhängigkeit suchten. Diejenigen, die die kolonialen Verbindungen weiterhin los sein wollten, die sie abgebrochen hatten, suchten die sowjetische Unterstützung, während diejenigen, die einfach um jeden Preis an die Macht kommen wollten, oft die Unterstützung des Westens suchten. 

Der Konflikt im Jahr 2011 war nicht Syriens erster Konflikt. Die Moslembruderschaft, eine Gründung und gepflegt vom britischen Imperium seit dem Fall der Ottomanen, wurde in den späten 70ern und früher 80ern bei einem misslungenen Versuch unterstützt, den damaligen syrischen Präsidenten Hafez al-Assad zu stürzen, den Vater des derzeitigen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Die bewaffneten Militanten, die an diesem Konflikt teilnahmen, wurden anschließend in Sicherheitsaktionen niedergeschlagen, wobei viele Mitglieder der Moslembruderschaft eine neue Initiative der Saudis namens Al Qaeda bildeten. Beide – die Bruderschaft und die jetzige Al Qaeda, würden nicht aufgeben und versuchen, von da an das Schicksal eines unabhängigen Mittleren Ostens zu beeinträchtigen, bis zum und einschließlich des heutigen Tages.

Es ist nichts „bürgerlich” am Krieg in Syrien

In diesem Zusammenhang sehen wir klar, dass Syriens jüngster Konflikt Teil dieses größeren Kampfes ist und auf keinen Fall ein „Bürgerkrieg,” der sich in einem Vakuum entfaltet, in den äußere Interessen erst hineingezogen werden, nachdem er entstanden ist.

Die Moslembruderschaft und ihr Al Qaeda-Sprössling waren da und es musste mit ihnen seit Beginn im Jahr 2011 gerechnet werden. Mit Ende 2011 führte Al Qaedas syrische Filiale (Al Nusra) landesweit Operationen in einem Ausmaß aus, das andere so genannte Rebellengruppen klein erscheinen ließ. Und sie waren nicht so erfolgreich aufgrund der Ressourcen und der Unterstützung, die sie innerhalb von Syriens Grenzen bekamen, sondern stattdessen aufgrund der immensen Ressourcen und der Unterstützung, die ihnen von außerhalb zuflossen.

Saudiarabien bewaffnet, finanziert und bietet politische Unterstützung für viele der militanten Gruppen, die von Beginn an in Syrien tätig sind. In der Tat waren viele dieser Gruppen, darunter Alliierte von Al Qaeda selbst, neulich anwesend in Riyadh, um mit ihren Saudi-Sponsoren über die Zukunft ihres gemeinsamen Unterfangens zu diskutieren.

Zusammen mit Al Nusra gibt es den selbsternannten Islamischen Staat (IS). IS, wie der syrische Konflikt selbst, wurde von den Medien des Westens so lange wie möglich als eine Kreation in einem Vakuum dargestellt. Die Herkunft seiner militärischen und politischen Stärke wurde von den anderweitig allwissenden Geheimdienstkreisen des Westens als ein Geheimnis behandelt. Hinweise zeigten sich langsam, nachdem die Russen ihre Beteiligung an dem Konflikt verstärkten. Als russische Kriegsflugzeuge begannen, Konvois zu bombardieren, die auf dem Weg in bzw. von türkischem Staatsgebiet waren, mit dem Ziel IS, wurde das Geheimnis endlich gelüftet. Der IS, wie alle anderen militanten Gruppen, die in Syrien operierten, war Empfänger von großzügigen, endlosen Anhäufungen von Waffen, Ausrüstung, Geld und Kämpfern, die aus der ganzen Welt eingeschleust wurden. 

Der syrische Konflikt wurde geboren aus Organisationen, die von Zentren ausländischer Interessen vor Jahrzehnten geschaffen wurden, und die seither gekämpft haben, allerdings nicht für die Zukunft des syrischen Volks, sondern für ein Syrien, das besser in die globale Ordnung passte, die sie geschaffen hatten. Der Konflikt wurde angeheizt durch einen Strom von Waffen, Geld, Unterstützung und Kämpfern, die sich nicht aus Syrern rekrutierten, sondern die aus den Zentren dieser ausländischen speziellen Interessen kamen, aus Riyadh, Ankara, London, Paris, Brüssel und Washington.

Wie soll man einen Bürgerkrieg beenden, den es nicht gibt?

Wenn der syrische Konflikt von ausländischen Interessen geschaffen wurde, die militante Gruppierungen seit Jahrzehnten benutzt haben, um eine ausländische Politik (in und außerhalb von Syrien) durchzusetzen, die im Wesentlichen auf eine Stellvertreter-Invasion hinausläuft, nicht auf einen Bürgerkrieg, wie soll dann genau eine „Lösung“ erreicht werden können?

Mit wem sollte die syrische Regierung sprechen, um zu dieser Lösung zu kommen? Sollte sie mit den Führern von Al Nusra und IS sprechen, die eindeutig die Militanten dominieren, die gegen Damaskus kämpfen? Oder sollte sie mit denen sprechen, unter deren Schirm die Perpetuierung des Konflikts betrieben wurde, Riyadh, Ankara, London, Paris, Brüssel und Washington, wobei alle von diesen an der Unterstützung sogar der extremsten dieser militanten Gruppen beteiligt zu sein scheinen?

Wenn Damaskus mit politischen Führern in diesen ausländischen Hauptstädten spricht, geht es dann um einen “Bürgerkrieg” oder um einen Krieg, in dem es mit mit diesen ausländischen Mächten kämpft? Auf der Weltbühne ist es klar, dass diese ausländischen Hauptstädte ganz und gar für die Militanten sprechen, und es überrascht auch niemanden, dass diese Militanten genau das zu wollen scheinen, was diese ausländischen Hauptstädte wollen.

Ehrlichkeit bei der Beurteilung dessen, in welche Art von Konflikt Syrien wirklich verwickelt ist, ist der erste Schritt beim Finden einer realen Lösung zu dessen Beendigung. Der Westen bleibt bei der Behauptung, dass es sich um einen „Bürgerkrieg“ handelt. Das ermöglicht ihm, weiterhin zu versuchen, das Ergebnis des Konflikts zu beeinflussen und den politischen Zustand, in dem Syrien sich nach seiner Lösung befinden wird. Durch die Behauptung, dass die syrische Regierung jegliche Legitimation verloren hat, stärkt der Westen weiterhin seine Position in diesem Kontext.

Versuche, der Regierung die Legitimität zu entziehen, gestützt auf die Tatsache, dass sie standhaft blieb und Gruppen von bewaffneten Militanten bekämpfte, die gegen sie von einer Achse ausländischer Interessen organisiert worden waren, würden einen sehr gefährlichen und nicht akzeptablen Präzendenzfall setzen. Es ist keine Überraschung, dass Syrien sich in diesem Kampf in einer wachsenden Anzahl von Verbündeten findet, da andere Länder realisieren, dass sie die nächsten sein werden, wenn das „Modell Syrien“ Erfolg hat. 

Die Anerkennung der Tatsache, dass der Konflikt in Syrien das Resultat ausländischer Aggression gegen Damaskus ist, würde die Lösung sehr einfach machen. Die Lösung würde so aussehen, dass Damaskus ermöglicht wird, die Ordnung innerhalb seiner Grenzen wiederherzustellen, während es entweder im Rahmen der UNO oder auf dem Schlachtfeld gegen jene Länder vorgeht, die die gegen Syrien gerichtete Gewalt schüren. Vielleicht ist die Klarheit dieser Lösung der Grund dafür, dass diejenigen, die hinter diesem Konflikt stehen, so hart versucht haben, diesen als einen Bürgerkrieg hinzustellen.

Für diejenigen, die versucht haben, mit wenig Glück dem syrischen „Bürgerkrieg“ seit 2011 einen Sinn abzugewinnen, ist die Erklärung einfach – es ist kein Bürgerkrieg und war nie einer. Ihn als einen Stellvertreterkrieg von Anfang an (oder sogar schon bevor er begonnen hat) zu verstehen, wird einem einen klaren Durchblick geben, der einem unermesslich helfen wird zu verstehen, was die offensichtlichen Lösungen sind, aber nur, wenn man zu diesem Verständnis kommt.

 
     
  erschienen am 28. Dezember 2015 auf > New Eastern Outlook > Artikel  
 
siehe dazu im Archiv:
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  Paul Craig Roberts - Obama vergöttlicht die amerikanische Hegemonie
  Eric Margolis - Wie kann die Flüchtlingsflut gestoppt werden?
  John V. Walsh - Warum sind Russland und China (und der Iran) vorrangige Feinde der herrschenden Elite der Vereinigten Staaten von Amerika?
  Garikai Chengu - Libyen: Von Afrikas reichstem Staat unter Gaddafi zu einem gescheiterten Staat nach dem NATO-Überfall
  John Philpot - Versagen des Internationalen Rechts und der Menschenrechtsinstitutionen: Palästina, Syrien und Irak im Jahr 2014
  Ismael Hossein-zadeh - Das Chaos im Mittleren Osten und darüber hinaus ist geplant
  Glen Ford - Obamas Krieg gegen die Zivilisation
  Stephen Kinzer - BP im Golf – im Persischen Golf
  Greg McInerney - Die Ruinierung Irlands
  Jack A. Smith - Hinter dem amerikanisch-nordkoreanischen Getöse
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