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  Vergessen Sie die Mythen: So wurde die kubanische Raketenkrise tatsächlich gelöst

Andrew Latham

 

Die Gefahr eines nuklearen Armageddon schwebt heute über dem Krieg in der Ukraine, wie schon während der Kubakrise vor 60 Jahren. Das hat einige Kommentatoren dazu veranlasst, Präsident Biden aufzufordern, mit seinem Gegner im Kreml im Jahr 2022 so umzugehen wie Präsident Kennedy mit seinem Gegner im Jahr 1962. Mit anderen Worten, sie gehen davon aus oder behaupten, dass die heutige Situation der damaligen Situation entspricht. Und da dies der Fall ist, argumentieren sie weiter, dass der heutige Präsident der Vereinigten Staaten den gleichen grundlegenden Ansatz wie sein Vorgänger damals anwenden sollte. Wenn die Situationen analog sind, so die Logik, sollte das, was damals funktioniert hat, auch heute funktionieren.

Das Problem ist, dass dies nicht nur eine fehlerhafte Analogie ist, sondern auch eine ausgesprochen gefährliche Analogie.

Ich räume gerne ein, dass Analogien ihren Platz haben. Aber analoge Argumente können auch zutiefst irreführend und, zumindest im geopolitischen Bereich, sogar sehr gefährlich sein.

Sie können irreführend sein, weil sie manchmal fehlerhaft oder falsch sind. Solche fehlerhaften Analogien können darin bestehen, dass ein Fall mit einem anderen verglichen wird, obwohl die Unterschiede zwischen den beiden Fällen die Ähnlichkeiten überwiegen. Ebenso können sie dazu führen, dass eine Version eines historischen Falles als objektive Geschichte behandelt wird, obwohl es in Wirklichkeit mehrere, miteinander konkurrierende Versionen der Erzählung gibt, von denen jede zu ganz anderen Schlussfolgerungen über den aktuellen Fall führen könnte. Und schließlich, und das ist vielleicht das Schlimmste, können Analogien insofern fatale Fehler aufweisen, als sie auf einer historischen Fantasie oder einem Mythos und nicht auf objektiven historischen Aufzeichnungen beruhen können.

Und zumindest im geopolitischen Bereich können fehlerhafte Analogien gefährlich sein, wenn sie eine Vorgehensweise vorschlagen, die in der Vergangenheit vielleicht funktioniert hat, aber unter den nicht analogen Umständen der Gegenwart wahrscheinlich nicht funktionieren wird.

Vor diesem Hintergrund sollten wir die Analogie zur Kubakrise untersuchen.

Der Mythos ist natürlich, dass die kalibrierte Brinkmanship (Spiel mit dem Feuer) - die Bereitschaft, den Sowjets "Auge in Auge" gegenüberzustehen, bis sie "blinzeln", wie Außenminister Dean Rusk es ausdrückte - 1962 den Ausschlag gab. Dieser Mythos, der von der Kennedy-Familie und ihren Hagiographen genährt wurde, stellte den Sieg der Vereinigten Staaten über die Sowjetunion als Ergebnis der größeren Bereitschaft Präsident Kennedys dar, einem aggressiven Tyrannen die Stirn zu bieten, bis dieser nachgab, und sich dem nuklearen Armageddon näher zu nähern, als sein Gegner dazu bereit war. Mit anderen Worten: Einschüchterung war wichtiger als Verhandlungen, einseitige Zugeständnisse wichtiger als gegenseitige Zugeständnisse.

Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Wie aus zahlreichen Berichten hervorgeht, die sich sowohl auf US-amerikanische als auch auf sowjetische Quellen stützen, kam die friedliche Lösung der Krise (der Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba) nach einer Reihe geheimer Treffen zustande, bei denen Robert F. Kennedy dem sowjetischen Botschafter in den USA Anatoli Dobrynin einen altmodischen diplomatischen Deal anbot: die Zusage, nicht in Kuba einzumarschieren, verbunden mit der gleichzeitigen Verpflichtung, die in der Türkei stationierten US-Atomraketen abzuziehen. Laut RFKs posthumen Memoiren "Thirteen Days" lautete die Bedingung, dass dieser Deal von Washington niemals öffentlich anerkannt werden würde und dass die Sowjets ihn nicht als Gegenleistung betrachten sollten, obwohl er genau das war.

In den darauffolgenden Jahrzehnten entstanden weitere Revisionen des Mythos, die alle betonten, dass die Lösung der Krise auf dem Verhandlungsweg und nicht durch aggressive Politik erreicht wurde, dass JFK in der Tat kurz davor war, "zu blinzeln", um das Armageddon zu verhindern, und dass so ziemlich die gesamte Erzählung von Kennedys stahlharter Entschlossenheit, die die Sowjets zu einer Reihe schändlicher einseitiger Zugeständnisse zwang, eine reine selbstsüchtige politische Finte war.

Die Kubakrise ist also eine falsche Analogie zur heutigen Episode des nuklearen Spiels der Großmächte. Aber wenn wir darauf bestehen, 2022 mit 1962 zu vergleichen, dann ist die wahre Lektion nicht die, die von den Mythenmachern immer wieder verbreitet wird. Mit anderen Worten, es geht nicht darum, dass Präsident Biden stark sein und Putin so lange kompromisslos anstarren muss, bis der russische Staatschef einlenkt. Vielmehr sollte Putins impliziter nuklearer Bedrohung nicht mit blinder (gedankenloser?) Entschlossenheit begegnet werden, sondern mit der Art von geschickter Diplomatie, die sich 1962 letztlich durchsetzte. Hoffen wir, dass die derzeitige demokratische Regierung hinter den Kulissen ebenso geschickt vorgeht wie ihre Vorgänger vor 60 Jahren.

 
     
  erschienen als Gastkommentar am 31. Oktober 2022 auf > The Hill > Artikel  
  Andrew Latham ist Professor für internationale Beziehungen am Macalester College in Saint Paul, Minnesota, und Non-Resident Fellow bei Defense Priorities in Washington, D.C. Folgen Sie ihm auf Twitter @aalatham.  
     
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Klaus Madersbacher, antikrieg.com

 
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