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  Die Politik der Europäischen Union gegenüber Syrien ist nicht nur scheinheilig, zynisch und menschenverachtend, sie ist ein Verbrechen gegen den Frieden. Das wird etwa durch einen durchgesickerten UNO-Bericht (>>> LINK) bestätigt (von dem Sie nicht viel hören werden ...), siehe auch den vor kurzem erschienenen Bericht der US-Abgeordneten Tulsi Gabbard (LINK) und das Interview mit dem niederländischen Pater Daniel Maes (LINK)! In dem Artikel "In Syrien hungert jeder Dritte (LINK)" finden Sie weitere Informationen. Der Bericht des Welternährungsprogramms der UNO (LINK) spricht Bände und kann daher dem breiten Medienpublikum wohl auch nicht zugemutet werden ...

Das ist die Politik der Europäischen Union, die offenbar von bestimmten Interessengruppen gelenkt wird und sich aufführt wie die Vereinigte Kolonialverwaltung der europäischen Ex-Kolonialmächte. Warum unsere politischen Vertreter nicht gegen diese kranke und abwegige, für keinen vernünftigen Menschen nachvollziehbare Politik auftreten, fragen Sie diese am besten selbst!

 
> Appell der syrischen Kirchenführer (Juni 2016!): Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Syrien und die Syrer sind unverzüglich aufzuheben! (LINK) <
     
 
   
     
 

Die «Russenpeitsche»

Helmut Scheben

 

Man könnte darüber lachen. Wie man über die Kinderzeiten lacht, als der Welterklärung genüge getan war, wenn die Schotten knauserig, die Italiener faul und die Franzosen gegen Seife resistent waren. Aber wenn man die Karikatur auf der Cover-Seite des Zürcher «Tagesanzeigers» vom 27. Februar sieht, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. «Die Russenpeitsche» heisst es da, und man sieht Zürich im Frost, Rom im Schnee und Raketen, die auf Ost-Ghuta fliegen.

Karikatur im «Tagesanzeiger» vom 27. Februar 2018

Den Ausdruck «Russenpeitsche» soll ein deutscher Wetterdienst erfunden haben, um einen sibirische Kälte-Einbruch zu charakterisieren. Die Medien greifen den Ausdruck eifrig auf. Natürlich ist alles ironisch gemeint, sauglatt, Humor eben.

Wirklich? Den Krieg in Ost-Ghutha humorvoll zu sehen, das wäre meines Erachtens doch ein wenig zu viel der Lustigkeit. In der Karikatur wird mit heiterer Nonchalance suggeriert, was derzeit täglich von den grossen westlichen Medien als Mainstream Opinion konstruiert wird: Die Russen seien für den Krieg in Syrien verantwortlich, sie seien die Angreifer, die anderen die Opfer.

Ost-Ghuta ist in der Hand von aufständischen Milizen, darunter radikale Islamisten, die Damaskus seit 2011/2012 mit punktuellen Raketenangriffen terrorisieren. Die Bevölkerung in Damaskus ist nicht «amused». Die syrische Regierung hat jahrelang Verhandlungsbereitschaft gezeigt, um die Aufständischen zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. Sie haben sich geweigert, sie wollten diesen Krieg, um die Regierung Assad zu stürzen, und sie werden dabei seit Kriegsbeginn vom Westen unterstützt.

Ein beliebter Textbaustein in den Nachrichten lautet derzeit: «das von Assad-Truppen belagerte Ost-Ghuta». Der Versuch einer Annäherung an die Realität müsste umgekehrt lauten: das von Assad-Gegnern eingenommene und besetzte Ost-Ghuta, in dem brutale politische und ethnische Säuberungen stattgefunden haben.

Oder glaubt jemand im Ernst, bei der Einnahme von Ost-Ghuta hätten die Milizen mehr Zartgefühl an den Tag gelegt als bei der Einnahme von Mossul? Mossul wurde in allen Medien als Befreiung von den Henkern des «Islamischen Staates» gefeiert. Ohne Luftbombardierungen «hätte das Leiden noch Jahrzehnte lang gedauert» befand «Der Spiegel» am 20.12.2017. Zivile Opfer hin oder her. In Mossul bombardierte eine Allianz unter Führung der USA. Also waren die Islamisten die Bösen. In Ost-Ghuta dagegen sind die Islamisten die Guten, denn die Russen sind die Bösen. In der Weltpolitik ist eben differenziert zu urteilen: mal so und mal so.

Der ehemalige Premier und Aussenminister von Katar, Scheich Hamad bin Jassim bin Jaber al Thani, sagte Ende Oktober 2017 im katarischen Fernsehen, man habe Waffen an die «moderate Opposition» geschickt. Möglicherweise auch an Al-Nusra und andere Extremisten. Die Waffenlieferungen seien mit Saudiarabien, der Türkei und den USA vereinbart worden:

«All distribution was done through the US and the Turks and us and everyone else that was involved, the military people.» (1)

Im Januar 2017 veröffentlichte die Internetplattform Wikileaks die Audioaufnahme eines Gesprächs zwischen dem damaligen US-Aussenminister John Kerry und syrischen Oppositionellen vom 22. September 2016 in New York. Kerry sagt darin in aller Offenheit, die USA hätten der Ausbreitung des Islamischen Staates absichtlich untätig zugesehen, um den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu Verhandlungen zu zwingen. Und er fügt hinzu, es habe keine Verhandlungen gegeben, «stattdessen kam ihm Putin zu Hilfe.» (2)

Assad hatte das Recht und die Pflicht, die syrischen Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Er hätte Ost-Ghuta spätestens nach dem Giftgasangriff von 2013, der mit hoher Wahrscheinlichkeit von Dschihadisten begangen wurde,  zurückerobern müssen.  Die syrische Regierung hat zu Beginn des Krieges die UNO um Schutz und Beistand ersucht, weil sie von radikal-islamischen Terrorgruppen angegriffen wurde. Die UNO wäre verpflichtet gewesen, einem angegriffenen Mitgliedstaat zu Hilfe zu kommen. Der UN-Sicherheitsrat hat diesen Beistand nicht gewährt. Selbstverständlich nicht: weil es ja Sicherheitsratsmitglieder wie die USA waren, welche die aufständischen Milizen finanzierten, trainierten und propagandistisch lancierten, um in Syrien Regime Change zu erreichen. Also hat Syrien – völkerrechtlich legitimiert – Russland um Hilfe gebeten.

Doch die unter dem PR-wirksamen Wording «Freunde Syriens» vereinigten NATO-Staaten und ihre Freunde am Golf versuchen seit Kriegsbeginn, Putin den Krieg in Syrien in die Schuhe zu schieben. Die Klischees aus der Mottenkiste der Kaiser-Wilhelm-Epoche sind wirksam und virulent wie eh und jeh.

Und wie die «Russenpeitsche» zeigt: Keine Metapher ist zu billig und zu dumm, wenn es gilt, dem zerstreuten Publikum auf die Sprünge zu helfen. Die Russen-Phobie ist wieder trendy, mit dem bösen Russen lässt sich wieder Politik machen. Er riecht nach Gulag, Wodka und Kampfpanzer. Er manipuliert unsere Wahlen, er untergräbt die freiheitliche Gesellschaft der USA und er bombardiert mit Vorliebe Spitäler und unschuldige Kinder. Momentan in Ost-Ghuta.

Die SRF-Tagesschau vom 26. Februar ist ein klassisches Beispiel für die manipulative Nachrichtenverbreitung im Syrienkonflikt. In der «umklammerten Rebellenhochburg» Ost-Ghuta werde weiter bombardiert, heisst es dort. Zivilisten suchten verzweifelt Schutz vor den Bomben. Es gibt nach dieser Darstellung nur zwei Akteure: die russisch-syrischen Angreifer und ihre Opfer, die Zivilbevölkerung. Präsident Putin habe aber eine Waffenpause angekündigt, wird vermeldet. Das will heissen: Das Leben der schutzlosen Opfer hängt von der Gnade der Angreifer ab. Die Dschihadisten, die sich kaum an eine Waffenruhe halten, kommen in diesem Schema nicht vor. Es gibt nur Aggressoren und wehrlose Opfer.

Dabei wird die Emotionalisierung der Nachricht über Bilder ins Extreme getrieben: Gezeigt werden nur Kinder als Opfer. Die syrisch-russischen Angreifer hätten Chlorgas eingesetzt, heisst es weiter. Ein Helfer hält ein totes Kind in den Armen und erklärt: «Dieses Kind wurde durch Giftgas getötet. Wir fragen alle Kriegsparteinen und alle Organisationen der Welt: Welches Verbrechen hat dieses Kind begangen?»

Sicher eine gute Frage. Man sollte sie indessen denjenigen stellen, die seit 2011 Milizen finanzieren und bewaffnen, um die syrische Regierung zu stürzen. Ohne ihre logistische, militärische und politische Hilfe wäre der Bürgerkrieg in Syrien seit langem beendet. Die «Financial Times» schätzte schon 2013 die Summe, die Katar zum Sturz der Regierung Assad ausgegeben hatte, auf drei Milliarden Dollar.

Es scheint aber im News Business mehr und mehr nach der Devise zu laufen: Was kümmern uns politische Hintergründe und differenzierte Analysen, wenn wir nur starke Bilder und starke Emotionen haben? Denn damit macht man auch starke Einschaltquoten.

«Nichts gelesen, nichts kapiert, aber mitten im Elend und voll im Bild», nannte das einst in einem «Spiegel»-Interview der Journalist Hans Joachim Friedrichs (Jahrgang 1927). Der Fernsehmoderator Ulrich Wickert sprach von «Apokalypse statt Aufklärung». (3)

Dieser Betroffenheitsjournalismus, der Erklärung durch Erregung ersetzt, ist einer der Gründe für die Vertrauenskrise, unter der unsere grossen meinungsführenden Medien leiden.

Wenn die Situation auf dem Gefechtsfeld zu unübersichtlich wird und von den «Kriegsfronten» nicht viel Klares zu erkennen ist, rekurrieren Journalisten seit jeher auf das fruchtbare Terrain der Flüchtlingslager, der betroffenen Zivilbevölkerung, auf die Ebene des allgemeinen menschlichen Leidens. Das ist richtig, doch die wenigsten News-Macherinnen und News-Macher scheinen sich darüber im Klaren zu sein, dass Kriegsparteien aller Kriege ihre Bevölkerungen mit emotionalen Bildern von menschlichem Leiden auf ihre Seite bringen wollen. Und dass diejenigen, die Krieg führen, das nur allzu gut wissen und nutzen.

In Syrien liefern hauptsächlich die Weisshelme die nötigen Bilder. Dass diese Organisation von denselben westlichen Staaten aufgestellt wurde und finanziert wird, die den Sturz Assads betreiben, scheint ihrer Glaubwürdigkeit keinen Abbruch zu tun. Und die Tatsache, dass diese Helfer nur mit den Aufständischen gegen Assad zusammenarbeiten, stört offenbar ebenso wenig. Die Weisshelme und einige andere "Hilfswerke" im Dienste der syrischen Opposition liefern stets pünktlich Dokumentarmaterial, wenn es gilt, Putin oder Assad für Giftgasattacken oder Bombenangriffe auf Spitäler zu beschuldigen. Dementis aus Damaskus oder Moskau werden, wenn überhaupt, in einem Nebensatz erwähnt. Weitere Recherchen dazu sind niemals der Mühe wert: Man glaubt ja zu wissen, dass aus Damaskus und Moskau nichts Vertrauenwürdiges kommen kann.

Ich mag mich nicht erinnern, in westlichen Fernsehsendern Bilder gesehen zu haben, die vom syrischen Roten Halbmond oder anderen regierungsnahen syrischen Hilfsorganisationen stammten. Von den Raketenangriffen, Sprengstoffattentaten und Massenerschiessungen der aufständischen Milizen gab und gibt es keine Bilder in unserem Fernsehen. Verletzte Kinder gibt es nur auf Seiten der sogenannten Rebellen und Freiheitskämpfer. Man bekommt den Eindruck, die Regierungstruppen und die Russen bombardierten grundlos ein wehrloses Land namens Syrien.

Das blutige Handwerk der Milizen, die gegen Assad kämpfen, wäre in unseren Medien kaum vorgekommen, wären da nicht die Videos, die die Kopfabschneider selbst mit Stolz ins Netz stellten. Zahlen und Fakten beziehen unsere Nachrichtensendungen mit Vorliebe von der sogenannten «Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte». Es hat lange gedauert, bis die Redaktionen sich gezwungen sahen zu bemerken, dass selbige «der syrischen Opposition nahesteht.» Sie steht aber nicht nur nahe, sie ist eine vom Westen finanzierte Propagandastelle der Assad-Opposition. Nicht mehr und nicht weniger.

Der syrische Journalist und Islamwissenschafter Aktham Suliman leitete das Berliner Büro des arabischen Senders Al Jazeera. Im Oktober 2012 trat er aus Protest gegen die Bevormundung des Senders durch die katarische Regierung zurück. In seinem Buch «Krieg und Chaos in Nahost» schildert er eindrücklich, wie im sogenannten arabischen Frühling in der Öffentlichkeit eine Atmosphäre entstand, in der es Journalisten nicht mehr wagen durften, sich den Rufen des Westens nach Regime Change und militärischer Intervention zu widersetzen.

Suliman fragt sich, «warum moderne Staaten wie Irak, Libyen oder Syrien zerstört wurden, während Monarchien ohne Parlamente, aber mit massivem religiösen Fundamentalismus ausgestattet, wie die Golfstaaten, nicht nur geduldet, sondern unterstützt werden.»

Man könne das oberflächlich nur mit «Bosheit oder Dummheit» erklären, meint Suliman. In den Kategorien vernünftigen politischen Denkens sei dieser Widerspruch nicht erklärbar.

Doch in der arabischen Welt gewinne man mehr und mehr den Eindruck, dass mit der Umgestaltung des Nahen und Mittleren Ostens, dem «New Middle East», von dem Strategen in Washington sprechen, ein Dritter Weltkrieg begonnen habe, ohne dass die breite Öffentlichkeit dies wahrnehme.

Im syrischen Szenario ist jedenfalls die Einseitigkeit unserer Leitmedien perfekt und beinah autistisch. Man beruft sich in der Regel auf Washington und die Assad-Opposition und lässt es damit gut sein. Man ist von sich überzeugt und findet das in Ordnung. Wer dieses Bild stört und mit Fakten kommt, die betonierte Überzeugungen stören, wird als Verschwörungstheoretiker beschimpft, mit dem man sich nicht auseinanderzusetzen braucht.

Doch allzuviel «mauvaise foi» könnte gefährlich werden für die Glaubwürdigkeit. Denn im Laufe der Zeit merkt das Publikum, dass wesentliche Fakten unterschlagen werden.

Und dass es nicht der Russe ist, der im Nahen und Mittleren Osten seit einem Vierteljahrhundert ein Land nach dem anderen militärisch angegriffen und dabei ein heilloses Chaos angerichtet hat. Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien wurden destabilisiert, sie werden auf Jahrzehnte hinaus als gescheiterte Staaten schwelende Brandherde und Nährboden für die Entstehung von Terrorismus sein. Und derzeit sieht die westliche Öffentlichkeit ungerührt zu, wie das mit USA verbündete Saudiarabien den Jemen zerstört.

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FUSSNOTEN:

1. http://www.middleeasteye.net/news/qatar-maybe-supported-al-qaeda-syria-says-former-pm-1280907406

2. Aktham Suliman: Krieg und Chaos in Nahost. 2017. S. 223

3. Michael Meyen: Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand. Wie uns die Medien regieren. 2018. S.16

 
     
  erschienen am 28. Februar 2018 auf > Infosperber > Artikel  
  Herzlichen Dank den Schweizer Kollegen von Infosperber!  
  >>> Der Medien-Navigator 2018 (Swiss Propaganda Research)  
  >>> "Wir vergöttlichen die eigene Kultur" - "Krieg als Barbarei" - Dr. Eugen Drewermann - Warum Krieg?  
 
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